Hanseatisches Oberlandesgericht
Az.: 2 Kap 1/21
–
In der Sache
Brigitte Bestler, Hohe Raine 21, 89356 Haldenwang
– Musterklägerin – |
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Feil Kaltmeyer Partnerschaftsgesellschaft mbB, Kurfürstendamm 67, 10707 Berlin, Gz.: 00025/15 CK MPC GMO
gegen
1) |
MPC Capital Investments GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Jörn Ulf Klepper und Stephan Langkawel, Palmaille 67, 22767 Hamburg
|
|
2) |
TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co. KG, vertreten durch die Geschäftsführer Tobias Boehncke und Tobias Lechner, Palmaille 67, 22767 Hamburg
|
|
3) |
Managementgesellschaft MPC Global Maritime Opportunity Private Placement mbH, vertreten durch die Geschäftsführer Holger Glandien und Dr. Michael Silies, Palmaille 67, 22767 Hamburg
|
|
4) |
Deutsche Kontor Privatbank AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Gerrit Seidel, Cornelia Klesse, Südliche Münchner Straße 2, 82031 Grünwald
|
|
5) |
Enno Groeneveld, Milanstraße 5, 21614 Buxtehude
|
|
6) |
Werner Klauk, Knüll 19b, 21698 Bargstedt
|
|
7) |
FERI Trust GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Rathausplatz 8-10, 61348 Bad Homburg
|
Prozessbevollmächtigte zu 1 – 6:
Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Gz.: 08652/15
Prozessbevollmächtigte zu 7:
Rechtsanwälte JuSt im Quadrat, Mallaustraße 99, 68219 Mannheim
Nebenintervenientin zu 3:
FERI Trust GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Haus am Park, Rathausplatz 8-10, 61348 Bad Homburg
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte JuSt im Quadrat, Mallaustraße 99, 68219 Mannheim, Gz.: 47/20 Vi
Nebenintervenientin zu 7:
MPC Capital Investements GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Palmaille 67, 22767 Hamburg
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin
Nebenintervenientin zu 1 – 3:
Bmm Vermögensberatung GmbH & Co. KG, vertreten durch d. bmm Verwaltungs-GmbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer Thomas Schulz, Bahnhofsallee 119, 26133 Oldenburg
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältin Dr. Babette Nüßlein, Parkallee 117, 28209 Bremen, Gz.: 20-0206
Nebenintervenientin zu 1 – 3:
Mercurion AG, vertreten durch d. Vorstand, Baierbrunner Straße 25, 81379 München
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BMS Brinkmöller, Mertens, Jeske, Rosenstraße 11a, 40479 Düsseldorf, Gz.: 63/16
Nebenintervenient zu 1 – 3:
Bernd Schmitt, Marktplatz 4, 74172 Neckarsulm
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Thümmel, Schütze & Partner, Urbanstraße 7, 70182 Stuttgart, Gz.: 45/ta/17/0023
Nebenintervenient zu 1 – 3:
Norbert Wichmann, Beckkamp 24, 48317 Drensteinfurt
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte drrp Rechtssanwälte PartmbB, Lessingstraße 11, 80336 München, Gz.: 586/16
Nebenintervenientin zu 1 – 3:
niiio finance group AG, vertreten durch d. Vorstand, Konrad-Adenauer-Str. 25, 50996 Köln
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Sernetz, Schäfer, Berliner Allee 10, 40212 Düsseldorf, Gz.: BA/th
Nebenintervenientin zu 1 und 2:
wallstreet:online capital AG, vertreten durch d. Vorstand René Krüger, Michaelkirchstraße 17/18, 10179 Berlin
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Wirth, Carmerstraße 8, 10623 Berlin, Gz.: 200/13
–
beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 2. Zivilsenat – durch den Vizepräsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts Dr. Christensen, den Richter am Oberlandesgericht Tiemann und den Richter am Oberlandesgericht Dr.Witt am 09.08.2021:
–
