Beschluss
In der Sache
Der vom Hanseatischen Oberlandesgericht nach § 2 KapMuG zu bestimmende Musterkläger
– Antragsteller –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte von Ferber, Langer, Neuer Wall 61, 20354 Hamburg, Gz.: Z-201/17-OR
gegen
1) |
HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, gesetzlich vertreten durch ihre persönliche haftende Gesellschafterin, die HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch ihre Geschäftsführerin Christine Beckmann, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
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2) |
HCI Treuhand GmbH & Co. KG, gesetzlich vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die Verwaltung HCI Treuhand GmbH, Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen, diese vertreten durch den Geschäftsführer Kai Dührkop, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
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3) |
HCI Treuhand Service GmbH & Co. KG, gesetzlich vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die Verwaltung HCI Treuhand SERVICE GmbH, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg, diese vertreten durch ihren Geschäftsführer: Kai Dührkop, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
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Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte Baumann Disputes, Alsterarkaden 12, 20354 Hamburg, Gz.: 26-17/AB/ts
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beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 22 – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Oechsle, den Richter am Landgericht Dr. Fortmann und den Richter am Landgericht Hirth am 17.05.2019:
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I.
Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheides folgende Feststellungsziele vorgelegt:
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt zum „HCI Shipping Select XIV“ vom 14. September 2005 mit dem Beteiligungsangebot an den vier Einschiffsgesellschaften:
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MS „Käthe P“ Stefan Patjens GmbH & Co. KG |
• |
MS „JPO GEMINI“ Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG |
• |
MS „Tim-S.“ GmbH & Co. KG |
• |
MS „Maren S“ H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG |
(im Folgenden „HCI Shipping Select XIV“ genannt) in den nachfolgend genannten Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend ist:
1.
Der Prospekt ist unrichtig, weil er das Marktumfeld und die damit verbundenen Chancen und Risiken unzutreffend darstellt,
a)
in Bezug auf das damals vorherrschende Verhältnis von Tonnageangebot und -nachfrage sowie
b)
im Hinblick auf die erhebliche Volatilität der Schifffahrtsmärkte und der daraus resultierenden Risiken.
2.
Der Prospekt ist fehlerhaft, weil die in ihm enthaltene Prognoserechnung auf unvertretbaren Annahmen beruht,
a) |
die Charterraten betreffend, |
b) |
die Schiffsbetriebskosten betreffend und auch |
c) |
im Hinblick auf die angenommene Verschrottungsquote. |
3.
Der Prospekt ist ferner fehlerhaft, weil er nicht vollständig bzw. irreführend über den Anfall erheblicher Zwischengewinne der Initiatoren aufklärt.
4.
Der Prospekt ist zudem fehlerhaft, weil er über erhebliche Risiken und Nachteile der Kapitalanlage überhaupt nicht bzw. nur unzureichend aufklärt, indem er
a)
darüber nicht aufklärt, dass die Schifffahrtsgesellschaft im Falle der Insolvenz des Charterers für dessen Verbindlichkeiten haftet,
b)
über das Risiko nicht aufklärt, welches sich aus der Untervercharterung der Fondsschiffe ergeben kann,
c)
über die Nachteile nicht aufklärt, die sich aus der langfristigen Vercharterung der Schiffe ergeben können,
d)
über das Risiko nicht aufklärt, das sich aus dem nachteiligen Kaskadeneffekt im Containerschifffahrtsmarkt ergeben kann,
e)
darüber nicht aufklärt, dass der im Prospekt genannte Wettbewerbsvorteil von Panamax-Schiffen nur zeitlich begrenzt war,
f)
über diejenigen steuerlichen Risiken nicht aufklärt, die mit einer Ausflaggung des Schiffe verbunden sein können,
g)
über Risiken nicht aufklärt, die mit der Platzierungsgarantie verbunden sind und
h)
nicht über Risiken aufklärt, die sich bei einer Rückabwicklung im Falle des Fehlschlagens der Platzierung ergeben können.
5.
Der Prospekt ist falsch, da die Liquiditätsvorschau Unstimmigkeiten aufweist, wie sie näher beschrieben sind in der Antragsbegründung zum Musterverfahrensantrag zum Aktenzeichen 322 O 180/17 auf Seite 31 (gleich Blatt 32 der Akte 322 OH 5/17)
6.
Der Prospekt ist ferner falsch, weil er nur unzureichend über die Kommanditistenhaftung der Anleger aufklärt.
7.
