Hanseatisches OberlandesgerichtAz.: 13 Kap 23/19 BeschlussIn der Sache Christoph Metzelder, Zur alten Exerzierhalle 1, 40476 Düsseldorf – Musterkläger –Prozessbevollmächtigte: gegen
– Musterbeklagte –
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– Musterbeklagte –Prozessbevollmächtigte zu 1 – 4: Nebenintervenientin zu 1: Prozessbevollmächtigte: beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht zur Verth und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 24.11.2021:
Gründe:I.Das vorliegende Musterverfahren bezieht sich auf den am 23.04.2009 veröffentlichten Anlageprospekt „HCI Exklusivprojekt Multipurpose Quartett“. Beworben wurde hier die Beteiligung von Anlegern an vier Kommanditgesellschaften (Erste – Vierte Bulktransport GmbH & Co. KG), die jeweils in den Neubau eines 4.500 tdw-Bulkers investieren sollten. Die Musterbeklagte zu 1 war Anbieterin, Prospektverantwortliche (vgl. S. 12 des Prospekts) und Emissionshaus und zudem seit Prospektveröffentlichung mit einem KG-Anteil von jeweils € 24.000,00 (Erhöhung auf € 49.000,00 bevorstehend) an den vier Einschiffsgesellschaften beteiligt. Die Musterbeklagten zu 2 und 3 sind Rechtsnachfolger / Abspaltungen der HCI Treuhand GmbH, die an jeder der vier Objektgesellschaften einen KG-Anteil von € 1.000,00 hielt (vgl. S. 79 ff. des Prospekts) und deren Kernaufgabe nach dem Prospekt die Verwaltung und Betreuung der beitretenden Anleger war; hierfür sollte sie eine jährliche Gebühr von 0,1 % netto des verwalteten Kapitals sowie einen Festbetrag von anfänglich € 46.000 netto p.a. beziehen. Insgesamt sollte die Vergütung für die Treuhandtätigkeit sowie für die Tätigkeit aufgrund eines Servicevertrags € 459.603 zzgl. USt betragen (vgl. S. 83 des Prospekts). Zudem sollte sie aus dem Verkauf der Schiffe einen Vorabgewinn in Höhe von 1 % erhalten. Die HCI Treuhand GmbH war darüber hinaus eine Schwestergesellschaft der Musterbeklagten zu 1 (vgl. S. 83 des Prospekts) und mit jeweils 50 % an der jeweiligen Komplementärin der Einschiffsgesellschaften beteiligt. Die Musterbeklagte zu 4 ist Rechtsnachfolgerin der HCI Capital AG, die an jeder der vier Einschiffsgesellschaften einen Kommanditanteil von € 12.500,00 hielt. Sie ist Konzernobergesellschaft und Mutter der Musterbeklagten zu 1, 2 und 3 sowie Platzierungsgarantin. Komplementärin und Geschäftsführerin aller vier Einschiffsgesellschaften war die MLB Beteiligungsgesellschaft mbH, deren Gesellschafter zu je 50 % die MarLink Schifffahrts GmbH & Co. KG sowie die HCI Treuhand GmbH waren. Auf Grundlage des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 29.07.2019, Az. 329 O 1/18, sind dem Senat folgende Feststellungsziele vorgelegt worden:
Mit Beschluss vom 30.11.2020 hat der Senat auf Antrag des Musterklägers das Musterverfahren um die folgenden Feststellungsziele erweitert:
II.1. Zu Ziff. II des Vorlagebeschlusses Die Feststellung ist nicht zu treffen. Eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung – hier gemäß § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung – verdrängt (BGH, Beschluss vom 08.06.2021, XI ZB 22/19 – juris Rn. 31). Die Musterbeklagte zu 1 ist Gründungsgesellschafterin und Prospektverantwortliche nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF, da sie im Prospekt auf S. 12 als Prospektverantwortliche genannt wird. Die Musterbeklagten zu 2 bis 4 sind verantwortlich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Davon sind die Personen und Unternehmen erfasst, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind; Veranlasser ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes ist unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (zum Vorstehenden insgesamt BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/18 – juris Rn. 24). Die