Jahrelang gab es die altbekannte Faustregel, dass der Käufer einer Immobilie ein Eigenkapital von mindestens 20 Prozent benötigt, damit er auch eine Finanzierung bekommt. Doch warum gerade 20 Prozent? Vorwiegend handelte es sich bei dieser Berechnung um die Kaufnebenkosten. Grunderwerbsteuer, Maklergebühren, Notarkosten – jene Positionen sollte der Kreditnehmer mit seinen Rücklagen begleichen, sodass ausschließlich nur der Immobilienkaufpreis finanziert werden musste. Heute gibt es immer mehr Banken, die eine Finanzierung ohne Eigenkapital – die sogenannte Vollfinanzierung – anbieten. In den USA oder auch in Großbritannien gibt es diese Finanzierungsmöglichkeit schon seit Jahrzehnten, in Mitteleuropa erst seit der Niedrigzinsphase. Doch sind Vollfinanzierungen tatsächlich empfehlenswert oder mitunter sogar gefährlich?
Was ist eine Vollfinanzierung?
Die Zinsen sind so niedrig wie nie, die Mieten hingegen so teuer wie schon lange nicht mehr. Jahr für Jahr steigen zudem die Immobilienpreise. Es ist daher keine Überraschung, dass sich immer mehr Menschen für Immobilien interessieren und sich mitunter Gedanken machen, das Ersparte in ein Objekt zu stecken. Schlussendlich werden die Zinsen nicht immer niedrig bleiben; steigen die Immobilienpreise weiter, sind Häuser demnächst auch kaum noch zu finanzieren. Aus diesem Grund erkennen viele Menschen die Chance ihres Lebens und wissen, dass es jetzt an der Zeit ist, wenn man tatsächlich ein Eigenheim anstrebt. Es gibt auch zahlreiche Experten, die immer wieder zu Immobilien raten. Das „Betongeld“ sei inflationsgeschützt, stellt eine Altersvorsorge dar und gewinnt an Wert. Vor Jahren scheiterten viele Hauskäufe noch am Geld bzw. der fehlenden Finanzierung; heute bieten die Banken auch Finanzierungen ohne Eigenkapital an. Die klassische Faustregel, dass der Antragsteller 20 Prozent Eigenkapital vorweisen muss, ist nicht mehr aktuell. Die Idee der sogenannten Vollfinanzierung? Das geldgebende Institut stellt dem Antragsteller die volle Kaufsumme – inklusive Kaufnebenkosten – zur Verfügung; der Antragsteller bezahlt der Bank die gesamte Kreditsumme, in monatlichen Raten und zu bestimmten Konditionen, zurück. Doch was sollten Verbraucher beachten, wenn sie sich für eine Vollfinanzierung entscheiden?
- Zu Beginn sollten die unterschiedlichen Angebote der Banken miteinander verglichen werden
- Verbraucher sollten anhand einer Einnahmen- und Ausgaben-Rechnung ermitteln, wie hoch die monatlichen Raten sein dürfen
- Die eigenen Sicherheiten, die der Bank vorgelegt werden können, müssen im Vorfeld überprüft werden
- Es sollten Sondertilgungen möglich sein
- Kreditnehmer sollten Zinssicherungsmaßnahmen durchführen, sodass sie auch eine günstige Anschlussfinanzierungen angeboten bekommen
Die Vorteile einer Finanzierung ohne Eigenkapital
Natürlich haben Vollfinanzierungen auch ein paar Vorteile. Der Kaufinteressent muss nicht jahrelang sparen, sondern kann sofort einen Kredit für das gewünschte Objekt aufnehmen. Des Weiteren profitieren heutige Kreditnehmer von den extrem günstigen Zinsen. Mitunter muss der Kreditantragsteller auch nicht seine gesamten Rücklagen verwenden, sodass ihm ein finanzielles Kissen bleibt, sofern er sich für eine Vollfinanzierung entscheidet. Er kann somit Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten vornehmen lassen; des Weiteren kann er die Rücklagen auch für unvorhergesehene Kosten (defekte Waschmaschine, Reparaturen für das Auto und dergleichen) nutzen.