Der Prospekt ist fehlerhaft, da er in der Gesamtschau seiner Angaben einen unzutreffenden Gesamteindruck von der angebotenen Vermögensanlage vermittelt.
8.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten/Antragsgegner für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Emissionsprospekts im Wege der Prospekthaftung im weiteren Sinne verantwortlich sind und dass diese Haftung nicht voraussetzt, dass die Beklagten/Antragsgegner mit den Anlageinteressenten bei der Vertragsanbahnung in sozialen Kontakt getreten sind oder ihnen auch nur namentlich bekannt gewesen sein müssen.
9.
Es wird festgestellt, dass zu vermuten ist, dass die unter den Ziffern 1 bis 7 gerügten Prospektfehler kausal für die Beitrittsentscheidung der jeweiligen Anleger waren, unabhängig davon, ob diesen der streitgegenständliche Prospekt zu spät oder gar nicht übergeben worden ist.
II.
Im Übrigen werden die auf Herbeiführung eines Musterentscheides gerichteten Anträge zurückgewiesen.
III.
Der Inhalt des Vorlagebeschlusses ist gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.
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Gründe:
–
I.
Die Antragsteller der diesem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Musterverfahrensanträge nehmen die Antragsgegner auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch.
Das vorliegende Verfahren enthält kraft Verbindung aller Vorlageverfahren die KapMuG-Anträge zu folgenden fünf Ausgangsverfahren:
? | 322 O 180/17 (KapMuG-Antrag 322 OH 5/17), |
? | 322 O 181/17 (KapMuG-Antrag 322 OH 6/17), |
? | 322 O 182/17 (KapMuG-Antrag 322 OH 7/17), |
? | 322 O 183/17 (KapMuG-Antrag 322 OH 8/17), |
? | 322 O 185/17 (KapMuG-Antrag 322 OH 9/17). |
Das Verfahren 322 O 185/17 wird von 48 Klägern und die übrigen Verfahren von je einem Kläger betrieben.
Die Antragsteller haben sich durch Beitritte in den Jahren 2005 bzw. 2006 als mittelbare Kommanditisten an den vier Einschiffsgesellschaften des Fonds HCI Shipping Select XIV beteiligt:
? | MS „Käthe P“ Stefan Patjens GmbH & Co. KG |
? | MS „JPO GEMINI“ Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG |
? | MS „Tim-S.“ GmbH & Co. KG |
? | MS „Maren S“ H+H Schepers Reederei GmbH & Co. KG |
Die Antragsgegner zu 1 und 2 waren Gründungsgesellschafter. Zudem war die Antragsgegnerin zu 2 Treuhandkommanditistin. Die Antragsgegnerin zu 1 hat die Beteiligung zudem konzipiert. Ob dies auch die Antragsgegnerin zu 2 getan hat, ist streitig. Die Antragsgegnerin zu 3 entstand aus der Antragsgegnerin zu 2 durch Abspaltung des Teilbetriebs “Asset Management und Treuhandservice“.
Für den Fonds wurde der als Anlage K1 zum Verfahren 322 O 180/17 eingereichte Prospekt herausgegeben.
Die Antragsteller machen geltend, sie hätten die Beteiligungen auf der Grundlage des Prospektes gezeichnet. Der Prospekt enthalte die in den Feststellungszielen genannten Fehler.
Die Antragsteller haben jeweils einen Musterverfahrensantrag mit folgenden Feststellungszielen gestellt:
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt zum „HCI Shipping Select XIV“ vom 14. September 2005 mit dem Beteiligungsangebot an den vier Einschiffsgesellschaften:
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(im Folgenden „HCI Shipping Select XIV“ genannt) in den nachfolgend genannten, entscheidungserheblichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend ist:
1.
Der Prospekt ist unrichtig, weil er das Marktumfeld und die damit verbundenen Chancen und Risiken unzutreffend darstellt, insbesondere
a)
in Bezug auf das damals vorherrschende Verhältnis von Tonnageangebot und -nachfrage sowie
b)
im Hinblick auf die erhebliche Volatilität der Schifffahrtsmärkte und der daraus resultierenden Risiken.
2.
Der Prospekt ist fehlerhaft, weil die in ihm enthaltene Prognoserechnung auf unvertretbaren Annahmen beruht, insbesondere
a) |
die Charterraten betreffend, |
b) |
die Schiffsbetriebskosten betreffend und auch |
c) |
im Hinblick auf die angenommene Verschrottungsquote. |
3.