1. Das Musterverfahren wird um folgende Feststellungsziele erweitert:
Es wird festgestellt,
8.a) dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, da sie nicht darüber aufklären, dass die angegebene Prognose hinsichtlich des erwarteten Eigenkapitals in Höhe von USD 250 Mio. bis USD 350 Mio. nicht mehr aktuell war, da die Prognose bereits vor der Vertriebsphase geändert und um 40 % reduziert worden war und laut dem veröffentlichten Zwischenbericht vom 30.9.2007 nur noch ein Eigenkapital in Höhe von USD 150 Mio. bis USD 200 Mio. erwartet wurde,
8.b) dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, da sie nicht darüber aufklären, dass bei der angegebenen Prognose hinsichtlich des erwarteten Eigenkapitals in Höhe von USD 250 Mio. bis USD 350 Mio. das Risiko einer Prognoseverfehlung im Sinne einer Finanzierungslücke über USD 100 Mio. bestand, da sich laut dem Zwischenbericht vom 30.9.2007 die Subprime–Krise bereits negativ auf den Fokus ausgewirkt hatte und die Einwerbung institutioneller Investoren nicht prognosegemäß verlief und die ursprüngliche Prognose reduziert werden musste,
9. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, da sie nicht darüber aufklären, dass dem privaten Anleger nur deshalb die Möglichkeit gegeben wurde, sich über die Fondsgesellschaft MPC Global Maritime Opportunity Private Placement GmbH & Co. KG an dem Zielfonds MPC Global Maritime Opportunity S. A. zu beteiligen, um mit ihnen die entstandene Finanzierungslücke über ca. USD 100 Mio. aufzufüllen, da die Einwerbung institutioneller Investoren insbesondere in den Monaten August, September und Oktober 2007 nicht prognosegemäß verlief und der Vorstand der MPC Capital AG folglich nicht mehr von dem prospektierten Zeichnungsvolumen von USD 250 Mio. bis USD 250 Mio. ausging, sondern lediglich von dem Zwischenbericht vom 30.9.2017 angegebenen Zeichnungsvolumen von USD 150 Mio. bis USD 200 Mio.
10. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, da die Anleger nicht über den Stand der Einwerbung der institutionellen Investoren an der MPC Global Maritime Opportunities S. A. („GMO SA), Luxemburg, vor dem 15.10.2007 und insbesondere nicht über den Stand des Eigenkapitals beim First Closing am 26.9.2007 von lediglich USD 100 Mio. aufgeklärt worden sind.
11. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, da nicht über das Risiko aufgeklärt wurde, dass sich die Subprime- und Finanzkrise negativ auf die wirtschaftliche Lage auswirken kann, sondern im Gegenteil die wirtschaftliche Lage extrem beschönigt dargestellt wurde in der Investorenpräsentation durch die Behauptungen
• |
„maritime Wirtschaft – eine strategische Anlageklasse mit ausgesprochener Wachstumsperspektive“ (Seite 7), |
• |
„Anhaltend hohe Wachstumsraten über dem Welt – BIP“ (Seite 7), |
• |
„Ein Markt mit anhaltend stabiler Basis“ (Seite 8), |
• |
„Starkes Wirtschaftswachstum“ (Seite 8), |
• |
„Starke Anstieg der Tonnen – Meilen Relation“ (Seite 8), |
• |
„Anhalten hohe Charterraten“ (Seite 8), |
• |
„Anhaltend hohe Anlagewerte“ (Seite 8), |
• |
„Frachtraten steigen infolge starken Wirtschaftswachstums“ (Seite 15) und durch die Broschüre auf Seite 2 oben durch die Behauptungen |
• |
„anhaltende weltweite Wirtschaftswachstum“, |
• |
„begleitet von positiven Wachstumsaussichten“, |
• |
„Demgegenüber stehen per Engpässe an Transportinfrastrukturkapazitäten“, |
• |
„Das Ergebnis sind Lücken in der Transportkette. Während die Nachfrage von nach Schiffstonnage aufgrund des Wirtschaftswachstums und infrastrukturelle Ineffizienzen stetig steigt, ist die erforderliche Schiffstransportkapazität nur schwer verfügbar“, |
