Die westlichen Sanktionen treffen Russland an einem wenig beachteten, aber empfindlichen Punkt: Mehr als die Hälfte aller Flugzeuge sind in ausländischem Besitz – der so wichtige Inlandsflugverkehr steht vor dem Zusammenbruch.
Daher hat der Kreml per Gesetz nun angekündigt, alle Flugzeuge zu verstaatlichen. Für die westlichen Leasingpartner ist es ein Schock. Aber auch für Russland ist das bestenfalls eine kurzfristige Lösung – mit vielen Risiken.
Für Leasinganbieter von Flugzeugen sind es aktuell auf der ganzen Welt turbulente Zeiten. Die europäischen Sanktionen im russischen Luftfahrtsektor zwingen sie einerseits dazu, alle Leasingverträge mit Russland bis spätestens zum 28. März aufzulösen. Andererseits müssen sie damit umgehen, dass mehr als 500 vermietete Flugzeuge im Wert von mehr als zehn Milliarden US-Dollar (9,1 Mrd. Euro) in Russland feststecken – und dort aller Voraussicht nach auch bleiben werden.
„Die russische Regierung spielt ein Spiel, das ich ‚Grand Theft Aero‘ nenne“, so der Leiter der Vermögensfinanzierung bei Withers, Paul Jebely, gegenüber der „Financial Times“. Anstatt sich von Hunderten geleaster Flugzeuge zu verabschieden, hat Russlands Präsident Wladimir Putin ein neues Gesetz auf die Beine gestellt, das es russischen Fluggesellschaften erlaubt, die ausländischen Maschinen als ihr Eigentum einzutragen und mit russischen Lizenzen zu versehen.
Mehr als 200 Flugzeuge bereits verstaatlicht
„Gelegentlich gibt es Alpträume, aber die Vorstellung, dass ein ganzer Luftverkehrsmarkt vom Netz genommen wird und internationale Gesetze missachtet, ist neu“, sagte Richard Aboulafia, Geschäftsführer der Luftfahrtberatungsfirma AeroDynamic Advisory, laut der Nachrichtenagentur CNBC.
Nach Angaben des russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin ist das inzwischen bei mehr als der Hälfte der 515 geleasten Maschinen geschehen. Damit sind sie dem Zugriff der Leasinggesellschaften entzogen, die in der Regel aber gegen ein solches Risiko versichert sind.
Juristische Auseinandersetzungen erwartet
Die Frage, wer genau für die zu erwartenden Schäden aufkommt, dürfte allerdings noch für juristische Auseinandersetzungen sorgen. Entscheidend wird dabei sein, was als Auslöser für einen Anspruch akzeptiert wird. Das neue russische Gesetz könnte Leasingfirmen in dem Rechtsstreit um Ansprüche zugutekommen, da es zeige, dass Russland die Flugzeuge tatsächlich beschlagnahmen wolle, so die „Financial Times“.
Allerdings hätten einige Versicherer versucht, die Deckung zurückzuziehen, noch bevor das russische Gesetz in Kraft trat, schreibt die Ratingagentur Moody’s. Auch ein in Dublin ansässiger Experte für Luftfahrtfinanzierung berichtet, dass einige Leasinganbieter bereits Stornierungen von Kriegsrisikopolicen im Zusammenhang mit der Deckung von Flugzeugen erhalten hätten.
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