Welche Nachteile müssen Kreditnehmer berücksichtigen?
Natürlich dürfen Kreditnehmer auch nicht die Nachteile ignorieren. Vollfinanzierungen sind teurer. Schlussendlich hat die höhere Finanzierungssumme einen Einfluss auf die monatlichen Raten. Am Ende sind es ja 120 Prozent, die dem Kreditnehmer zur Verfügung gestellt werden; Kreditnehmer, die ein Eigenkapital in der Höhe von 20 Prozent vorweisen, benötigen am Ende nur eine Finanzierung von 100 Prozent. Problematisch ist der Umstand, wenn keine Rücklagen vorhanden sind. Hat der Kreditnehmer nämlich überhaupt kein finanzielles Kissen, können schnell finanzielle Probleme entstehen: Die Immobilie verursacht natürlich auch Kosten, die Monat für Monat gedeckt werden müssen – kommt es zu unvorhergesehenen Reparaturen, so sind finanzielle Schwierigkeiten vorprogrammiert.
Viele Verbraucher konzentrieren sich auf unwichtige Positionen
Bevor sich der Kreditantragsteller für eine Finanzierung entscheidet, sollte er im Vorfeld die unterschiedlichen Angebote der Banken vergleichen. Doch viele Verbraucher orientieren sich an den falschen Positionen. So werden ausschließlich monatliche Raten und Zinssätze miteinander verglichen – am Ende sind es jedoch zahlreiche andere Faktoren, die dafür sorgen, ob der Kredit günstig oder teuer ist.
- Wie hoch ist die Gesamtbelastung am Ende der Laufzeit?
- Wie hoch ist der effektive Jahreszinssatz?
- Gibt es die Möglichkeit von Sonderzahlungen?
- Wie hoch sind etwaige Nebenkosten (Bearbeitungsgebühren, Kontoführungsspesen und dergleichen)?
Kreditnehmer sollten darauf achten, dass Sondertilgungen möglich sind. So kann der Kreditnehmer immer wieder Sonderzahlungen leisten; diese Zahlungen haben einen Einfluss auf die Kreditlaufzeit oder die monatliche Kreditrate. Ratsam ist es, wenn – aufgrund des niedrigen Zinssatzes – die Kreditlaufzeit reduziert wird, wenn sich der Kreditnehmer für eine Sondertilgung entscheidet.
Wer profitiert von einer Vollfinanzierung?
Vollfinanzierungen eignen sich vorwiegend für Personen, die ein gutes und auch sicheres Einkommen haben. Dazu gehören vor allem Beamte oder auch Lehrer. Freiberufler und Selbstständige, die kein festes Einkommen haben, sollten keine Vollfinanzierung abschließen.
Damit die Bank dem Antrag zustimmen kann, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt werden. Der Kreditantragsteller muss über eine gute Bonität verfügen, ein regelmäßiges Einkommen haben und sollte sich für eine Immobilie entscheiden, die einerseits einen dementsprechenden Wert hat und sich auch in einer guten Lage befindet. Des Weiteren spielen auch die Sicherheiten für die Bank – so etwa eine Lebensversicherung – eine wesentliche Rolle.
Das Fazit
Vollfinanzierungen sind mitunter eine interessante Finanzierungsmöglichkeit für Beamte, Lehrer und Arbeitnehmer, die ein regelmäßiges Einkommen haben. Freiberufler und Selbstständige sollten sich gegen eine derartige Finanzierung entscheiden. Des Weiteren sind Vollfinanzierungen nur empfehlenswert, wenn der Kreditnehmer noch über Rücklagen verfügt; hat der Kreditnehmer keine Rücklagen, können unvorhergesehene Kosten zu finanziellen Schwierigkeiten führen.
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