• |
„Die skizzierten Umstände dürften für stabile Schiffspreise und Charterraten sorgen“ |
12. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, da sie nicht darüber aufklären, dass sowohl für einen erfolgreichen Börsengang als auch für das Erreichen der Vorgaben in § 15 des Gesellschaftsvertrages der MPC Global Maritime Opportunity Private Placement GmbH & Co. KG (Börsengang „innerhalb von 2 Jahren“ mit „25 % free-float des Eigenkapitals und ein Handel aller Aktien“) ein Risiko bestand, da gegenüber dem Kapitalmarkt keine attraktive Equity Story darstellbar war, da potentiellen Aktienerwerbern Bedenken hinsichtlich der Attraktivität kommen mussten,
• |
weil institutionelle Investoren deutlich geringeres Interesse gezeigt hatten als zunächst prognostiziert und die Prognose des erwarteten Eigenkapitals daher um 40 % reduziert werden musste und weder die Finanzierung des Seedinvestments noch der weiteren opportunistischen Investitionen sichergestellt war und |
• |
weil aufgrund der Subprime- und Finanzkrise sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert hatte und an den Kapitalmärkten eine Rezession und ein Einbrechen der Weltwirtschaft befürchtet wurde und nur noch in geringerem Umfang Kredite vergeben wurden und sich die Bedingungen für Kredite deutlich verschlechtert hatten, da Banken nur noch deutlich geringere Risiken eingehen wollten, nur noch Schiffe mit festem Chartervertrag finanziert wurden, Kredite noch mit kürzeren Laufzeiten und höheren Zinsen vergeben wurden und die Loan-to-Value Klauseln verschärft wurden und |
• |
weil Schiffsbeteiligungen ab März 2007 bei den Anlegern stark an Attraktivität verloren hatten, da aufgrund der hohen Kaufpreise für Schiffsneubauten, hohen Schiffsbetriebskosten, geringen Charterraten und wachsenden Überkapazitäten durch zu viele Schiffsneubauten nur geringe Renditeaussichten und hohe Risiken für einen Verlust bestanden und aufgrund der Subprime- und Finanzkrise befürchtet wurde, dass sich dieser Zustand weiter verschlechtert. |
13. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1) fehlerhaft, unvollständig und irreführend ist, da hinsichtlich der in Aussicht gestellten Renditeprognose von 12-24 % es zum einen an der Darstellung von Tatsachen fehlt, auf denen die Renditeprognose beruht und zum anderen die Höhe der prognostizierten Rendite von 12-24 % unvertretbar hoch ist.
14. dass die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft und irreführend ist, weil die Angabe auf Seite 4: „Zielsetzung > „Direkt“ Investition in Schiffe …“ und die Angabe Seite 16: „Risikobegrenzung durch Investition in „Hard Assets“, die attraktive Cach-Renditen generieren. Schiffe haben immer ein Wert“, gegenüber den Anliegern den Eindruck erweckt, sie würden in Sachwerte investieren, wodurch das Risiko begrenzt sei.
15. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, da sie nicht über das Risiko aufklären, dass sich der Markt für Transporte durch Kühlschiffe bereits zu einem Nischendasein entwickelt hat, da er durch den Transport mit Integral–Kühl-Containern verdrängt wurde, sondern im Gegenteil mit der Investorenpräsentation durch die Aussage auf Seite 7: „Weiteres Wachstum erfolgt durch den Einsatz der überalterten Flotten, insbesondere bei Mehrzweckschiffen und Kühlschiffen“ der Eindruck erweckt wird, der Markt für Transporte durch Kühlschiffe würde weiter wachsen.
16. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) fehlerhaft und irreführend sind, da sie angeben, die Investitionen würden opportunistisch erfolgen.
