Eine Klage auf Schadensersatz hatte teilweise Erfolg. Der Halter eines Hundes haftet auch für Schäden, die eine Person beim Ausführen des Tieres aus bloßer Gefälligkeit erleidet. Im konkreten Fall kam jedoch ein hälftiges Mitverschulden zum Tragen.
Seit vielen Jahren führte die Klägerin den Hund ihres Nachbarn spazieren, ein sehr ruhiges und liebes Tier. Der Klägerin machte das Freude und der im Schichtdienst arbeitende Nachbar wurde hierdurch entlastet.
Eines Abends sah der Hund in der Dämmerung eine Katze und wollte ihr nachlaufen. Die Klägerin war davon so überrascht, dass sie die Leine nicht rechtzeitig loslassen konnte und stürzte mit der Schulter auf eine Bordsteinkante. Sie verletzte sich dabei so schwer, dass sie operiert werden musste und trotz Physiotherapie nun dauerhaft in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert ist.
Von ihrem Nachbarn verlangte die Klägerin Schadensersatz, hauptsächlich Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden, weil sie nach der Operation ihren Haushalt nicht wie gewohnt selbst führen konnte.
Das Landgericht Coburg gab der Klägerin teilweise Recht. Der beklagte Nachbar haftet als Halter des Hundes für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden. Hierbei bestand kein Zweifel, dass die Verletzungen der Klägerin durch ein Verhalten des Hundes verursacht wurden. Mit dem zum Sturz führenden unerwarteten Losrennen des Hundes auf der Jagd nach einer Katze hat sich gerade die aus der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens resultierende Gefahr realisiert.
Das Gericht kam weiter zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht etwa durch das freiwillige Ausführen des Hundes auf eine Haftung des Tierhalters verzichtet hatte. Ein solches Handeln auf eigene Gefahr kommt zwar beispielsweise dann in Betracht, wenn jemand die Ausbildung eines „scharfen“ Hundes übernimmt. Eine solche besondere Gefahrgeneigtheit des ansonsten sehr ruhigen und lieben Hundes lag hier jedoch gerade nicht vor.
Die Tierhalterhaftung des Nachbarn war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin dessen Hund aus bloßer Gefälligkeit spazieren führte. Es ist zwar davon auszugehen, dass hierdurch keine der Parteien eine rechtliche Verpflichtung eingehen wollten. Die Klägerin führte den Hund spazieren, weil es ihr Freude machte und der Beklagte wurde bei seiner Schichtarbeit entlastet. Allerdings werden deshalb Ansprüche im Rahmen der Tierhalterhaftung nicht ausgeschlossen.
Schließlich lehnte das Gericht auch die Voraussetzungen der Regelung zur Haftung eines Tieraufsehers ab, die zu einer für die Klägerin nachteiligen Beweislastverteilung geführt hätten. Voraussetzung dafür wäre, dass jemand durch Vertrag die Obhut über ein Tier übernommen hat. Das hier vorliegende Gefälligkeitsverhältnis der Parteien reicht dafür aber gerade nicht aus.
Allerdings kam das Gericht auch zu dem Ergebnis, dass die Klägerin beim Ausführen des Hundes nicht die nötige Konzentration und Sorgfalt gezeigt hat. Gerade weil das Verhalten eines Tieres nie völlig vorhersehbar ist, musste die Klägerin nach der Entscheidung des Landgerichts beim Spazierengehen in der Dämmerung damit rechnen, dass der Hund seinem Jagdtrieb folgend einfach losrennt. Die Klägerin hätte dann entweder die Leine im sicheren Stand fester halten oder rechtzeitig loslassen müssen, um einen Sturz zu vermeiden. Deshalb ist der Klägerin ein Mitverschulden von 50 % anzulasten mit der Folge, dass der beklagte Tierhalter den Schaden der Klägerin nur zur Hälfte ersetzen muss.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 08.09.2020, Aktenzeichen: 22 O 718/19, rechtskräftig)
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