Der Prospekt ist ferner fehlerhaft, weil er nicht vollständig bzw. irreführend über den Anfall erheblicher Zwischengewinne der Initiatoren aufklärt.
4. Der Prospekt ist zudem fehlerhaft, weil er über erhebliche Risiken und Nachteile der Kapitalanlage überhaupt nicht bzw. nur unzureichend aufklärt, insbesondere
a)
darüber nicht aufklärt, dass die Schifffahrtsgesellschaft im Falle der Insolvenz des Charterers für dessen Verbindlichkeiten haftet,
b)
über das Risiko nicht aufklärt, welches sich aus der Untervercharterung der Fondsschiffe ergeben kann,
c)
über die Nachteile nicht aufklärt, die sich aus der langfristigen Vercharterung der Schiffe ergeben können,
d)
über das Risiko nicht aufklärt, das sich aus dem nachteiligen Kaskadeneffekt im Containerschifffahrtsmarkt ergeben kann,
e)
darüber nicht aufklärt, dass der im Prospekt genannte Wettbewerbsvorteil von Panamax-Schiffen nur zeitlich begrenzt war,
f)
über diejenigen steuerlichen Risiken nicht aufklärt, die mit einer Ausflaggung des Schiffe verbunden sein können,
g)
über Risiken nicht aufklärt, die mit der Platzierungsgarantie verbunden sind und
h) nicht über Risiken aufklärt, die sich bei einer Rückabwicklung im Falle des Fehlschlagens der Platzierung ergeben können.
5.
Der Prospekt ist falsch, da die Liquiditätsvorschau Unstimmigkeiten aufweist.
6.
Der Prospekt ist ferner falsch, weil er nur unzureichend Aufklärung über die Kommanditistenhaftung der Anleger aufklärt.
7.
Der Prospekt ist fehlerhaft, da er in der Gesamtschau seiner Angaben einen unzutreffenden Gesamteindruck von der angebotenen Vermögensanlage vermittelt.
8.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten/Antragsgegner für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Emissionsprospekts im Wege der Prospekthaftung im weiteren Sinne verantwortlich sind und dass diese Haftung nicht voraussetzt, dass die Beklagten/Antragsgegner mit den Anlageinteressenten bei der Vertragsanbahnung in sozialen Kontakt getreten sind oder ihnen auch nur namentlich bekannt gewesen sein müssen.
9.
Es wird festgestellt, dass zu vermuten ist, dass die unter den Ziffern 1 bis 8 gerügten Prospektfehler kausal für die Beitrittsentscheidung der jeweiligen Anleger waren, unabhängig davon, ob diesen der streitgegenständliche Prospekt zu spät oder gar nicht übergeben worden ist.
Die Antragsgegner beantragen,
die Musterverfahrensanträge als unzulässig zu verwerfen. |
In den Ausgangsverfahren ist die Prospektprüferin RTC Revision Treuhand Consulting GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH nach Streitverkündung durch die dortigen Beklagten diesen jeweils beigetreten. (Dass die Nebenintervenienten der Ausgangsverfahren nicht am Vorlageverfahren beteiligt sind, ergibt sich aus BGH, Beschl. v. 19.09.2017 – XI ZB 13/14 – wonach Streitverkündung und Beitritt nur im Hauptverfahren in Betracht kommen.)
Die Antragsgegner machen geltend, die Musterverfahrensanträge seien unzulässig. Die Antragsgegner zu 2 und 3 seien schon nicht passivlegitimiert, weil die Stellung als Gründungsgesellschafters dafür nicht ausreiche und weil die Abspaltung nicht den Streitgegenstand erfasse. Zudem seien die Ansprüche der Antragsteller verjährt und fehle es an der Kausalität.
II.
Zu Ziffer I des Tenors:
Die Musterverfahrensanträge sind dem HansOLG mit dem aus dem Tenor zu I. ersichtlichen Inhalt vorzulegen.
a.) Das Landgericht Hamburg ist für die Fassung des Vorlagebeschlusses gemäß § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig. Ausweislich des Klageregisters sind bis zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses keine den streitgegenständlichen Fonds betreffenden Musterverfahrensanträge bekannt gemacht worden.
b.) Es liegt eine ausreichende Zahl von Musterfeststellungsanträgen vor. In § 6 Abs. 5 KapMuG ist eine Mindestzahl von 10 Musterfeststellungsanträgen geregelt. Sie wird hier erreicht, da schon allein der Musterverfahrensantrag zum Ausgangsverfahren 322 O 185/17 48 Antragsteller aufweist. Unerheblich ist, dass diese 48 Anträge im Rahmen eines einzigen Ausgangsverfahrens gestellt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 21.04.2008, II ZB 6/07). § 6 Abs. 1 und 5 KapMuG enthalten keine Einschränkung dahin, dass die Musterverfahrensanträge in verschiedenen Ausgangsrechtsstreiten gestellt worden sein müssen.
