Im Strafverfahren gegen den ehemaligen Bürgermeister einer nordhessischen Kleinstadt wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung von drei in einem im Gemeindegebiet befindlichen Teich ertrunkenen Kinder hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) heute den Angeklagten freigesprochen. Es konnte nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Angeklagte für das Unglück strafrechtlich verantwortlich ist. Die bauliche Veränderung am Westufer, die einen Ausstieg erheblich erschwerten, haben zwar dazu geführt, dass Sicherungsmaßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Es kann aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen den Tod der Kinder verhindert hätten.
Der Angeklagte war der Bürgermeister einer nordhessischen Kleinstadt. Auf dem Gemeindegebiet befindet sich seit ca. 200 Jahren ein Teich. In diesem Teich ertranken im Jahr 2016 während seiner Amtszeit drei 5, 8 und 9-jährige Kinder. Der Teich wurde seit Generationen zum Baden verwendet. An der Westseite war der Teich unter Aufsicht der Gemeinde durch Freiwillige mit Pflastersteinen baulich verändert worden. Die Einfassung des Teichs mit Pflastersteinen im Winkel von 45 Grad bis zu einer mannshohen Wassertiefe führte dazu, dass es selbst für Erwachsene schwierig war, wenn man in den Teich gefallen war, ihn auf dieser Teichseite wieder zu verlassen. Man rutschte unter Wasser ab und konnte sich nirgendwo festhalten. An dieser Teichseite führt kein Weg vorbei, der Teich lag jedoch im weiteren Bereich von Dorf- und Freizeitanlagen. Außer dem Schild „Betreten auf eigene Gefahr“ gab es keine Schilder am Teich.
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20.2.2020 wegen fahrlässiger Tötung in drei tateinheitlichen Fällen für schuldig gesprochen und ihn verwarnt. Eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 € blieb vorbehalten. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin hatte das Landgericht Marburg mit Urteil vom 23.2.2023 den Schuldspruch bestätigt und ihn zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 80,00 € verurteilt. Die Berufung des Angeklagten wurde als unbegründet verworfen.
Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten führte zur Aufhebung des Urteils. Der Senat sprach den Angeklagten frei. Der Angeklagte habe zwar gegen eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Die während der Amtszeit erfolgten baulichen Veränderungen am Westufer hätten den Ausstieg aus dem Teich erheblich erschwert. Es seien deshalb jedenfalls mit Piktogrammen vor der Lebensgefahr warnende Schilder geboten gewesen. Nicht geboten gewesen sei aber die Installation eines übermannshohen Zauns, eines für Kinder nicht übersteigbaren Sicherheitszauns oder das Ablassen des Wassers. Ob ein niedrigerer Zaun geboten gewesen sei, könne offenbleiben. Jedenfalls sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass die gebotenen Schilder und ein niedrigerer Zaun den Tod der Kinder verhindert hätten. Dieser hohe Maßstab werde aber vom BGH in Strafsachen zugrunde gelegt. Allein eine Verminderung der Gefahren bzw. eine Risikominimierung begründe nicht den Vorwurf der fahrlässigen Tötung.
Da keine ergänzenden Feststellungen zur Kausalität durch das Landgericht möglich erscheinen, sei das Verfahren auch nicht an das Landgericht zurückzuverweisen, sondern der Angeklagte unmittelbar freizusprechen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.11.2023, Az. 3 ORs 23/23
(vorausgehend Landgericht Marburg, Urteil vom 23.2.2023, Az. 8 Ns – 4 Js 12490/16; vorausgehend Amtsgericht Schwalmstadt, Urteil vom 20.2.2020, Az. 34 Ds – 2 Js 12490/16)
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