Der akute Mangel an Fluglotsen bringt das US-Luftverkehrssystem an seine Grenzen. Seit Jahrzehnten kämpft die Federal Aviation Administration (FAA) mit Personalengpässen, die nicht nur die Arbeitsbedingungen der verbleibenden Fluglotsen verschärfen, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Luftfahrtindustrie und Passagiere haben.
Langsame Einstellungen verschärfen die Krise
Im Jahr 2024 verstärkte die FAA unter Präsident Joe Biden die Einstellung von Fluglotsen. Doch trotz der Aufnahme von 2.000 neuen Bewerbern reichte dies kaum aus, um die 1.100 Abgänge durch Pensionierungen und beruflichen Stress auszugleichen.
Das Problem: Fast die Hälfte der eingestellten Fluglotsen scheitert in der Ausbildung, die bis zu drei Jahre dauert. Das bedeutet, dass es selbst bei maximaler Einstellungsquote bis zu neun Jahre dauern könnte, bis die Personallücke vollständig geschlossen ist, so Nick Daniels, Präsident der National Air Traffic Controllers Association (NATCA).
Aktuell gibt es nur 10.800 aktive Fluglotsen, während laut FAA 14.600 benötigt werden, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
„Wir schlagen seit Jahren Alarm“, so Daniels gegenüber CNN. „Wir brauchen dringend mehr Fluglotsen. Die aktuelle Belastung ist nicht nachhaltig.“
Bereits jetzt arbeiten 41 % der Fluglotsen sechs Tage die Woche, jeweils zehn Stunden am Tag, um den Mangel zu kompensieren – eine Belastung, die langfristig zu noch mehr Abgängen führt.
Fatales Flugunglück lenkt Aufmerksamkeit auf den Notstand
Der Zusammenstoß eines American Airlines-Flugzeugs mit einem US-Armee-Helikopter am Ronald Reagan Washington National Airport hat die Debatte um den Fluglotsenmangel neu entfacht.
Die Untersuchung läuft noch, doch CNN konnte bestätigen, dass ein einzelner Fluglotse zwei Positionen gleichzeitig besetzte, was auf eine massive Personalnot hinweist. Obwohl es keine direkten Vorwürfe gegen den Lotsen gibt, zeigt der Vorfall, wie dünn die Personaldecke in der Flugsicherung mittlerweile ist.
Trump gibt „Diversity-Programme“ die Schuld – Experten widersprechen
Trotz fehlender Beweise machte Präsident Donald Trump umgehend die Diversity-, Equity- und Inclusion-Programme (DEI) der vorherigen Regierungen für den Unfall verantwortlich.
„Ich setze auf Sicherheit. Obama, Biden und die Demokraten setzten auf Politik.“
Gleich an seinem ersten Amtstag schaffte Trump per Dekret alle DEI-Programme in der Bundesregierung ab und behauptete, dass diese die Einstellungsstandards gesenkt hätten.
Doch Luftfahrt-Experten widersprechen:
- Die Auswahlkriterien für Fluglotsen blieben unter Trump, Biden und Obama gleich hoch.
- Jeder Bewerber muss strenge Tests, medizinische und psychologische Untersuchungen sowie jahrelange Schulungen durchlaufen.
- Die FAA hat nie ihre Standards gesenkt – unabhängig von der politischen Führung.
„Jeder Bewerber muss dieselben Anforderungen erfüllen – egal welche Herkunft oder welches Geschlecht“, betont NATCA-Präsident Daniels.
Die FAA äußerte sich bislang nicht zur Abschaffung der DEI-Programme durch die Trump-Administration.
Mangel wirkt sich auch auf den Flugverkehr aus
Auch wenn der Lotsenmangel nicht direkt für den jüngsten Flugzeugabsturz verantwortlich gemacht wird, beeinträchtigt er zunehmend den Luftverkehr:
- Die FAA musste die Anzahl der Flüge nach New York und Washington begrenzen, weil nicht genug Lotsen verfügbar sind.
- Flugverspätungen und -streichungen nehmen zu.