c.) Die Anträge sind im Rahmen eines Prozesses gestellt worden, der in den durch § 1 KapMuG geregelten Anwendungsbereich des KapMuG fällt. Es werden von den Antragstellern insbesondere Schadensersatzansprüche wegen Verwendung (ihrer Auffassung nach) falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG den Anwendungsbereich des KapMuG eröffnen. Bei den Angaben im Emissionsprospekt handelt es sich um öffentliche Kapitalmarktinformationen im Sinne der genannten Vorschrift in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 KapMuG. Aus dem Vorbringen der Antragsteller, wonach die Beteiligungen auf der Grundlage des über die Anlage herausgegebenen Emissionsprospektes gezeichnet worden sind, ergibt sich die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG zur Voraussetzung gemachte „Verwendung“ der Kapitalmarktinformation. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Musterfeststellungsantrag zulässig ist, hat das Gericht nicht – etwa durch Anhörung der Parteien – eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Aufklärung vorzunehmen, in welcher konkreten Weise der Inhalt des Prospektes und speziell die im Rahmen des Musterfeststellungsantrages beanstandeten Teile dieses Prospektes vom Anleger zu Kenntnis genommen wurden bzw. Eingang in ein etwaiges Beratungsgespräch gefunden haben. Dies liefe dem Zweck des Musterfeststellungsverfahrens zuwider, das dazu dient, vorab eine Klärung zu einzelnen anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzungen oder Rechtsfragen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG) herbeizuführen.
d.) Die Musterverfahrensanträge – soweit ihnen stattgegeben wurde – sind bezogen auf die aus dem Tenor ersichtlichen Feststellungsziele nicht nach § 3 Abs. 1 KapMuG zu verwerfen. Die Antragsteller haben insoweit in dem nach § 2 Abs. 1 KapMuG gebotenen Umfang die zur Begründung des Musterfeststellungsantrages dienenden Tatsachen und Beweise angegeben.
(1) Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Klärung der Punkte ab, die sich aus den im Tenor bezeichneten Feststellungszielen ergeben, so dass die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG erfüllt ist. Der Rechtsstreit ist nicht bereits insgesamt oder hinsichtlich einzelner Antragsteller entscheidungsreif, wobei Entscheidungsreife dann besteht, wenn der Tatsachenstoff des Klagverfahrens hinreichend geklärt ist und die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von einer Rechtsfrage abhängt, die in dem Musterfeststellungsantrag als zulässiges Feststellungsziel genannt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10.06.2008, XI ZB 26/07 Rn 19).
(a) Die Klagen können nicht bereits jetzt abgewiesen werden, weil die Antragsgegner nicht passivlegitimiert sind. Auf die Klärung der Frage der Passivlegitimation zielt das Feststellungsziel 8 ab. Nach Auffassung der Kammer haften die Antragsgegner zu 1 und zu 2 im Übrigen als Gründungsgesellschafter für Prospektmängel (vgl. BGH, Urteil v. 01.03.2011 – II ZR 16/10, juris-Rn. 7) und die Antragsgegnerin zu 3 haftet aufgrund Abspaltung gemäß § 133 UmwG als Gesamtschuldnerin neben der Antragsgegnerin zu 2. Dem steht nicht entgegen, dass nur ein Teilbetrieb abgespalten wurde, denn dass die vor Abspaltung bereits begründete Haftung als Gründungsgesellschafter nicht auch dem abgespaltenen Teilbetrieb mit zuzurechnen ist, hat die Beklagte zu 3 nicht dargelegt. Dargelegt ist insoweit nur eine Nichtzugehörigkeit des Treuhandvertrags zum Teilbetrieb. Die Haftung des Gründers ist jedoch von derjenigen des Treuhänders zu unterscheiden.
(b) Von einer Entscheidungsreife ist auch nicht aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede auszugehen.
Nach dem jetzigen Stand geht die Kammer davon aus, dass eine Verjährung nicht eingetreten ist, obwohl die Klagen aus den in den Jahren 2005 bzw. 2006 erfolgten Beitritten erst im Jahre 2017 eingereicht wurden.
