Hanseatisches Oberlandesgericht
Az.: 13 Kap 8/19
Beschluss
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In der Sache
Dietmar Hahn, Schillerstraße 11b, 51503 Rösrath
– Musterkläger – |
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte activeLAW, Hans-Böckler-Allee 26, 30173 Hannover, Gz.: PR 2755/18-1
gegen
1) |
HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter d. HCI Vertriebsverwaltung GmbH, d. vertr. durch ihre Geschäftsführerin Christine Beckmann, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg
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2) |
HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter d. Verwaltungs HCI Treuhand GmbH, d. vertreten durch den Geschäftsführer Kai Dührkop, Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen
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3) |
HCI Treuhand SERVICE GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin d. Verwaltungs HCI Treuhand Service GmbH, d. vertreten durch die Geschäftsführer Kai Dührkop und Frauke Schünemann, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg
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4) |
Ernst Russ AG, vertreten durch d. Vorstand, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
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5) |
Verwaltung MS „Vogerunner“, vertreten durch d. Geschäftsführer Jens-Michael Arndt und Markus Lange, Hallerstraße 40, 20146 Hamburg
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6) |
Lloyd Handysize Bulker Verwaltungs GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Jens-Michael Arndt, Hallerstraße 40, 20146 Hamburg
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Prozessbevollmächtigte zu 1 – 5:
Rechtsanwälte Graf von Westphalen, Ulmenstraße 23 – 25, 60325 Frankfurt, Gz.: 2675/2018
Prozessbevollmächtigte zu 6:
Rechtsanwälte Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek, Neuer Wall 63, 20354 Hamburg, Gz.: FM/cb 21833-16
Nebenintervenient zu 1:
Thomas Rother, Hirtenberg 30, 01844 Neustadt
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hartmann, Taucherstraße 22, 02625 Bautzen, Gz.: 139/18 H06
Nebenintervenient zu 2:
Thomas Rother, Hirtenberg 30, 01844 Neustadt, Gz.: 139/18 H06
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hartmann, Taucherstraße 22, 02625 Bautzen, Gz.: 139/18 H06
Nebenintervenient zu 4:
Thomas Rother, Hirtenberg 30, 01844 Neustadt, Gz.: 139/18
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hartmann, Taucherstraße 22, 02625 Bautzen, Gz.: 139/18
Nebenintervenientin zu 1, 2 und 4:
BIT Treuhand AG, Schillerstraße 12, 56567 Neuwied
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Heberlein, Mack-Pfeiffer & Kollegen, Elisabethstraße 11, 80796 München, Gz.: 11050/18
Nebenintervenientin zu 1 – 4:
FINAKOM AG, Leubnitzer Straße 30, 01069 Dresden
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Lutz Harbig, Hauptstraße 304, 04416 Markkleeberg, Gz.: 82/18
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Lutz Harbig, Hauptstraße 304, 04416 Markkleeberg
Nebenintervenientin zu 1 – 3:
RTC Revision Treuhand Consultin GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch d. Geschäftsführer, Rahlstedter Straße 32a, 22149 Hamburg
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 000212-18/CH/DZ
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld
Nebenintervenientin zu 1 – 4:
eFonds Solutions AG, Albert-Roßhaupter-Straße 43, 81369 München
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lutz Abel Partnerschaftsgesellschaft mbB, Markgrafenstraße 36, 10117 Berlin, Gz.: 58/2020 OLGR/meeb
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beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 27.01.2021:
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Das Musterverfahren wird gem. § 15 KapMuG auf Antrag des Musterklägers und der Beigeladenen Dietl, Eichler, Eis, Hoffmann, Kotke-Otte, Müller, Rau, Schumann, Kleinhans, Zapf, Dr. Norden und Jäger um die folgenden Feststellungsziele erweitert:
Feststellungsziel 1.
