Hanseatisches Oberlandesgericht
Az.: 13 Kap 8/19
Verkündet am 30.07.2021
Simpson, JFAng |
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BeschlussIn der Sache Dietmar Hahn, Schillerstraße 11b, 51503 Rösrath – Musterkläger –Prozessbevollmächtigte: gegen
– Musterbeklagte –
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– Musterbeklagte –Prozessbevollmächtigte zu 1 – 5: Prozessbevollmächtigte zu 6: Nebenintervenient zu 1: Prozessbevollmächtigte: Nebenintervenient zu 2: Prozessbevollmächtigte: Nebenintervenient zu 4: Prozessbevollmächtigte: Nebenintervenientin zu 1, 2 und 4: Prozessbevollmächtigte: Nebenintervenientin zu 1 – 4: Prozessbevollmächtigter: Prozessbevollmächtigter: Nebenintervenientin zu 1 – 3: Prozessbevollmächtigte: Prozessbevollmächtigte: Nebenintervenientin zu 1 – 4: Prozessbevollmächtigte: beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 30.07.2021: 1.) Es wird festgestellt, dass die Darstellung des Marktumfeldes im am 08.05.2008 veröffentlichten Anlageprospekt zur MS „Vogerunner“ GmbH & Co. KG insoweit unvollständig ist, als die Angaben zu Nachfrage- und Angebotsentwicklung lückenhaft sind und zudem beziehungslos nebeneinandergestellt werden. 2.) Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagten zu 2 und zu 3 aufgrund ihrer Stellung als Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft passivlegitimiert im Sinne einer Prospekthaftung im weiteren Sinne sind. 3.) Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagten zu 2 und 3 als Gründungsgesellschafter (bzw. Rechtsnachfolger einer Gründungsgesellschafterin grundsätzlich gegenüber den neu beitretenden (bzw. sich über die Treuhänderin beteiligenden) Anlegern aufklärungspflichtig waren und insoweit passivlegitimiert im Sinne einer Prospekthaftung im weiteren Sinne sind. 4.) Es wird festgestellt, dass aus Prospekthaftung im weiteren Sinne der Anleger grundsätzlich nur Ersatz des negativen Interesses fordern kann. 5.) Im Übrigen werden die Feststellungsanträge des Musterklägers zurückgewiesen. Gründe:I. Das vorliegende KapMuG-Verfahren bezieht sich auf den am 08.05.2008 veröffentlichten Anlageprospekt zur MS „Vogerunner“ GmbH & Co. KG. Bei der MS Vogerunner handelte es sich um einen 176.800 tdw Capesize-Bulker, der am 30.11.2008 von einer japanischen Werft abgeliefert und sodann in eine fünfjährige Festcharter der Transfield ER Cape Ltd. BV zu einer festen Bruttocharterrate von $ 39.450,– p.d. gehen sollte. Geplant war eine Laufzeit des Fonds von ca. 16 Jahren. Nach dem Prospekt (S. 67) waren Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft MS „Vogerunner“ GmbH & Co. KG die Bereederungsgesellschaft H. Vogemann GmbH & Co. KG, die HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH, die HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH und die Verwaltung MS „Vogerunner“ GmbH. Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 1 war die HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH, die auf S. 5 des Prospektes als Prospektverantwortliche bezeichnet ist; sie hatte einen Kommanditanteil von € 24.000 an der Fondsgesellschaft gezeichnet und trat als Anbieterin/Emissionshaus auf. Die Musterbeklagte zu 2 ist Rechtsnachfolgerin der HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH, die einen KG-Anteil von € 1.000 hielt und die Funktion der Treuhandkommanditistin übernahm und eine 100%-ige Tochter der Konzernmutter HCI Capital war und damit Schwestergesellschaft der HCI Beteiligungsgesellschaft mbH, die ihrerseits 50 % der Anteile an der Komplementärin der Fondsgesellschaft hielt. Bei der Musterbeklagten zu 3 handelt es sich um eine Abspaltung der Musterbeklagten zu 2. Die Musterbeklagte zu 4 ist die umfirmierte, vormals als HCI Capital AG aufgetretene Konzernmutter . Die Musterbeklagte zu 5 ist die Komplementärin der Fondsgesellschaft. Der Musterkläger und die durch Rechtsanwälte Mattil & Co. vertretenen Beigeladenen sind der Auffassung, dass auch unter Beachtung der neuesten Rechtsprechung des BGH in Sachen BGH XI ZB 35/18 die Musterbeklagten weiterhin passivlegitimiert im Sinne der Prospekthaftung im weiteren Sinne seien und insbesondere keine Verdrängung dieses Instituts durch die spezialgesetzlichen Regelungen der §§ 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 BörsG a.F. Platz greife. So seien die Musterbeklagten zu 