Eine kenntnisabhängige Verjährung kann nicht mit der Begründung angenommen werden, dass die gerügten Prospektfehler bereits aus dem Prospekt zu ersehen gewesen seien. Aus dem Prospekt zu ersehen war sein Inhalt. Dass dieser Inhalt mit Fehlern behaftet war, ergab sich aus dem Prospekt nicht.
Unter Berücksichtigung des eingeleiteten Schlichtungsverfahrens geht die Kammer auch nicht ohne weiteres davon aus, dass die kenntnisabhängige Verjährungsfrist abgelaufen ist. Es ist davon auszugehen, dass diese Frist durch das Schlichtungsverfahren gehemmt worden ist.
Ein diesbezüglicher Rechtsmissbrauch ist nicht gegeben, denn dass die Antragsgegner eine Mitwirkung an Schlichtungsverfahren bei anderen Prospekten unterließen, ließ aus damaliger Sicht keinen zwingenden Rückschluss auf das Verhalten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Prospekt zu.
Der Schlichtungsantrag (Anlage K7 im Ausgangsverfahren 322 O 180/17) war jedenfalls bezüglich des Zahlungsantrags hinreichend individualisiert. Er enthielt die Namen der Antragsteller und Antragsgegner, die Bezeichnung des Fonds, das konkrete Zahlungsbegehren des jeweiligen Antragstellers, die konkrete Beteiligungshöhe des jeweiligen Antragstellers und das konkrete Zeichnungsdatum des jeweiligen Antragstellers.
Der Zeitpunkt des Beratungsgesprächs musste nicht angegeben werden, weil die Antragsteller aus einem derartigen Gespräch vorliegend keine Rechte herleiten (vergleiche BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14 – juris-Rn. 26). Da hier die Individualisierung bereits in der Antragsschrift ausreichend erfolgt ist, war die Beifügung weiterer Unterlagen nicht erforderlich. Daher kommt es nicht darauf an, dass Unterlagen, die dem Vergütungsantrag nicht beigefügt sind, zur Individualisierung nicht herangezogen werden können.
Dass der Schlichtungsantrag den Streitgegenstand für eine Hemmung ausreichend individualisierte, sah im Übrigen grundsätzlich auch die von den Antragsgegnern in Bezug genommene Zivilkammer 1 in den Fällen von Shipping Select XV so, da es in den diesbezüglichen Urteilen vom 28.02.2019 (zum Beispiel 301 O 138/17; vgl. die vorherige Ablehnung des KapMuG-Antrags gem. Schriftsatz vom 19.01.2018) heißt, dass die Ausführungen im Schlichtungsantrag zum Zahlungsantrag grundsätzlich ausreichen. Der Ansicht der Zivilkammer 1, dass diese Ausführungen durch die Ausführungen im Schlichtungsantrag zum Feststellungsantrag wieder beseitigt werden, wird hier nicht gefolgt. Ob der Schlichtungsantrag auch bezüglich der übrigen Klagebegehren hinreichend individualisiert war (dagegen die Zivilkammer 1; vgl. aber BGH III ZR 170/14, juris, Orientierungssatz 1), kann dahinstehen, weil es für einen Vorlagebeschluss ausreicht, dass die Feststellungsziele nur für einen der Klaganträge erheblich sind.
(c) Es steht nicht bereits jetzt fest, dass eventuelle Prospektfehler für die Beitritte nicht kausal waren. Die Kausalität wird bei Prospektfehlern vermutet. Auf die Klärung, inwieweit die Anwendung der Kausalitätsvermutung von einer überhaupt bzw. rechtzeitig erfolgten Übergabe des Emissionsprospektes abhängt, zielt die Vorlagefrage 9 ab.
Die Kausalitätsvermutung ist nicht bereits jetzt dadurch widerlegt, dass die Antragsteller sich an dem Fonds beteiligt haben, obwohl der Prospekt Risikohinweise enthielt. Dass die Antragsteller bereit waren, einzelne im Prospekt genannte Risiken bewusst einzugehen, bedeutet nicht, dass sie auch ihnen nicht bekannte Risiken, über die im Prospekt hätte aufgeklärt werden müssen (was an dieser Stelle zu unterstellen ist), einzugehen bereit waren.
Die Vermutung ist auch nicht dadurch widerlegt, dass/soweit sich einzelne Antragsteller sowohl vor als auch nach der streitgegenständlichen Kapitalanlage an weiteren Schiffsfonds beteiligt haben. Erstens können andere Schiffsfonds andere Risiken haben. Und zweitens ist von den Antragsgegnern nicht vorgetragen, aus welchen Umständen der anderen Kapitalanlagen die Antragsteller bei der vorliegenden Kapitalanlage hätten erkennen müssen, dass der vorliegende Prospekt falsch war.
