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Hanseatisches Oberlandesgericht

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Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 13 Kap 3/15

Beschluss

In der Sache

Wilhelm-Herbert Schneider, Simmerner Straße 81, 56075 Koblenz

– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hahn PartG mbB, Alter Steinweg 1-3, 20459 Hamburg, Gz.: 14132-13/OR/DR

gegen

1)

MPC Capital Investments GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Jörn Ulf Klepper und Stephan Langkawel, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –
2)

TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH, vertreten durch die Geschäftsführer Tobias Boehncke und Tobias Lerchner, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und die Richterin am Oberlandesgericht zur Verth am 12.07.2018:

Die mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 03.07.2015 dem Hanseatischen Oberlandesgericht gem. § 6 Abs. 1 KapMuG vorgelegten Feststellungsziele werden in entsprechender Anwendung des § 15 KapMuG wie folgt konkretisiert:

Es wird festgestellt, dass der vom 23.11.2007 datierende und am 08.12.2007 veröffentlichte Prospekt für die Beteiligung an der Sachwertrendite-Fonds Indien GmbH & Co. KG

1. unvollständig ist, weil er keinen Hinweis enthält, dass es sich bei der Verkäuferin des durch die indische Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Private Ltd. (ARRPPL) erworbenen Entwicklungsrechts an dem Grundstück in Ludhiana um die Muttergesellschaft der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. handelt;

2. unvollständig ist, weil er keinen Hinweis auf den auf Seiten von AKME Projects Ltd. vorliegenden Interessenkonflikt enthält, welcher sich daraus ergab, dass es sich bei der Verkäuferin des durch die indische Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Private Ltd. (ARRPPL) erworbenen Entwicklungsrechts an dem Grundstück in Ludhiana um die Muttergesellschaft der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. handelt;

3 unvollständig ist, weil er keinen Hinweis darauf enthält, dass das Grundstück in Ludhiana zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über den Erwerb des Entwicklungsrechts an vorgenanntem Grundstück durch die indische Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Private Ltd. (ARRPPL) im Eigentum der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. stand;

4. unvollständig ist, weil er keinen Hinweis auf den auf Seiten von AKME Projects Ltd. vorliegenden Interessenkonflikt enthält, welcher sich daraus ergab, dass das Grundstück in Ludhiana zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über den Erwerb des Entwicklungsrechts an vorgenanntem Grundstück durch die indische Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Private Ltd. (ARRPPL) im Eigentum der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. stand;

5. unvollständig ist, weil er keinen Hinweis darauf enthält, dass das Grundstück in Ludhiana zum Zeitpunkt des Erwerbs des Entwicklungsrechts an vorgenanntem Grundstück durch die indische Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Private Ltd. (ARRPPL) im Eigentum der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. stand;

6. unvollständig ist, weil er keinen Hinweis auf den auf Seiten von AKME Projects Ltd. vorliegenden Interessenkonflikt enthält, welcher sich daraus ergab, dass das Grundstück in Ludhiana zum Zeitpunkt des Erwerbs des Entwicklungsrechts an vorgenanntem Grundstück durch die indische Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Ltd. (ARRPPL) im Eigentum der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. stand;

7. unvollständig ist, weil er keinen Hinweis darauf enthält, dass das Grundstück in Ludhiana für die Dauer der operativen Tätigkeit der indischen Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Private Ltd. (ARRPPL) voraussichtlich im Eigentum der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. stehen werde;

8 unvollständig ist, weil er keinen Hinweis auf den auf Seiten von AKME Projects Ltd. vorliegenden Interessenkonflikt enthält, welcher sich daraus ergab, dass das Grundstück in Ludhiana für die Dauer der operativen Tätigkeit der indischen Projektentwicklungsgesellschaft AKME Rhine River Projects Private Ltd. (ARRPPL) voraussichtlich im Eigentum der ARRPPL-Mitgesellschafterin AKME Projects Ltd. stehen würde;

9. nachträglich unrichtig wurde, weil entgegen den Prospektdarstellungen seitens MPC Rhine River Ltd. für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr seit Prospektveröffentlichung nur eine statt zwei Personen als Geschäftsführer der AKME Rhine River Projects Private Ltd. bestellt wurde;

10. fehlerhaft ist, weil die im vom 21.11.2007 datierenden Kaufvertrag (Development Agreement) über das Entwicklungsrecht an dem Grundstück in Ludhiana vereinbarten Konditionen hinsichtlich des Kaufpreises und der Grundstücksgröße bis zum Abschluss des Nachtrags zuvor genanntem Development Agreement im Februar 2008 nicht den im Verkaufsprospekt genannten, als „auch vertraglichen Vereinbarungen beruhend“ bezeichneten Konditionen entsprachen;

11. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass hinsichtlich des Erwerbs des Entwicklungsrechts an dem Grundstück in Ludhiana eine ordnungsgemäße Prüfung der Vertragsunterlagen dahingehend, ob die vertraglich getroffenen Vereinbarungen den Prospektdarstellungen entsprachen, vor Prospektveröffentlichung unterblieben war;