2 – 6 nicht als Prospektveranlasser anzusehen, da sie weder Gesellschafterinnen der Komplementär-GmbH der Fondsgesellschaft seien noch irgendwie bestimmenden Einfluss auf die Konzeption des Fonds genommen hätten. Dies gelte auch für die Musterbeklagte zu 5 in ihrer Rolle als bloße Komplementärin. Die Musterbeklagten seien nicht über ihre Rolle als Gründungsgesellschafter hinausgegangen. Insbesondere die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 2 (und mittelbar 3) habe sich auf ihre Rolle als Abwicklungs-Treuhänderin beschränkt und insoweit die Funktion eines Dienstleisters für die Anleger wahrgenommen, nicht aber auf Fondskonzept und -prospekt eingewirkt. Die Musterbeklagten zu 1 – 5 sind der Auffassung, dass sie allesamt nach der neuesten Rechtsprechung des BGH nicht passivlegitimiert im Sinne der Prospekthaftung im weiteren Sinne seien. Auch die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 2 habe eine konzeptionelle Rolle – nämlich als Treuhandkommanditistin – innerhalb des Fondskonzepts übernommen. Seit dem Jahre 1985 sei sie innerhalb des HCI-Konzerns zur leistungsfähigen Treuhandgesellschaft entwickelt worden, deren Kompetenzen für die Verwirklichung von Schiffsfondsprojekten unabdingbar gewesen seien, da sie nach dem Treuhandvertrag die gesamte Abwicklung im Verhältnis zu den Anlegern zu übernehmen gehabt habe. Hinzu komme ihre Rolle als Partnerin des mit der Fondsgesellschaft abgeschlossenen Servicevertrages, die ihr umfangreiche Pflichten gegenüber der Fondsgesellschaft auferlegt habe, die für das Projekt ebenfalls essentiell gewesen seien. Auch ihr Gesellschaftszweck (S. 25 des Prospektes) zeige, dass sie im Gesamtkonzept eine tragende Rolle eingenommen habe. Schließlich habe sie ein erhebliches finanzielles Eigeninteresse verfolgt, da sie eine am eingeworbenen Kapital orientierte Vergütung, weiter ein Entgelt aus dem Servicevertrag und schließlich eine Beteiligung von 1 % am Bruttoverkaufserlös des Fondsschiffes erhalten sollte. Der Prospekt sei auch mit ihrer Kenntnis in Verkehr gebracht worden. Mit Beschluss vom 12.02.2019 hat das Landgericht Hamburg dem Senat die folgenden Feststellungsziele zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Beschluss vom 27.01.2021 hat der Senat die folgenden weiteren Feststellungsziele zum Verfahren zugelassen:
II. A.) Auch unter Beachtung der neuesten Rechtsprechung des BGH (BGH XI ZR 35/18, Beschluss vom 19.01.2021), der der Senat folgt, steht dem Musterkläger weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Feststellungsanträge zu, die sich (ausweislich Feststellungszielen 3 und 4) explizit auf die Feststellung einer Haftung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne richten, denn die Musterbeklagten zu 2 und 3 sind insoweit passivlegitimiert. Bezogen auf sie findet eine Verdrängung dieses Haftungsinstituts durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung nicht statt.
Den Beteiligten musste zu dieser Frage nicht nochmals ausdrücklich rechtliches Gehör gewährt werden: Die sich aus der kurz vor dem Termin am 31.03.2021 bekannt gewordenen Entscheidung des BGH in Sachen BGH XI ZB 35/18 ergebende Problematik wurde in der mündlichen Verhandlung thematisiert (S. 4 oben des Sitzungsprotokolls vom 31.03.2021); der Musterkläger und die Musterbeklagten zu 1 – 5 haben die ihnen eröffnete Möglichkeit zur ausführlichen Stellungnahme im Wege des nachgelassenen Schriftsatzes (vgl. Beschluss des Senats S. 8 des Sitzungsprotokolls) genutzt (S. 6 – 12 des klägerischen Schriftsatzes vom 31.05.2021; S. 1 – 15 des Schriftsatzes der Vertreter der Musterbeklagten zu 1 – 5 vom 31.05.2021). B.) Der Musterkläger ist der Auffassung, dass der Anlageprospekt diverse Mängel aufweise. Der Senat folgt dem teilweise.
Dieser errechne sich daraus, dass im März 2008 – ausweislich von Clarksons veröffentlichter Werte (Anl. MK 18) – eine dreijährige Charter eines 170-000 tdw Capesizers eine Rate von $ 101.500 p.d. erbracht haben würde. Bei Vornahme eines Abschlages von 40 % für die vorliegend abgeschlossene fünfjährige Charter müssten damit seinerzeit $ 60.000 p.d. zu erzielen gewesen sein, d. h. der Ertragswert des Schiffes müsse um ca. $ 36.000.000 unter Marktwert gelegen haben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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