Hanseatisches Oberlandesgericht
Az.: 14 Kap 11/18
Verkündet am 29.10.2021 |
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Nissen, JFAng |
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Beschluss
Musterentscheid
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In der Sache
Klaus Ditschun, Am Schiffberge 11, 33605 Bielefeld
– Musterkläger – |
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Fischer, Hedwigstraße 12 b, 38118 Braunschweig, Gz.: 772/19
gegen
1) |
HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter die HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführerin Christine Beckmann, Burchardstraße 8, 20097 Hamburg
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2) |
HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin, die Verwaltung HCI Treuhand GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Kai Dührkop, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
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3) |
HCI Treuhand SERVICE GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter, die Verwaltung HCI Treuhand Service GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Kai Dührkop und Frauke Schünemann, Burchardstraße 8, 22095 Hamburg
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Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg
Nebenintervenientin zu 1:
Kapital Kontor GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Nico Benkhofer, Kontorhaus Reichenhof, Kleine Reichenstraße 1, 20457 Hamburg
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. Tillmann Schmidt-Parzefall, BOTH Rechtsanwälte, Großer Burstah 42, 20457 Hamburg, Gz.: 9/2018 SP
Nebenintervenientin zu 1:
RTC Revision Consulting GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatergesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführer Björn Hagedorn und Frank Fruggel, Burchardstraße 24, 20095 Hamburg
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld
Nebenintervenientin zu 1:
eFonds Solutions AG, vertreten durch d. Vorstand Alexander Betz, Albert-Roßhaupter-Straße 43, 81369 München
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lutz Abel Partnerschaftsgesellschaft mbB, Markgrafenstraße 36, 10117 Berlin, Gz.: 94/2020 OLGR7meeb
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beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 14. Zivilsenat – durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Lohmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Leverenz und den Richter am Amtsgericht Dr. Lanzius am 29.10.2021 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2021:
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1. |
Der Erweiterungsantrag des Musterklägers aus dem Schriftsatz vom 30.07.2021 wird zurückgewiesen. |
2. |
Der Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 20.12.2018, Az. 333 OH 1/18, ist gegenstandslos. |
3. |
Der Antrag der Musterklägervertreter vom 18.10.2021 nach § 41a RVG wird zurückgewiesen. |
4. |
Der Wert sämtlicher ausgesetzter Verfahren beträgt 2.697.334,48 €. |
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Gründe:
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I.
Der Musterkläger und die Beigeladenen machen in den ausgesetzten Ausgangsverfahren als Anleger des Fonds „HCI Shipping Select XXI“ gegen die Musterbeklagten Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts und damit einhergehender Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend. Der Fonds setzt sich aus den Einzel-Schifffahrtsgesellschaften MS „JPO SAGITTARIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, MS „JPO SCORPIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, MS „Constantin S“ H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG und MS “Conrad S” H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG (im Folgenden auch: Emittentinnen) zusammen. Der als Anlage vom Musterkläger eingereichte Verkaufsprospekt ist am 14.07.2006 aufgestellt worden. Die wirtschaftlichen Ergebnisse des Fonds sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Die Musterbeklagten zu 1 und 2 waren als Kommanditistinnen Gründungsgesellschafterinnen der Emittentinnen. Die Musterbeklagte zu 1 ist ein Tochterunternehmen der HCI Capital AG und innerhalb der HCI-Gruppe für die Konzeption und den Vertrieb von Kapitalmarktprodukten und für die Beratung in diesem Bereich zuständig. Sie firmierte bei Prospektaufstellung unter HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH. Auf S. 9 des Prospektes wird sie als „Prospektverantwortliche“ bezeichnet. Die Musterbeklagte zu 2, ebenfalls ein Tochterunternehmen der HCI Capital AG, firmierte bei Prospektaufstellung als HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH. Aufgrund eines Spaltung- und Übernahmevertrages vom 11.04.2013 und entsprechender Beschlüsse spaltete die Musterbeklagte zu 2 von dem Gesellschaftsvermögen den Teilbetrieb „Asset Management und Treuhandservice“ als Gesamtheit im Wege der Abspaltung zur Aufnahme durch die HCI Treuhand Service GmbH & Co. KG, die Musterbeklagte zu 3, ab. Die Musterbeklagte zu 2 fungierte für den Fonds als Treuhandkommanditistin. Weiter war sie Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaften der Emittentinnen mit einem Anteil von jeweils 50 Prozent und Gesellschafterin der Komplementärin der Verkäufergesellschaft des MS „JPO Sagittarius“, der Verwaltung MS „JPO SAGITTARIUS“ Schiffahrtsgesellschaft mbH.
