Fethullah Gülen-Erdogans größter Feind

Published On: Montag, 21.10.2024By

Fethullah Gülen, der im US-Exil lebende islamische Prediger, ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Das türkische Außenministerium bestätigte Berichte über seinen Tod, der sich in der vergangenen Nacht in einem Krankenhaus in den Vereinigten Staaten ereignet haben soll. Der türkische Fernsehsender TRT berief sich auf Angaben von Gülen nahestehenden Gruppen, die den Tod des Geistlichen ebenfalls bestätigten.

Gülen war eine schillernde und kontroverse Figur in der türkischen Politik und Gesellschaft. Ursprünglich als enger Verbündeter von Präsident Recep Tayyip Erdogan bekannt, entwickelte sich das Verhältnis zwischen den beiden zu einer erbitterten Feindschaft, die die Türkei über Jahre hinweg spaltete.

Vom Bündnis zur Feindschaft

Fethullah Gülen und Recep Tayyip Erdogan waren nicht immer Gegner. In den frühen 2000er Jahren waren sie enge Verbündete, die beide eine konservative islamische Agenda verfolgten und das Ziel hatten, den Einfluss des säkularen Establishments in der Türkei zu schwächen. Die Gülen-Bewegung, auch als „Hizmet“ bekannt, war vor allem im Bildungssektor stark verankert und betrieb zahlreiche Schulen und Nachhilfezentren in der Türkei und weltweit. Sie galt als eine der einflussreichsten religiös-sozialen Bewegungen in der Türkei.

Gülen unterstützte die islamisch-konservative Partei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) unter Erdogan aktiv und trug maßgeblich zu deren Wahlerfolgen bei. Die Bewegung stellte viele ihrer Mitglieder für die Unterstützung der AKP zur Verfügung, und Gülens Einfluss erstreckte sich auch auf das Justiz- und Polizeiwesen.

Der Bruch zwischen Erdogan und Gülen

Doch die Allianz begann zu zerbröckeln, als Erdogan zunehmend autoritär wurde und die Kontrolle über alle wichtigen Institutionen des Landes anstrebte. Der Wendepunkt kam 2013, als türkische Staatsanwälte, die als Anhänger der Gülen-Bewegung galten, eine große Korruptionsermittlung gegen Erdogans engsten Kreis einleiteten. Die Ermittlungen betrafen auch Erdogan selbst sowie Mitglieder seiner Familie, und sie stellten eine ernste Bedrohung für seine Macht dar.

Erdogan reagierte heftig und erklärte den „tiefen Staat“ der Gülenisten zum Hauptfeind. Er entließ oder versetzte Tausende von Richtern, Staatsanwälten und Polizeibeamten, die verdächtigt wurden, der Gülen-Bewegung anzugehören. Zudem begann er eine groß angelegte Kampagne, um die Bewegung in den Medien als Bedrohung für die nationale Sicherheit darzustellen.

Der Putschversuch von 2016

Der Konflikt erreichte seinen Höhepunkt am 15. Juli 2016, als eine Gruppe von Militärangehörigen einen gescheiterten Staatsstreich gegen Erdogan versuchte. Der Präsident beschuldigte sofort Fethullah Gülen und seine Anhänger, hinter dem Putschversuch zu stecken. Gülen, der seit 1999 im selbst auferlegten Exil in den USA lebte, bestritt jede Beteiligung an dem Putschversuch und verurteilte diesen scharf.

Die türkische Regierung betrachtete die Gülen-Bewegung jedoch fortan als „Fethullahistische Terrororganisation“ (FETÖ) und setzte alles daran, sie auszumerzen. Tausende Menschen wurden verhaftet, darunter Soldaten, Richter, Lehrer und Journalisten, die der Bewegung nahestehen sollen. Gülens Anhänger behaupteten, dass Erdogan den Putschversuch als Vorwand benutze, um seine Macht zu festigen und politische Gegner auszuschalten.

Gülen im US-Exil

Seit 1999 lebte Fethullah Gülen in einem abgelegenen Anwesen in den Pocono Mountains in Pennsylvania, USA. Offiziell war er aus gesundheitlichen Gründen ausgewandert, doch der zunehmende Druck in der Türkei hatte sicherlich auch dazu beigetragen. Die türkische Regierung forderte mehrfach seine Auslieferung, aber die US-Behörden weigerten sich, Gülens Schuld an den Vorwürfen zu bestätigen.

Im Jahr 2017 wurde ihm die türkische Staatsbürgerschaft aberkannt, was die ohnehin schwierige Beziehung zwischen den USA und der Türkei weiter belastete. Gülen verbrachte seine letzten Jahre zurückgezogen und schrieb weiterhin über islamische Lehren und interreligiösen Dialog, doch sein Einfluss auf die türkische Politik blieb bis zu seinem Tod ein umstrittenes Thema.

Ein umstrittenes Erbe

Gülens Tod markiert das Ende einer Ära, die die moderne türkische Geschichte nachhaltig geprägt hat. Während Erdogan ihn als Verräter darstellte, sahen viele seiner Anhänger ihn als Opfer politischer Verfolgung. Sein Erbe bleibt umstritten: Für manche war er ein inspirierender Geistlicher und Reformer, für andere der Drahtzieher einer geheimen Organisation, die den türkischen Staat untergraben wollte.

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