Musterbeklagten zu 2 und 4 sind neben der Musterbeklagten zu 1 Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften, die Musterbeklagte zu 3 wiederum ist aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrages vom 11.04.2013 aus der Musterbeklagten zu 2 hervorgegangen. Ob die Stellung als Gründungsgesellschafter für sich genommen für die Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF schon genügt (so wohl BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021, XI ZB 22/19 – juris Rn. 31), kann offenbleiben. Im vorliegenden Verfahren kommen weitere erhebliche Aspekte hinzu, die eine Verantwortlichkeit der genannten Musterbeklagten für den Prospekt begründen: Die Musterbeklagte zu 2 fungierte für den Fonds nicht nur als Treuhandkommanditistin. Sie war gleichzeitig Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaften der Emittentinnen mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent (vgl. S. 86 des Prospekts) und Schwestergesellschaft der nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF Prospektverantwortlichen, der Musterbeklagten zu 1 (vgl. S. 83 des Prospekts). Hierbei handelt es sich um Umstände, die der BGH (aaO., Rn. 25) als wesentliches Kriterium für die Einstufung als Prospektveranlasser angesehen hat. Die Musterbeklagte zu 4 war Konzernobergesellschaft, Mutter der Musterbeklagten zu 1 und 2 und Platzierungsgarantin. Damit konnte sie sowohl aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung als auch aufgrund ihres erheblichen wirtschaftlichen Eigeninteresses Einfluss auf die Konzeption des hier streitgegenständlichen Anlagemodells nehmen. Damit ist auch in ihrem Fall von einer Prospektverantwortlichkeit auszugehen, so dass aufgrund des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ein Rückgriff auf die Prospekthaftung im weiteren Sinne gesperrt ist. 2. Zu Ziff. I des Vorlagebeschlusses sowie den mit Erweiterungsbeschluss vom 30.11.2020 zugelassenen Feststellungszielen Diese Feststellungsziele sind gegenstandslos. Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/18 – juris Rn. 30). Der Vorlagebeschluss und die in dem Erweiterungsbeschluss zugelassenen Feststellungsziele sind dahin auszulegen, dass Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen. So heißt es in dem Schriftsatz des Musterklägers vom 18.05.2021, mit dem dieser zu der Entscheidung des BGH vom 19.01.2021, XI ZB 35/18, Stellung nimmt: „Entgegen der Ansicht des XI. Zivilsenats des BGH wird die Haftung der MB zu 1-4 nicht durch die spezialgesetzlich geregelte Prospekthaftung aus § 13 VerkPG, §§ 44 ff. BörsG a.F. verdrängt. Die Vorschrift des § 47 Abs. 2 BörsG 8…) bestimmte ausdrücklich, dass weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts aufgrund von Verträgen erhoben werden können, unberührt bleiben. Die Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB ist aus einem individuellen vorvertraglichen Verhältnis abgeleitet und wird deshalb (auch hinsichtlich der Verjährung dieser Ansprüche) von der Haftungsregelung der §§ 13 VerkPG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG nicht verdrängt (…). Dies entspricht der von der Literatur einhellig geteilten, gefestigten Rechtsprechung des BGH.“ Diese Ausführungen zeigen deutlich, dass der Musterkläger selbst davon ausgeht, dass die gerügten Prospektfehler Grundlage einer Haftung ausschließlich nach Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB sein sollten. Eine solche Haftung der Musterbeklagten ist aber – wie dargestellt – aus Rechtsgründen nicht gegeben, sodass es auf Feststellungen zu Prospektfehlern sowie zu weiteren Einzelfragen der Haftung und des Schadens nicht ankommt. II.Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 16 Abs. 2 KapMuG).
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