Auf Grundlage des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 20.12.2018 (Az.: 333 OH 1/18) sind dem Senat folgende Feststellungsziele vorgelegt worden:
„Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt des Schiffsfonds „HCI Shipping Select XXI“ vom 14.07.2006 über die Beteiligung an den vier Einzelschiffsgesellschaften MS „JPO SAGITTARIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, MS „JPO SCORPIUS” Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, MS „Constantin S“ H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG, MS “Conrad S” H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG, unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da in dem Verkaufsprospekt |
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I. nicht über die tatsächliche Höhe der Einnahmen der vier Fondsschiffe aus dem jeweiligen Pool aufgeklärt wird, indem im Prospekt |
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1. bereits nicht dargestellt wird, wie sich die konkreten Einnahmen der Poolschiffe (Bruttopoolrate) und die sich daraus ergebenden Nettoeinnahmen der Poolschiffe berechnen; |
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2. zu den für die Einnahmesituation relevanten Poolfaktoren, wie u.a. die Zusammensetzung des Pools, Aufnahme weiterer Pool Mitglieder, Fahrtgebiete der einzelnen Poolschiffe und den Beteiligungsschlüssel, keine oder nur unzureichende Angaben gemacht werden; |
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3. nur über die Charterraten und nicht über die historisch belegten Pooleinnahmen aufgeklärt wird, obwohl der Pool bei Prospekterstellung bereits existierte und die entsprechenden Daten vorlagen; |
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4. nicht über die erheblichen Einschränkungen der unternehmerischen Chancen durch die Poolmitgliedschaft aufgeklärt wird, in dem der Prospekt verschweigt, dass bei Veräußerung des Schiffes der bestehende Chartervertrag, sowie die Pool Mitgliedschaft vom Käufer übernommen werden muss und so ein Verkauf zum marktüblichen Preis nicht möglich ist; |
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II. nicht über das laut Prospekt relevante Marktumfeld und dessen Entwicklung aufgeklärt wird, indem im Prospekt, |
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1. die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten (weltweit und Containerschiffsflotte 2.500 TEU-2.900 TEU bzw. 1.000-1.499 TEU) ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt wird; |
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2. nicht auf das bevorstehende Überangebot an Transportkapazität und damit auf eine negative Marktentwicklung hingewiesen wird, obwohl aufgrund der vorhandenen Daten zu Orderbuchbeständen und historisch belegten Verschrottungsquoten und weiterer maritimer Quellen bei Prospekterstellung bereits deutliche Hinweise vorlagen; |
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III. Eine falsche Einnahmeprognose und damit auch die gesamte Liquiditätsprognose fehlerhaft dargestellt wird, indem |
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1. nicht über den vorhersehbaren Einbruch der Charterraten aufgeklärt wird, obwohl es hierfür konkrete Anhaltspunkte gab; |
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2. das historische Hoch des Zeitchartermarktes zwei Jahre vor der Herausgabe des Prospektes in die Berechnung des langjährigen Durchschnitts eingeflossen ist; |
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3. kein pauschaler Abschlag für die Poolmitgliedschaft vorgenommen wurde; |
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4. in den Marktdarstellungen lediglich die historisch belegten Bruttocharterraten dargestellt werden, die langfristig kalkulierten Einnahmen der vier Fondsschiffe jedoch in Nettocharterraten ausgewiesen werden und somit keine Vergleichbarkeit gegeben ist; |
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5. im Gegensatz zum vergleichbaren Vorgängerfonds „HCI Shipping Select XX“ eine wesentlich höhere Charterraten Prognose angegeben wurde; |
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6. für 10 % mehr Laderaum ein ungerechtfertigter Aufschlag in Höhe von 10 % auf die historisch belegten Charterraten kalkuliert wurde; |
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7. die Schiffsbetriebskosten in der Spalte „b“ der Liquiditätsvorschau zu niedrig kalkuliert wurden; |
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8. für die Vorzugsbedingungen der Früheinzahler in der Liquiditätsprognose kein (pauschaler) Betrag aufgenommen wurde, obwohl feststand, dass diese Bonuszahlungen erfolgen würden; |