12. fehlerhaft ist, da an den Projektstandorten Ludhiana und Mohali die Errichtung von Apartmentanlagen in den Dimensionen der auf Seite 55 des Verkaufsprospekts jeweils bezifferten verkaufbaren Fläche rechtlich nicht zulässig war;

13. unvollständig ist, weil hinsichtlich der auf Seite 55 des Verkaufsprospekts dargestellten Prognosezahlen zur Projektentwicklung ein Hinweis darauf fehlt, dass bei Ermittlung der jeweiligen verkaufbaren Fläche ein sog. „Loading“ hinzugerechnet worden ist;

14. irreführend ist, weil die auf Seite 55 des Verkaufsprospekts genannten Daten dem Anleger eine unzutreffende Vorstellung von der tatsächlichen durchschnittlichen Apartmentgröße der jeweiligen Vorhaben vermitteln;

15. fehlerhaft ist, weil die Grundstücke in Ludhiana und Mohali entgegen den auf Seite 71 des Prospekts gemachten Angaben rechtliche Beschränkungen im Hinblick auf die Verwendungsmöglichkeit aufweisen;

16. unvollständig ist, weil ein Hinweis auf das Erfordernis einer für die Projektentwicklungsvorhaben vor Baubeginn jeweils einzuholenden umweltrechtlichen Genehmigung (environmental clearance) auf Basis einer zuvor jeweils durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung (environmental impact assessment) fehlt;

17. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass es aufgrund der für die Projektentwicklungsvorhaben vor Baubeginn jeweils einzuholende umweltrechtliche Genehmigung (environmental clearance) auf Basis einer zuvor jeweils durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung (environmental impact assessment) zu Verzögerungen beim prospektierten Baubeginn kommen konnte;

18. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass eine Ablehnung der umweltrechtlichen Genehmigung (environmental clearance) ein Risiko für das Gelingen der geplanten Fondsdurchführung bedeuten würde;

19. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung hinsichtlich des Projektentwicklungsvorhabens in Ludhiana noch kein Antrag auf Erteilung der umweltrechtlichen Genehmigung (environmental clearance) gestellt worden war;

20. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass sich für das Projektentwicklungsvorhaben in Ludhiana eine Verzögerung des für das erste Quartal 2008 prospektierten Baustarts konkret abzeichnete, weil im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung die Erteilung der diesbezüglichen umweltrechtlichen Genehmigung (environmental clearance) noch nicht einmal beantragt worden war;

21. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass sich für das Projektentwicklungsvorhaben in Ludhiana eine Verzögerung des für das erste Quartal 2008 prospektierten Baustarts konkret abzeichnete, weil im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung unklar war, wann Antragstellung auf Erteilung der diesbezüglichen umweltrechtlichen Genehmigung (environmental clearance) erfolgen würde;

22. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass aufgrund der im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung noch ausstehenden Antragstellung auf Erteilung der umweltrechtlichen Genehmigung (environmental clearance) für das Projektentwicklungsvorhaben in Ludhiana im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung eine Verzögerung bei der Fondsdurchführung insgesamt drohte;

23. unvollständig ist, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass aufgrund der bestehenden Unklarheit darüber, wann die Antragstellung auf Erteilung der umweltrechtlichen Genehmigung (environmental clearance) für das Projektentwicklungsvorhaben in Ludhiana erfolgen würde, im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung eine Verzögerung bei der Fondsdurchführung insgesamt drohte;

24. fehlerhaft ist, weil es entgegen der Prospektdarstellungen hinsichtlich der Projektstandorte Ludhiana und Mohali an der Baureife der Grundstücke fehlte;

25. unvollständig ist, weil keine hinreichenden Darstellungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für ausländische Direktinvestitionen in Indien enthält.

Gründe:

Die Konkretisierung der dem Senat mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 03.07.2015 vorgelegten Feststellungziele kann hier in entsprechender Anwendung des § 15 KapMuG erfolgen.

Der Senat hatte mit Beschluss vom 22.02.2016 den Musterkläger bestimmt und die vorgelegten Feststellungsziele nicht als zu unbestimmt zurückgewiesen, da er seinerzeit mit der vorlegenden Kammer, der von dieser ausführlich und gestützt auf Gesetzesmaterialien und Literatur überzeugend dargelegten (insbesondere S. 4 und 5 des Vorlagebeschlusses vom 03.07.2015) Auffassung war, dass im Verfahren nach dem KapMuG auch die Fehlerhaftigkeit eines Prospektes insgesamt (d.h. ohne näher konkretisierte Rügen zu einzelnen Prospektmängeln) Feststellungsziel sein konnte.

Nachdem durch die Entscheidung BGH XI ZB 17/15, Beschluss vom 19.09.2017, Rnrn. 62 – 69, klargestellt ist, dass diese Auffassung fehlerhaft ist und vielmehr die Feststellungsziele den gleichen Anforderungen genügen müssen, wie sie an die Bestimmtheit einer Klagschrift gestellt werden (BGH aaO., Rn. 64), musste dem Musterkläger Gelegenheit gegeben werden, zulässige Feststellungsziele zu formulieren.

