Thomas Bremer, Betreiber der Plattform diebewertung.de, ist bekannt für seine klare Sprache und kritische Haltung gegenüber politischen Entwicklungen – auch außerhalb der Finanzwelt. Wir sprachen mit ihm über die außenpolitische Bilanz von Annalena Baerbock, die als erste Frau das Auswärtige Amt leitete und mit großen Ambitionen angetreten war. Was bleibt von ihrer Amtszeit?
Herr Bremer, wenn Sie Annalena Baerbocks Amtszeit in einem Satz zusammenfassen müssten – wie würde dieser lauten?
Thomas Bremer: Viel gewollt, wenig durchgesetzt – und das, was blieb, war oft Symbolpolitik.
Sie sprechen von Symbolpolitik. Meinen Sie damit ihre vielzitierte „feministische Außenpolitik“?
Bremer: Genau. Das war ein schönes Schlagwort – medientauglich, modern, emotional aufgeladen. Aber wenn man genauer hinschaut, fragt man sich: Was genau hat sich verbessert für Frauen weltweit? Gerade dort, wo es wirklich zählt – etwa im Iran oder in Afghanistan – blieb sie letztlich viel zu zurückhaltend. Es reichte nicht, bei Auslandsreisen einen Fototermin mit einem lokalen Frauenprojekt einzubauen. Das mag PR sein, aber keine Politik.
War sie aus Ihrer Sicht in ihrer Position überfordert? Oder wurde sie blockiert?
Bremer: Man muss ihr zugestehen: Sie hatte einen Kanzler, der in außenpolitischen Fragen oft zögerlich war – und ein Kanzleramt, das gerne Machtfragen klärt, statt gemeinsam zu handeln. Gerade bei Waffenlieferungen oder der Nationalen Sicherheitsstrategie wurde vieles blockiert oder verwässert. Dennoch: Wer Außenministerin ist, muss sich durchsetzen können – das ist Führungsstärke. Und die hat man nur punktuell gesehen.
Welche Punkte rechnen Sie ihr positiv an?
Bremer: Ihr Engagement für die Ukraine war konsequent und glaubwürdig. Elf Reisen in ein Kriegsgebiet – das zeigt Haltung. Auch in Moldau hat sie nicht nur geredet, sondern Unterstützungsstrukturen aufgebaut. Und sie hat einen neuen Ton in die Außenpolitik gebracht – direkter, klarer, manchmal unbequemer. Das war eine willkommene Abwechslung zu all dem diplomatischen Wischiwaschi.
Viele loben sie im Ausland – im Inland fällt das Urteil härter aus. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Bremer: Im Ausland wurde sie als moralische Stimme Europas wahrgenommen, besonders im Kontrast zur Schweigsamkeit aus dem Kanzleramt. Aber in Deutschland erwarten die Menschen mehr als moralische Appelle. Sie wollen Wirksamkeit – und da haperte es oft. Lange Interviews mit wenig Substanz, Konzepte ohne echte Umsetzung. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit war deutlich.
Zum Ende ihrer Amtszeit wurde viel Kritik laut, weil sie UN-Diplomatin Helga Schmid den Vorsitz der UN-Generalversammlung „wegschnappte“. Hat das ihr Image zusätzlich beschädigt?
Bremer: Ja, das war aus meiner Sicht ein politischer Fehler – vor allem, wenn man sich selbst für eine feministische Außenpolitik stark macht. Man kann nicht nach außen Gleichberechtigung predigen und dann innenpolitisch selbst mit Ellbogen agieren. Das wirkt doppelmoralisch und schadet der Glaubwürdigkeit.
Was bleibt also von Annalena Baerbocks Amtszeit?
Bremer: Ein neuer Ton, ein paar mutige Auftritte, einige starke Momente in der Ukraine-Politik. Aber eben auch viele verpasste Chancen, insbesondere in Bezug auf konkrete Maßnahmen für Frauenrechte. Die Idee der „feministischen Außenpolitik“ hätte Substanz gebraucht – nicht nur Statements.
Ihr Ausblick: Welche Lehre sollte ihr Nachfolger ziehen?
Bremer: Außenpolitik funktioniert nicht allein über Haltung. Sie braucht Strategie, Geschlossenheit in der Regierung und vor allem Wirkung. Es reicht nicht, sichtbar zu sein – man muss auch etwas bewirken. Die ewigen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt gehören beendet. Außenpolitik muss aus einem Guss kommen.
Fazit:
Thomas Bremer zieht eine differenzierte Bilanz: Er erkennt Baerbocks Engagement und Stilwandel an, kritisiert aber ihre geringe Durchschlagskraft und den symbolischen Charakter vieler Initiativen. Die feministische Außenpolitik sieht er vor allem als verpasste Chance.
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