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9. über die gesamte Fondslaufzeit eine Liquiditätsreserve in Millionen-Höhe vorgehalten wird und somit eine Manipulation der Anlegerrendite möglich ist; |
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IV. Risiken verschwiegen oder unzureichend dargestellt werden, indem im Prospekt |
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1. die gesellschaftsrechtlichen und/oder personellen Verflechtungen der Charterer einiger Poolschiffe der CSAV mit dem Poolmanager Peter Döhle Schifffahrts-KG nicht (ausreichend) offengelegt und damit nicht über bestehende Interessenkollisionen aufgeklärt wurde; |
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2. nicht auf das Risiko des Kaskadeneffektes hingewiesen wird, obwohl die Initiatoren wussten, dass die hier relevanten Schiffssegmente von 2.500 TEU – 2.700 TEU und 1000 TEU – 1499 TEU von den größeren Schiffen verdrängt werden und somit besonders stark von diesem Phänomen betroffen sein werden; |
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3. irreführend und nicht vollständig über die Bonität der Charterer der Poolschiffe aufgeklärt wird, obwohl alle erforderlichen Daten vorlagen; |
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4. nur unzureichend über die Haftung der Schiffsgesellschaft für Verbindlichkeiten des Charterers und des Subcharterers gegen Dritte mit dem Fondsschiff aufgeklärt wird; |
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5. nicht über die Bonität der Platzierungsgaranten und die von diesen bereits eingegangenen Verbindlichkeiten aufgeklärt und somit über die Werthaltigkeit der Platzierungsgarantie getäuscht wird; |
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6. behauptet wird, es bestehe das Risiko, dass bei Fehlschlagen der Vollplatzierung nicht alle Anleger ihr eingesetztes Kapital zurückerhalten, obwohl dies eine Tatsache und kein Risiko ist; |
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7. nur unzureichend darüber aufgeklärt wird, dass die Möglichkeit besteht, dass die Anleger den Gesellschaftsgläubigern mit ihrem Privatvermögen haften.“ |
Mit Beschluss vom 11.12.2020 hat der Senat auf Antrag des Musterklägers folgende Feststellungsziele konkretisiert:
„I. 4. nicht über die erheblichen Einschränkungen der unternehmerischen Chancen durch die Poolmitgliedschaft aufgeklärt wird, indem der Prospekt verschweigt, dass bei Veräußerung des Schiffes der bestehende Chartervertrag sowie die Poolmitgliedschaft vom Käufer übernommen werden muss und so ein schneller Verkauf zum marktüblichen Preis nicht möglich ist; |
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II. 1. der Zuwachs des weltweiten Containerumschlags dargestellt wird, nicht aber der Zuwachs der weltweiten Containerflotte, sondern nur der Zuwachs der Schiffe 2000 bis 2999 TEU und 1000 bis 1499 TEU, bzw. nicht der Zuwachs nur des Containerumschlags in den benannten Segmenten; |
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III. 1. kein (Sicherheits-) Abschlag für den vorhersehbaren Einbruch der Charterraten vorgenommen worden ist, obwohl es hierfür konkrete Anhaltspunkte gab; |
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III. 4. in den Marktdarstellungen lediglich die historisch belegten Bruttocharterraten dargestellt werden, die langfristig kalkulierten Einnahmen der 4 Fondsschiffe jedoch in Nettopoolraten ausgewiesen werden und somit keine Vergleichbarkeit gegeben ist; |
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III. 5. im Gegensatz zum vergleichbaren Vorgängerfonds „HCI Shipping Select XX“ eine wesentlich höhere Nettopoolratenprognose angegeben wurde; |
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III. 7. die Schiffsbetriebskostensteigerungsrate von 2,5 % zu niedrig kalkuliert wurde.“ |
Musterkläger und Musterbeklagte haben zunächst im Einzelnen zu den Feststellungszielen vorgetragen. Für den Inhalt des Vortrags wird auf deren Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll vom 20.12.2020 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 09.06.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Vorlagebeschluss mit Blick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.01.2021 (XI ZB 35/18 – juris) gegenstandslos sein könnte. Der Musterkläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 30.07.2021 Stellung genommen. Er hat unter anderem angeführt, dass die Musterbeklagten auch deliktisch nach den §§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB, 264a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB haften würden. Er hat beantragt, die Feststellungsziele nach § 15 KapMuG um folgendes Feststellungsziel zu erweitern:
„Die Musterbeklagten zu 1., 2. und 3. sind Haftungsadressaten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog und § 264a Abs. 1 StGB in Betracht.“ |
II.
1.
