Auch wir werden manchmal von Reaktionen überrascht in der Redaktion. Ja, ganz klar das war hier in Sachen Gallus Immobilien eG so, denn dass sich trotz Ferien so viele Betroffene bei uns melden würden, damit haben wir nicht gerechnet. Möglicherweise haben wir aber mit unserer Berichterstattung nur den letzten Tropfen in das Fass gefüllt, das nun überläuft, um das einmal bildlich zu formulieren. Natürlich bekommen wir mit jedem neuen Gespräch dann auch neue Informationen, die wir dann jetzt zunächst einmal sammeln, analysieren und bewerten wollen. Was wir aber bereits jetzt sagen können ist, hier fehlt es ganz klar an Transparenz, denn keiner unserer vielen Gesprächspartner wusste, in welche Projekte das Geld der Genossen konkret investiert wurde, und welchen wirtschaftlichen und personellen Hintergrund diese Gesellschaften hatten. Gab es bei den Schweizer Investments möglicherweise dann auch Personen, die man den Münchner Gesellschaften zuordnen kann? Sicherlich eine klärungsbedürftige Frage.
Was uns aber mehrfach berichtet wurde ist, dass Genossen ihre Anteile an der Genossenschaft Gallus Immobilien eG in Nachrangdarlehen umgetauscht haben. Ganz ehrlich, da muss man den betroffenen Personen dann auch mal sagen „geht’s noch?“, wisst ihr nicht, was ein Nachrangdarlehen ist? Ein Nachrangdarlehen ist das unsicherste Investmentvehikel, das es überhaupt gibt für einen Anleger.
Wir haben zu diesem Thema einmal ein Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev aus Dresden geführt.
Interviewer: Frau Rechtsanwältin Bontschev, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Heute möchten wir über Nachrangdarlehen aus Anlegersicht sprechen. Können Sie uns zunächst erklären, was genau ein Nachrangdarlehen ist?
Rechtsanwältin Bontschev: Gerne. Ein Nachrangdarlehen ist eine Form der Finanzierung, bei der der Darlehensgeber im Falle einer Insolvenz des Darlehensnehmers erst nach allen anderen Gläubigern bedient wird. Das bedeutet, dass der Anleger ein erhebliches Risiko eingeht.
Interviewer: Sie erwähnen das Risiko. Wie würden Sie die Sicherheit von Nachrangdarlehen im Vergleich zu anderen Anlageformen einschätzen?
Rechtsanwältin Bontschev: Ich möchte hier ganz deutlich werden: Nachrangdarlehen sind die unsicherste Form eines Investments, die es für einen Anleger überhaupt gibt. Sie sind immer mit einem Totalverlustrisiko verbunden. Das heißt, im schlimmsten Fall verliert der Anleger sein gesamtes investiertes Kapital.
Interviewer: Das klingt alarmierend. Warum sollte ein Anleger überhaupt ein solches Risiko eingehen?
Rechtsanwältin Bontschev: Oft werden Nachrangdarlehen mit hohen Renditeversprechen beworben. In Zeiten niedriger Zinsen kann das verlockend erscheinen. Aber ich rate dringend davon ab, sich von solchen Versprechungen blenden zu lassen. Das Risiko steht in keinem Verhältnis zum möglichen Gewinn.
Interviewer: Gibt es rechtliche Schutzmechanismen für Anleger bei Nachrangdarlehen?
Rechtsanwältin Bontschev: Leider sind die rechtlichen Schutzmechanismen sehr begrenzt. Durch die Nachrangigkeit verzichtet der Anleger faktisch auf viele Schutzrechte. Im Insolvenzfall stehen Nachrangdarlehensgeber ganz am Ende der Schlange und gehen oft leer aus.
Interviewer: Was raten Sie Anlegern, die dennoch über ein Nachrangdarlehen nachdenken?
Rechtsanwältin Bontschev: Mein dringender Rat ist: Finger weg von Nachrangdarlehen! Das Risiko ist einfach zu hoch. Wenn jemand trotzdem investieren möchte, sollte er unbedingt professionelle Beratung in Anspruch nehmen und sich über alle Risiken im Klaren sein. Wichtig ist auch, nur Geld zu investieren, dessen Verlust man verschmerzen kann.
Interviewer: Zum Schluss noch eine Frage: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass manche Anleger ihre Genossenschaftsanteile in Nachrangdarlehen umtauschen?
Rechtsanwältin Bontschev: Das ist aus meiner Sicht höchst bedenklich. Genossenschaftsanteile bieten in der Regel mehr Schutz und Mitspracherechte als Nachrangdarlehen. Ein solcher Umtausch bedeutet faktisch, dass der Anleger freiwillig auf Sicherheiten verzichtet. Ich kann nur dringend davon abraten.
Interviewer: Frau Bontschev, vielen Dank für diese klaren Worte und Ihre Einschätzung zu diesem wichtigen Thema.
Wir können jedem Betroffenen nur den Rat geben, das Nachrangdarlehen schnellstmöglich zu kündigen, wenn man Sie nicht über das Totalverlustrisiko aufmerksam gemacht hat und nicht erläutert hat, dass sie rechtlich gesehen mit den Genossenschaftsanteilen besser dastehen würden.
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