Frontex, die EU-Grenzschutzagentur, wagt sich in neue Gewässer: Erstmalig übernehmen ihre Beamten die sogenannten Erstkontrollen (first line checks) jenseits der Grenzen der Europäischen Union.
Diese Entwicklung markiert einen bedeutsamen Schritt in der Kooperation mit Staaten in der Nachbarschaft der EU, erklärt Frontex-Sprecher Piotr Świtalski: „Momentan ist Frontex in Moldawien, Albanien, Montenegro, Serbien und Nordmazedonien aktiv. Diese Einsätze basieren auf speziellen Abkommen mit diesen Ländern. Beispielsweise stehen 93 Frontex-Beamte Moldawien mit Technik, Patrouillenfahrzeugen und bei Grenzkontrollen zur Seite.“ Moldawien, eingeklemmt zwischen der Ukraine und Rumänien, ist ein neuralgischer Punkt für kriminelle Netzwerke. Diese nutzen das Durcheinander des Krieges im Osten und die verführerischen Märkte der EU im Westen.
Die moldawische Regierung hat allerdings nicht die Ressourcen, um den Grenzschutz aus eigenen Kräften zu stärken. Hier kommt die EU ins Spiel, wie Innenkommissarin Ylva Johansson betont: „Die Zusammenarbeit zwischen Frontex und den moldawischen Grenzbehörden ist bereits intensiv. Moldawien ist zwar noch kein EU-Mitglied, aber ein Schlüsselakteur beim Schutz der EU-Grenzen, insbesondere im Kampf gegen den Drogen- und Waffenschmuggel. Das ist jetzt wichtig und wird nach dem Krieg noch wichtiger werden.“
Nach dem Krieg könnte ein Anstieg des illegalen Waffenhandels folgen, vermutet Frontex-Vizechef Lars Gerdes. Bereits jetzt ist durch den Ukraine-Konflikt der Zugang zu Waffen und Sprengstoff fast ungebremst, was potenziell den kriminellen Märkten zugutekommen könnte. „Die Erfahrungen aus den Balkankriegen zeigen uns, dass Waffen, die aus diesen Konflikten stammen, auch heute noch gefunden werden. In der Ukraine stehen wir jetzt moderneren Waffen und größeren Mengen gegenüber. Dieses Kriminalitätsphänomen wird uns noch Jahrzehnte lang beschäftigen, und diese geschmuggelten Waffen könnten genutzt werden, um kriminelle Netzwerke in Europa zu bewaffnen, bis hin zur Ausstattung von Terroristen“, erläutert Gerdes.
Die EU muss ihre Nachbarländer unterstützen, um sie auf das vorzubereiten, was möglicherweise auf sie zukommt, meint auch die EU-Abgeordnete Lena Dupont. Die innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament sieht die Kooperationsabkommen als unerlässlich für die innere Sicherheit. Dupont ergänzt: „Diese Abkommen haben jedoch einen weiteren wichtigen Aspekt, der am Beispiel Moldawiens deutlich wird. Sie sind auch eine Form der Zusammenarbeit und ein politisches Zeichen an die Länder, die sich im Beitrittsprozess befinden.“
Moldawien könnte dabei als Vorreiter gesehen werden, nicht nur hinsichtlich der Zusammenarbeit im Grenzmanagement oder der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter. Sollte die EU-Kommission in ihrem nächsten Bericht über die Fortschritte potenzieller neuer Mitglieder den Beginn von Beitrittsverhandlungen für Moldawien empfehlen, wäre das kaum eine Überraschung.
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