Der Erweiterungsantrag des Musterklägers vom 30.07.2021 war zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 15 Absatz 1 Ziffern 1 und 3 KapMuG liegen nicht vor. Eine deliktische Haftung der Musterbeklagten war weder Gegenstand des Ausgangsverfahrens des Musterklägers noch der weiteren Ausgangsverfahren. Ohne diese Anbindung ist eine Prüfung im Musterverfahren nicht zulässig. Das Musterverfahren ist kein abstraktes Prospektprüfverfahren. Vielmehr wird lediglich ein Teil des Streitstoffes in ein rechtlich verselbständigtes Zwischenverfahren verlagert. Geprüft werden darf nur, was nach Maßgabe des Ausgangsverfahrens entscheidungserheblich ist.
2.
Der Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg ist hinsichtlich sämtlicher Feststellungsziele gegenstandslos.
Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/18 – juris Rn. 30). Das ist hier für alle Feststellungsziele, die sämtlich vom Musterkläger behauptete Fehler des Prospekts zum Gegenstand haben, der Fall.
Der (teilweise vom Senat konkretisierte) Vorlagebeschluss ist dahin auszulegen, dass Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen. So heißt es in der Begründung des Vorlagebeschlusses gleich zu Beginn ausdrücklich: „Die Antragsteller nehmen als Kläger/innen in den Ausgangsverfahren (…) die Beklagten auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch.“ Im Folgenden führt das Landgericht weiter zur Argumentation der Kläger der Ausgangsverfahren aus: „Die Beklagten zu 1) und 2) hätten ihre Aufklärungspflichten gegenüber den Anlegern durch Verwendung dieses erkennbar fehlerhaften Prospektes verletzt. Bei zutreffender Aufklärung hätten sie die Beteiligung nicht gezeichnet. Die Beklagten zu 1) und 2) würden als Gründungsgesellschafter, die Beklagte zu 3) als abgespaltenes Unternehmen der Beklagten zu 2) haften.“
Eine solche Haftung der Musterbeklagten ist aber aus Rechtsgründen nicht gegeben, sodass es auf Feststellungen zu Prospektfehlern nicht ankommt.
Eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung – hier gemäß § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung – verdrängt (BGH, Beschluss vom 08.06.2021, XI ZB 22/19 – juris Rn. 31).
Die Musterbeklagte zu 1 ist Prospektverantwortliche nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF, da sie im Prospekt als Prospektverantwortliche genannt wird.
Die Musterbeklagten zu 2 und 3 sind verantwortlich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Davon sind die Personen und Unternehmen erfasst, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind; Veranlasser ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes ist unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (zum Vorstehenden insgesamt BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/18 – juris Rn. 24). Die Musterbeklagte zu 2, aus der die Musterbeklagte zu 3 aufgrund des Spaltung- und Übernahmevertrages vom 11.04.2013 hervorgegangen ist, ist Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Ob dies für sich genommen für die Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF schon genügt (so wohl BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021, XI ZB 22/19 – juris Rn. 31), kann offenbleiben. Im vorliegenden Verfahren kommen weitere erhebliche Aspekte hinzu, die eine Verantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 2 für den Prospekt begründen. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, denn es wäre nicht nachvollziehbar, warum diejenigen Gründungsgesellschafter, deren Einfluss auf Konzeption und Prospekt hinter dem Einfluss anderer Gründungsgesellschafter zurückgeblieben ist, schärfer haften sollten als diese (so auch Klöhn NZG 2021, 1063, 1068). Die Musterbeklagte zu 2 ist zunächst eine Schwestergesellschaft der Musterbeklagten zu 1. Vor allem aber war sie Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaften der Emittentinnen mit einem Anteil von jeweils 50 Prozent und Gesellschafterin der Komplementärin der Verkäufergesellschaft des MS „JPO Sagittarius“, der Verwaltung MS „JPO SAGITTARIUS“ Schiffahrtsgesellschaft mbH.
III.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 16 Abs. 2 KapMuG).
IV.
Soweit die Musterklägervertreter beantragt haben, dass ihnen wegen ihres im Vergleich zu dem Aufwand der Vertreter der beigeladenen Kläger geleisteten Mehraufwandes für den Musterkläger eine besondere Gebühr zu bewilligen ist (§ 41a Abs. 1 Satz 1 RVG), war der Antrag zurückzuweisen. Nach § 41a Abs. 2 RVG ist der Antrag spätestens vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen. Das ist vorliegend versäumt worden. Der Antrag ist erst am 18.10.2021 bei Gericht eingegangen.
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Dr. Lohmann | Dr. Leverenz | Dr. Lanzius |
Richter am Oberlandesgericht |
Richter am Oberlandesgericht |
Richter am Amtsgericht |
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