Der Emisssionsprospekt zur Beteiligungsgesellschaft MS „Vogerunner“ GmbH & Co. KG vom 08.05.2008 ist unrichtig, unvollständig und irreführend
h: weil die in der Liquiditätsprognose prospektierte jährliche Eskalation der Schiffsbetriebskosten in Höhe von 4% p.a. für die Jahre 2010 bis 2012 und um 2,5% p.a. ab 2013 bereits aus ex-ante-Sicht nicht vertretbar war;
i: da die Sensitivitätsanalyse auf S. 48 des Verkaufsprospektes sich als unrichtig und unvollständig erweist, den Anleger bei der Investitionsentscheidung in die Irre führt und an groben Mängeln der Systematik und Methodik leidet;
j: da er sich unrichtig, unvollständig und widersprüchlich zu dem Charterunternehmen verhält.
Im Übrigen wird der Erweiterungsantrag der Beigeladenen Dietl, Eichler, Eis, Hoffmann, Kotke-Otte, Müller, Rau, Schumann, Kleinhans, Zapf, Dr. Norden und Jäger zurückgewiesen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu den bereits begründeten, neu zugelassenen Feststellungszielen bis zum 03.02.2021.
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Gründe:
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1.) Die Voraussetzungen des § 15 KapMuG liegen hinsichtlich der zugelassenen Erweiterungen vor.
a) Die neu formulierten Feststellungsziele sind entscheidungserheblich, wofür es genügt, dass es als plausibel erscheint, dass die Entscheidung über die beantragte Erweiterung sich im Ausgangsverfahren auswirken kann (Kölner Kommentar-Vollkommer, KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 14).
Der Senat folgt nicht der Auffassung von Vorwerk/Wolf-Kotschy, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 15, Rn. 6), wonach eine Erweiterung nur vorzunehmen wäre, wenn die fragliche Erweiterung tatsächlich im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich wäre, was voraussetze, dass die fragliche Rüge zum Prospektinhalt dort erhoben und auch zu ihrer Relevanz für die Anlageentscheidung vorgetragen worden wäre.
Ein Bestreiten des entsprechenden Vortrages eines die Erweiterung begehrenden Beteiligten des KapMuG-Verfahrens durch andere Beteiligte würde den Senat in eine ihm nicht obliegende Prüfung des (jeweiligen) Ausgangsverfahrens im Einzelnen hineinzwingen, eine Prüfung, die ihm – anders als etwa bei der Beschwerde gegen die Aussetzung oder Nichtaussetzung eines Verfahrens nach § 8 KapMuG – nicht obliegt (Kölner Kommentar-Vollkommer, aaO., § 15, Rn. 14). So würden in das KapMuG-Verfahren Fragen hineingetragen, die nach seiner Struktur dort nicht zu klären sind: Je nach Vorbringen der Parteien wäre ggf. der Frage nachzugehen, ob der Vortrag zu einem bestimmten, vom Erweiterungsantrag betroffenen Sachverhalt hinreichend substantiiert ist, ob er rechtzeitig vorgebracht wurde, ob er zu Recht präkludiert wurde oder aber zu präkludieren wäre, u.U. auch, ob er ohne Verstoß gegen Verspätungsregeln noch angebracht werden könnte. Hierbei wäre auch nicht etwa nur auf das Ausgangsverfahren des Musterklägers abzustellen: Da auch Beigeladene Erweiterungsanträge anbringen können, würde es konsequenter Weise auf das Vorbingen in deren jeweiligen Verfahren ankommen; ganz unklar wäre schließlich, wie insoweit mit erweiternden Feststellungsanträgen der Beklagtenseite umzugehen wäre – offenkundig kann es insoweit nicht nur auf das Verfahren des Musterklägers ankommen, vielmehr wäre wohl darauf abzustellen, ob die Beklagtenseite den entsprechenden Einwand bislang in irgendeinem Ausgangsverfahren vorgebracht hat. Damit aber würde das KapMuG-Verfahren mit der Klärung von Fragen belastet, die – besonders augenfällig bei Fragen der Präklusion – in die alleinige Entscheidungskompetenz des Ausgangsgerichts gestellt sind.