Da nach wohl herrschender Auffassung für den Musterkläger der Weg zu einer Konkretisierung der Feststellungsziele über §§ 263, 264 ZPO i.V.m. § 11 KapMuG versperrt ist, da in diesem Verfahren gerade keine Möglichkeit zu einer Änderung eines bereits eingeführten Streitgegenstandes besteht (Kölner Kommentar-Vollkommer, KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 11, Rn. 99) und auch eine Erweiterung der Feststellungsziele gem. § 15 KapMuG nicht in Betracht kommt, da vorliegend gerade kein neuer Streitgegenstand (im Sinne etwa der Feststellung eines weiteren Prospektfehlers) eingeführt werden soll, kann hier nur eine entsprechende Anwendung des § 15 KapMuG Platz greifen.

Das Gesetz enthält insoweit eine offenbar planwidrige Lücke: Für den Fall, dass ein mangels Bestimmtheit unzulässiger Vorlagebeschluss vom OLG als zulässig behandelt und erst in fortgeschrittenem Verfahrensstadium als zu unbestimmt erkannt wird, hat das Gesetz keine Vorsorge getroffen. Während im Regelverfahren – eben mangels endgültiger Fixierung des Streitgegenstandes durch einen dem Vorlagebeschluss vergleichbaren Akt – eine Behebung derartiger Mängel auf Hinweis des Gerichts noch bis zur letzten mündlichen Verhandlung grundsätzlich möglich ist, findet sich – eben mangels direkter Anwendbarkeit von §§ 263, 264 ZPO bzw. § 15 KapMuG – im KapMuG keine Möglichkeit zur Behebung solcher Mängel.

Die der Regelung des § 15 KapMuG zugrundeliegenden Sachverhalte und Interessenlagen sind auch der vorliegenden Situation durchaus vergleichbar: Die Norm eröffnet im laufenden KapMuG-Verfahren die Möglichkeit einer nachträglichen Erweiterung der Feststellungsziele und dies letztlich im Sinne der Prozessökonomie, nämlich um zu vermeiden, dass nach Abschluss des (nicht erweiterten) Musterverfahrens umgehend weitere klärungsbedürftige Fragen im Wege eines neuen Vorlagebeschlusses an das OLG herangetragen werden (Kölner Kommentar-Vollkommer aaO., § 15, Rn. 6). Auch im hier zu beurteilenden Sachverhalt würde eine Zurückweisung der Feststellungsanträge mangels Bestimmtheit lediglich dazu führen, dass die nunmehr angebrachten – bestimmten – Feststellungsziele erneut dem Landgericht und von diesem dem OLG vorgelegt würden. Auch die Interessen der Parteien – hier insbesondere der Musterbeklagten – stehen einer Anwendung der Norm nicht entgegen: Wenn über § 15 KapMuG sogar die Einführung tatsächlich „neuer“ Feststellungsziele in das Verfahren zulässig ist, sofern diese nur den bisherigen Zielen gleichgerichtet sind (vgl. Kölner Kommentar-Vollkommer, aaO., § 15, Rn. 15) und die Zulassung sachdienlich ist (vgl. dazu Kölner Kommentar-Vollkommer aaO., Rn. 17), muss dies erst recht gelten, wenn lediglich eine ausdrückliche Konkretisierung von Feststellungszielen erfolgt, die tatsächlich ohnehin seit Beginn des Verfahrens Gegenstand desselben waren.

Wie insbesondere ein Vergleich der nunmehr zugelassenen Feststellungsziele mit dem Inhalt des Hinweisbeschlusses des Senats vom 08.07.2016 ergibt, mit dem dieser die Verfahrensgegenstände konkretisierte und dessen Inhalt keine der Parteien beanstandet hat, waren alle nunmehr explizit gerügten Prospektmängel von Beginn des Verfahrens an von Musterklägerseite vorgetragen und von Musterbeklagtenseite bestritten worden. Alle der nunmehr konkretisierten Punkte waren bereits Gegenstand des umfassenden Vortrages der Parteien und auch der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2016.

Vor diesem Hintergrund kann auch die Argumentation der Musterbeklagten, dass ein Vorgehen nach § 15 KapMuG nur in Betracht komme, wenn wenigstens ein zulässiges Feststellungsbegehren bereits Verfahrensgegenstand sei, jedenfalls bezogen auf eine analoge Anwendung der Norm, nicht überzeugen. Jedenfalls in der konkret vorliegenden Situation besteht insbesondere nicht die Gefahr, dass die Zulässigkeitsvoraussetzung des Vorliegens von mindestens zehn gleichgerichteten Anträgen gem. § 6 Abs. 5 KapMuG unterlaufen würde, da nach den Feststellungen des Vorlagebeschlusses tatsächlich mindestens elf gleichgerichtete – und gleich unbestimmte – Musterverfahrensanträge beim Landgericht eingegangen waren.

Der Erweiterungsantrag der Rechtsanwälte LSV pp. vom 15.06.2018 wird nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die anderen Beteiligten gesondert beschieden werden.

Panten
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Löffler
Richterin am Oberlandesgericht
zur Verth
Richterin am Oberlandesgericht

 

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