Während die Weltwirtschaft langsam versucht, sich von den Nachwirkungen der Pandemie und den geopolitischen Spannungen zu erholen, bringt ein erneuter protektionistischer Vorstoß aus den USA die globalen Lieferketten erneut ins Wanken. US-Präsident Donald Trump hat eine Reihe von drastischen Importzöllen angekündigt – und diesmal trifft es nicht nur China, sondern vor allem die Länder, die in den letzten Jahren als Alternativen zur „Werkbank China“ galten.
Diversifizierung mit Bumerang-Effekt
Zahlreiche Unternehmen weltweit, vor allem aus Europa, Japan und den USA, haben ihre Produktion in den letzten Jahren gezielt aus China abgezogen – sei es aus Kostengründen oder um sich geopolitisch breiter aufzustellen. Große Hoffnungen lagen dabei auf Ländern wie Kambodscha, Vietnam, Laos, Myanmar oder Sri Lanka. Sie galten als neue Hoffnungsträger der Textil-, Schuh- und Elektronikindustrie.
Doch mit dem jüngsten Schritt der US-Regierung könnte genau diese Strategie rückwirkend zerstört werden. Trump kündigte am 3. April 2025 völlig überraschend Importzölle von bis zu 49 % auf Waren aus Kambodscha, Vietnam und anderen Ländern an. Für Kambodscha ist es der höchste Zollsatz in ganz Asien.
„Wenn der 49 %-Zoll bleibt, ziehen wir unser Investment aus Kambodscha zurück“, sagt der taiwanesische Unternehmer Tim Hsu, der seit über 40 Jahren im Lampen-Geschäft tätig ist.
Wer leidet zuerst?
Besonders hart trifft es die Textilbranche, die in Ländern wie Kambodscha Millionen Arbeitsplätze sichert – zumeist für Frauen mit einem Monatslohn von rund 200 USD. Rund 43 % der Exporte Kambodschas bestehen aus Kleidung und Schuhen, etwa ein Drittel aller Ausfuhren gehen in die USA. Die Abhängigkeit ist enorm – und die Gefahr entsprechend groß.
„Es wäre tragisch, wenn Hunderttausende junge Frauen plötzlich ohne Einkommen dastehen“, warnt Casey Barnett, Präsident einer Wirtschaftshochschule in Phnom Penh.
Auch Vietnam, das als Aufsteiger der letzten Dekade gefeiert wurde, ist betroffen. Mit fast 30 % Exportanteil in die USA ist das Land ähnlich exponiert. Trump zielt damit auf Länder ab, die chinesische Produktion aufgenommen haben – als eine Art indirekte China-Bestrafung.
Was steckt hinter Trumps Strategie?
Laut Wirtschaftsexperten richtet sich der Angriff gar nicht direkt gegen die kleinen Länder – sondern gegen China. Denn viele chinesische Firmen haben ihre Produktion in Nachbarländer ausgelagert, um US-Zölle zu umgehen. Diese sogenannte „China-Plus-One“-Strategie war bislang erfolgreich – bis jetzt.
„Die Zölle sind ein Hebel, um Länder wie Kambodscha oder Vietnam unter Druck zu setzen, chinesische Investitionen zu begrenzen“, erklärt Edwin Lai von der Universität Hongkong.
Doch diese Zwangsmaßnahme dürfte kaum Wirkung zeigen, warnt der Ökonom. Stattdessen riskiert die US-Regierung eine globale Isolierung, während sich China geschickt als Verfechter des freien Handels positioniert.
Wirtschaftliche Folgen – lokal und global
Die neuen Zölle treffen nicht nur die Produzenten vor Ort, sondern auch internationale Marken wie Nike, Adidas oder H&M, die ihre Lieferketten in die Region verlagert hatten. Plötzliche Preissteigerungen oder Produktionsverzögerungen sind die logische Folge – und das wird auch westliche Verbraucher zu spüren bekommen.
Für die betroffenen Länder selbst ist der Schaden noch größer:
-
Wirtschaftswachstum bremst
-
Arbeitslosigkeit steigt
-
Soziale Unsicherheit wächst
Und das in Ländern, die gerade erst begonnen haben, sich aus Armut und instabilen politischen Verhältnissen zu befreien.
Fazit: Protektionismus als Risiko für den globalen Süden
Trump verfolgt eine klare „America First“-Politik, die auf den ersten Blick innenpolitisch erfolgreich erscheinen mag. Doch die Realität ist komplexer: Die Verlagerung von Niedriglohn-Industrien in die USA ist wirtschaftlich nicht realistisch, wie Experten betonen.
„Es ist schlicht unmöglich, T-Shirts oder Sportschuhe in den USA konkurrenzfähig zu produzieren“, sagt Barnett.
Statt Produktion nach Hause zu holen, treibt diese Politik Schwellenländer in die Krise, die gerade erst Teil des globalen Handels geworden sind. Eine geopolitische Kurzschlussreaktion – mit Langzeitfolgen für ganze Regionen.
Schlussgedanke für Leser*innen in Deutschland:
Die Krise zeigt, wie vernetzt und verletzlich unsere globalisierten Wertschöpfungsketten sind. Wer glaubt, Handelskonflikte beträfen nur Großmächte, täuscht sich: Sie treffen die Schwächsten zuerst – und indirekt auch uns.
Denn eine destabilisierte Region in Asien bedeutet nicht nur verlorene Lieferketten, sondern auch mehr Armut, Migration und politische Unsicherheit – mit Auswirkungen bis nach Europa.
Kommentar hinterlassen