17. dass das Private Placement Memorandum (Anlage KapMuG B1), die Broschüre (Anlage K7) und die Investorenpräsentation (Anlage K6) unvollständig und irreführend sind, da sie verschweigen, dass zwei Großanleger der Zielgesellschaft ihrer Einzahlungsverpflichtung nicht nachgekommen sind.
–
Gründe:
–
Die Erweiterungsanträge sind nach § 15 Abs. 1 KapMuG zulässig. Nach § 15 Abs. 1 KapMuG ist der Erweiterungsantrag zulässig, wenn
― |
die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits von den weiteren Feststellungszielen abhängt (Nr. 1), |
― |
die neuen Feststellungsziele den gleichen Lebenssachverhalt betreffen, der dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt (Nr. 2) und |
― |
die Erweiterung sachdienlich ist (Nr. 3). |
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Soweit der ehemals für dieses Verfahren zuständige 14. Senat zunächst Zweifel im Hinblick auf das Merkmal der Abhängigkeit geäußert hat (siehe Hinweisbeschluss vom 18.6.2020, Bl. 372 d.A.), hat die Musterklägerin in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweisbeschluss diese Zweifel ausgeräumt, worauf der 14. Senat ebenfalls bereits hingewiesen hat (Beschluss vom 20.10.2020, Bl. 417 d.A.). Der nunmehr zuständige 2. Senat teilt diese Auffassung. Zwar ist im Individualverfahren der Musterklägerin umstritten, ob die in den Erweiterungsanträgen aufgeführten Unterlagen im Rahmen der dort gegenständlichen Anlageentscheidung überhaupt verwendet wurden. Ausreichend ist insoweit aber eine abstrakte Abhängigkeit. Anders im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nach § 8 KapMuG (hierzu BGH v. 30.4.2019, XI ZB 13/18) genügt es für eine Abhängigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG, dass eine Entscheidungserheblichkeit der weiteren Feststellungsziele für den Individualrechtsstreit wahrscheinlich (so Wieczorek/Schütze, ZPO, § 3 KapMuG Rn. 9) plausibel (KK-KapMuG, 2.Aufl., § 15 Rn. 14) bzw. möglicherweise (Gängel/ Huth/Ganselm Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, § 15 Rn. 8) gegeben ist. Dies ist vorliegend anzunehmen. Denn würde sich herausstellen, dass die von den Erweiterungsanträgen erfassten Unterlagen tatsächlich fehlerhaft, unvollständig und irreführend sind, müsste im Individualverfahren ggfs. nicht weiter aufgeklärt werden, ob diese Unterlagen überhaupt verwendet wurden, weil sie dann jedenfalls keine hinreichende Aufklärung enthalten würden. Dies genügt für eine Abhängigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG.
Hinsichtlich der übrigen beiden Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 KapMuG, gleicher Lebenssachverhalt und Sachdienlichkeit, bestehen keine Bedenken.
Auch im übrigen bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die (allgemeine) Zulässigkeit der Erweiterungsanträge. Soweit der 14. Senat in seinem Beschluss vom 20.10.2020 (Bl. 415 ff. d.A.) Zweifel im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit geäußert hat, sind diese durch die daraufhin vorgenommene Antragsumstellung nunmehr ausgeräumt.
Den vom Senat im Hinblick auf die Anlagen K 17 und K 18 geäußerten Zweifel (Verfügung vom 25.5.2021, Bl. 463 d.A.) hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Kapitalmarktinformation gem. § 1 KapMuG ist die Musterklägerin durch eine entsprechende Rücknahme des Antrages nachgekommen.
2. Die Musterbeklagten, Nebenintervenienten und Beigeladenen erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Erweiterungsbeschluss bis zum 30.9.2021.
–
Dr. Christensen | Tiemann | Dr.Witt |
Vizepräsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts |
Richter am Oberlandesgericht |
Richter am Oberlandesgericht |
Kommentar hinterlassen