An dieser Bewertung ändert auch die Entscheidung BGH XI ZB 13/18, Beschluss vom 30.04.2019, nichts: Dass eine Aussetzung nach § 8 KapMuG nur erfolgen kann, wenn „es nach der Überzeugung des Prozessgerichts auf … geltend gemachte Feststellungsziele für den Ausgang des Rechtsstreits konkret ankommen wird“ (Leitsatz 2), ist für die Frage der Anforderungen im Rahmen des § 15 KapMuG ohne Belang. Denn – wie oben ausgeführt – ist die Prüfung dieser Frage dem Prozessgericht ohne Weiteres, insbesondere ohne Beiziehung bislang nicht verfahrensgegenständlicher Akten, möglich und auch zugewiesen.
Soweit das Kriterium der konkreten Entscheidungserheblichkeit offenbar herangezogen werden soll, um ein Ausufern des KapMuG-Verfahrens durch Anträge nach § 15 KapMuG zu verhindern, erscheint es hierfür nicht geeignet. Vielmehr ist die Abhandlung weiterer Feststellungsziele, die plausibler Weise in Ausgangsverfahren eine Rolle spielen können, nach dem Telos des KapMuG sachgerecht, um in einem Verfahren eine möglichst umfassende Klärung der behaupteten Fehlerhaftigkeit einer Kapitalmarktinformation herbeizuführen. Eine mit dem Anspruch der Parteien – auch der Parteien der ausgesetzten Verfahren – auf hinreichend raschen Rechtsschutz nicht vereinbare Überfrachtung und insbesondere Verzögerung des KapMuG-Verfahrens kann dadurch gesteuert werden, dass im Einzelfall die Sachdienlichkeit von Erweiterungsanträgen verneint wird. So sind nach Auffassung des Senats Erweiterungsanträge insbesondere dann nicht sachdienlich, wenn sie – wie nach der Erfahrung in zahlreichen KapMuG-Verfahren nicht selten – erst Monate nach Anbringung des Begründungsschriftsatzes und Erwiderung der Beklagten bzw. erst sehr kurz vor oder gar erst nach der mündlichen Verhandlung gestellt werden, wenn ihre Zulassung zu einer deutlichen Verzögerung der Entscheidung und damit auch zu einer unangemessenen Verzögerung der Ausgangsverfahren führen würde.
b) Die zugelassenen Erweiterungen betreffen sämtlich den Inhalt des streitgegenständlichen Fondsprospektes und damit den gleichen Lebensachverhalt wie die schon rechtshängigen Anträge.
c) Schließlich ist ihre Zulassung auch sachdienlich, insbesondere führt sie voraussichtlich nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens, kann aber zu einer umfassenden Klärung der sich bezogen auf den Anlageprospekt stellenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen beitragen (vgl. dazu Kölner Kommentar-Vollkommer aaO., § 15, Rnrn. 20, 21).
2.) Der Erweiterungsantrag gem. Lit. a des Schriftsatzes der Beigeladenenvertreter Rechtsanwälte Hoppe vom 14.12.2020 ist hingegen zurückzuweisen, da er schon nicht im Sinne des § 15 Abs. 1 Ne. 2 KapMuG den gleichen Lebenssachverhalt betrifft, wie die bereits anhängigen Anträge.
Hier geht es nicht, wie bei sämtlichen bereits anhängigen und mit dem vorliegenden Beschluss zugelassenen Feststellungsanträgen, um konkrete inhaltliche Mängel des am 08.05.2008 veröffentlichten Fondsprospektes, vielmehr begehrten die beantragenden beigeladenen Kläger die Klärung, ob ab November 2008 im Hinblick auf einen behaupteten Einbruch der Frachtraten und des Baltic Dry Indices eine Nachprospektierungspflicht bestanden habe.
Damit aber soll ein Sachverhalt zur Beurteilung durch den Senat gestellt werden, der bislang im Verfahren keinerlei Rolle gespielt hat, da hinsichtlich sämtlicher weiterer Feststellungsbegehren maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt das Datum der Veröffentlichung des Prospektes am 08.05.2008 ist.
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Panten | Löffler | Dr. Tonner |
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht |
Richterin am Oberlandesgericht |
Richter am Oberlandesgericht |
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