- Fluglotsen sind chronisch überarbeitet, was langfristig das Sicherheitsniveau gefährden könnte.
„Sechs-Tage-Wochen sind nicht nachhaltig“, warnt Michael McCormick, Leiter des Luftverkehrsprogramms der Embry-Riddle Aeronautical University.
Trump will Regierungskosten senken – und bietet Fluglotsen Abfindungen an
Trotz des Notstands erhielten auch Fluglotsen letzte Woche ein Angebot, bis September bezahlt zu werden, wenn sie freiwillig kündigen.
Diese Maßnahme ist Teil von Trumps Plänen, die Bundesregierung zu verschlanken. Ob sicherheitskritische Positionen wie Fluglotsen ausgenommen sind, bleibt unklar.
Trumps Verkehrsminister Sean Duffy erklärte gegenüber CNN:
„Sicherheitsrelevante Positionen werden nicht gestrichen.“
Doch die Gewerkschaft NATCA erhielt bisher keine offizielle Bestätigung, dass die Kündigungsangebote für Fluglotsen zurückgezogen wurden.
„Wir dachten zuerst, die E-Mail sei Spam“, so Daniels.
Fluglotsen geben wegen Stress und Arbeitsbelastung auf
Selbst ohne freiwillige Abfindungen verlassen viele Lotsen den Job vorzeitig. Die FAA schreibt den Ruhestand mit 56 Jahren vor, doch viele steigen bereits mit 50 aus, sobald sie nach 20 bis 25 Jahren Anspruch auf Pension haben.
Hauptgründe für die vorzeitigen Abgänge:
- Extreme Arbeitsbelastung durch Personalmangel
- Sechs-Tage-Wochen mit Schichten von zehn Stunden oder mehr
- Psychischer und gesundheitlicher Stress
Fluglotsen berichten anonym über drastische Situationen:
„Wir hatten bereits Herzinfarkte, Panikattacken und Depressionen unter Kollegen. Manche sind einfach aus Verzweiflung gegangen.“
Fluglotsen trauen sich nicht, über psychische Gesundheit zu sprechen
Das Problem wird durch die FAA-Regeln zur psychischen Gesundheit verstärkt. Fluglotsen, die wegen Depressionen oder Angststörungen behandelt werden, riskieren den Verlust ihrer Lizenz.
- Antidepressiva wie Prozac oder Zoloft sind für Fluglotsen verboten.
- Wer Medikamente nimmt, muss eine spezielle Genehmigung beantragen – die bis zu ein Jahr dauern kann.
„Wir sind Menschen wie alle anderen – mit Stress, familiären Problemen und Trauerfällen. Doch wenn wir Hilfe suchen, können wir unseren Job verlieren.“
Daniels fordert, dass die FAA realistischere Regeln für psychische Gesundheit einführt, um betroffenen Fluglotsen schnelle Unterstützung zu ermöglichen.
Doch Trump äußerte sich kritisch:
„Man kann keine Fluglotsen mit psychischen Problemen einstellen. Die Demokraten wollen Leute mit schweren geistigen Behinderungen in die Flugsicherung bringen.“
Diese Behauptung ist falsch. Experten wie Michael McCormick betonen, dass das FAA-Auswahlverfahren nach wie vor eines der strengsten im gesamten Regierungsapparat ist.
Fazit: Eine Krise, die gelöst werden muss
Der Fluglotsenmangel in den USA ist ein langfristiges Problem, das dringend angegangen werden muss. Trotz gestiegener Einstellungen reicht der Nachwuchs nicht aus, um den Aderlass an erfahrenen Lotsen zu kompensieren.
Lösungsansätze könnten sein:
Erhöhung der Einstellungsquoten bei gleichbleibenden Standards
Verbesserte Arbeitsbedingungen, um frühzeitige Abgänge zu vermeiden
Flexiblere Regeln zur psychischen Gesundheit, um betroffenen Lotsen Unterstützung zu bieten
Solange keine Maßnahmen ergriffen werden, bleibt der US-Luftraum unterbesetzt und überlastet – mit potenziell gefährlichen Folgen für den Flugverkehr.
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