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Gespräch mit Rechtsanwalt Jens Reime und Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zur Situation bei Genussrechten – Risiken, Totalverluste und warum diese Finanzierungsform für Kleinanleger ungeeignet ist

geralt (CC0), Pixabay
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Im Rahmen der aktuellen Situation rund um die Deutsche Grundbesitz Holding AG (DEGAG) haben wir mit den erfahrenen Rechtsanwälten Jens Reime und Kerstin Bontschev über die Risiken von Genussrechten gesprochen. Beide Experten beleuchten die Frage, ob Anleger in einem solchen Fall mit einem Totalverlust rechnen müssen und warum Genussrechte insbesondere für Kleinanleger aus ihrer Sicht problematisch sind.

Genussrechte: Struktur und Risiken

Rechtsanwalt Jens Reime erläutert zunächst die besondere Struktur von Genussrechten. Es handelt sich hierbei um sogenannte Nachrangforderungen, was bedeutet: Im Fall wirtschaftlicher Schwierigkeiten hat das Unternehmen das Recht, Zahlungen an Anleger vorübergehend einzustellen. Dieser Mechanismus dient dem Schutz der Unternehmensliquidität und soll verhindern, dass Zahlungen an die Anleger die Existenz des Unternehmens gefährden.

Genau dieser Fall scheint aktuell bei der DEGAG eingetreten zu sein. Rechtsanwalt Reime macht deutlich: „Wenn ein Unternehmen durch die Auszahlung der Genussrechte in seiner Existenz gefährdet würde, greift der Nachrangmechanismus – und zwar vollkommen legal und vertragskonform. Anleger haben in dieser Situation kaum Möglichkeiten, eine Auszahlung rechtlich zu erzwingen.“

Warum Genussrechte für Kleinanleger ungeeignet sind

Rechtsanwältin Kerstin Bontschev ergänzt, dass Genussrechte schon aufgrund ihrer Konstruktion ein besonders hohes Risiko bergen. Sie erklärt: „Viele Anleger unterschätzen die Risiken von Genussrechten, weil sie diese oft mit festverzinslichen Wertpapieren oder anderen vermeintlich sicheren Anlagen vergleichen. Tatsächlich handelt es sich bei Genussrechten um eine hochriskante Finanzierungsform, die im Extremfall zu einem Totalverlust führen kann.“

Aus Sicht beider Experten sind Genussrechte deshalb für Kleinanleger grundsätzlich nicht geeignet. Kleinanleger, die auf Sicherheit bedacht sind oder ihre Altersvorsorge sichern möchten, tragen mit Genussrechten ein unkalkulierbares Risiko. Die Probleme entstehen häufig dadurch, dass Anleger die Vertragsbedingungen und vor allem die Nachrangigkeit dieser Finanzinstrumente nicht vollständig verstehen oder missinterpretieren.

Rechtsanwalt Reime warnt: „Genussrechte sind kein Produkt für sicherheitsorientierte Anleger. Wer Genussrechte erwirbt, muss damit rechnen, dass im Krisenfall das investierte Kapital verloren ist. Ein Totalverlust ist keineswegs ein unwahrscheinliches Szenario, sondern Teil der vertraglichen Realität solcher Finanzinstrumente.“

Die aktuelle Situation bei der DEGAG

Anhand der DEGAG-Situation zeigt sich besonders deutlich, welche Konsequenzen die Nachrangigkeit von Genussrechten in der Praxis haben kann. Das Unternehmen scheint aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Lage gezwungen zu sein, die Zahlungen an die Genussrechtsinhaber vorläufig einzustellen, um die Unternehmensfortführung zu sichern.

Die Rechtsanwälte machen deutlich, dass dies nicht als Fehlverhalten des Unternehmens zu werten ist, sondern vielmehr eine direkte Folge der Eigenart von Genussrechten. Die Verträge sehen diesen Schritt ausdrücklich vor, um das Unternehmen vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren. Anleger müssen sich daher bewusst sein, dass sie im Fall wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens keinen vorrangigen Anspruch auf Rückzahlungen oder Zinsen haben.

Handlungsmöglichkeiten für betroffene Anleger

Abschließend diskutierten die Experten mögliche Schritte, die Anleger in einer solchen Situation unternehmen können. Beide Rechtsanwälte sind sich einig, dass in solchen Fällen der Gang zu einem Rechtsanwalt zwar verständlich ist, aber nur dann sinnvoll, wenn konkrete Versäumnisse im Beratungsprozess nachgewiesen werden können.

Rechtsanwältin Bontschev erklärt: „In vielen Fällen werden Vertriebspartner oder Berater in die Verantwortung gezogen. Um hier Ansprüche geltend zu machen, muss jedoch jeder einzelne Beratungsprozess genau geprüft werden. Die Frage ist, ob der Anleger über die Risiken der Genussrechte – insbesondere den möglichen Totalverlust und die Nachrangigkeit – ausreichend und transparent informiert wurde.“

Der Fokus sollte aus Sicht der Rechtsanwälte im Moment jedoch darauf liegen, mit der Geschäftsführung des Unternehmens in einen konstruktiven Dialog zu treten. Ziel müsse es sein, die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten besser zu verstehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um das investierte Kapital der Anleger bestmöglich zu sichern.

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte

  1. Genussrechte sind Nachrangforderungen. Unternehmen dürfen Zahlungen einstellen, wenn sie dadurch in ihrer Existenz gefährdet würden.
  2. Die aktuelle Situation bei der DEGAG deutet darauf hin, dass dieser Mechanismus greift. Anleger müssen mit einem Totalverlust rechnen.
  3. Genussrechte sind aus Sicht der Rechtsanwälte Jens Reime und Kerstin Bontschev nicht für Kleinanleger geeignet, da sie ein hohes Verlustrisiko bergen.
  4. Eine rechtliche Prüfung macht vor allem dann Sinn, wenn Beratungsversäumnisse vorliegen.
  5. Vorrangiges Ziel sollte ein Dialog mit der Geschäftsführung sein, um realistische Lösungen zur Rettung des Kapitals zu erarbeiten.

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