(2) Die angegebenen Beweismittel sind zum Beweis der geltend gemachten Feststellungsziele geeignet (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG). Auch insoweit dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Hinsichtlich der aufgeführten Feststellungsziele enthalten die Anträge in ihrer Begründung ausreichende Angaben zu den maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen, außerdem werden die Beweismittel bezeichnet, derer sich die Antragsteller zum Nachweis ihrer Behauptungen bedienen wollen. Durch die Vorlage des Emissionsprospektes ist auch zweifelsfrei klar, auf welche Kapitalmarktinformation sich die Antragsteller beziehen. Soweit es sich um unstreitige Tatsachen handelt, ist ein Beweisantritt nicht erforderlich.
(3) Es ist auch eine Bedeutung für andere Rechtsstreitigkeiten gegeben. Allein bei der Kammer sind KapMuG-Anträge gestellt worden, bei denen es um die hier vorgelegten Feststellungsziele geht. Bei der Kammer ist neben den Ausgangsverfahren auch noch das Verfahren 322 O 299/16 anhängig, welches die streitgegenständliche Beteiligung und die zum Gegenstand der Vorlage gemachten Feststellungsziele betrifft.
(4) Der Vorlage zur Herbeiführung eines Musterentscheides über das unter Ziffer 9 genannte Feststellungsziel steht nicht entgegen, dass es bereits zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen gibt, die sich mit der Frage befassen, ob sich ein Anleger auf die Vermutung berufen kann, dass ein Prospektfehler für seine Anlageentscheidung kausal gewesen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.03.2010, II ZR 203/08, Rn. 22). Zu klären ist, ob diese Kausalitätsvermutung hinsichtlich der hier konkret geltend gemachten Prospektfehler eingreift. Das formulierte Feststellungsziel ist nicht auf die Beurteilung individueller Fragen der Kausalität bzw. eine verbindliche Feststellung der Kausalität im Verhältnis zwischen den einzelnen Klägern und den Beklagten ausgerichtet, was im Rahmen des Musterfeststellungsverfahrens – wie erwähnt – nicht in Betracht kommt (vgl. den zitierten Beschluss des BGH vom 10.06.2008, XI ZB 26/07, Rn. 15).
(5) Anhaltspunkte für die Absicht einer Prozessverschleppung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG) ergeben sich nicht. Dass es durch Musterfeststellungsanträge zu einer Verzögerung einzelner Verfahren kommt, ist systemimmanent.
Zu Ziffer II des Tenors
Soweit den Anträgen der Antragsteller nicht stattgegeben wurde, waren die Anträge zurückzuweisen.
Vor Feststellungsziel 1:
Das Wort „entscheidungserheblichen“ war zu streichen, da jenes ein Element der Entscheidungsgründe ist.
Zum Feststellungsziel 1:
Das Wort „insbesondere“ war zu streichen, da nur konkrete Prospektfehler vorgelegt werden können (vergleiche BGH, Beschluss vom 09.01.2018 – II ZB 14/16 – juris).
Zum Feststellungsziel 2:
Es gilt Entsprechendes wie vorstehend zum Feststellungsziel 1.
Zum Feststellungsziel 4, vor a:
Es gilt Entsprechendes wie vorstehend zum Feststellungsziel 1; das Wort „insbesondere“ war deshalb zu ersetzen durch die Worte „indem er“.
Zum Feststellungsziel 5:
Der diesbezügliche Antrag war von seinem Wortlaut her („Unstimmigkeiten“ der Liquiditätsvorschau) unspezifiziert, war aber durch die Antragsbegründung auslegbar, welche deshalb im tenorierten Feststellungsziel in Bezug zu nehmen war.
Zum Feststellungsziel 6:
Das überflüssige Wort „Aufklärung“ war zu streichen.
Zum Feststellungsziel 9:
Soweit der Antrag für die Prospektfehler auf die Feststellungsziele 1–8 Bezug nahm, geht er insoweit zu weit, als das Feststellungsziel 8 keinen Prospektfehler, sondern eine aus Prospektfehlern resultierende Haftung betraf, weshalb im Tenor zu Ziel 9 nur Prospektfehler gemäß den Zielen 1–7 in Bezug genommen werden.
Zu Ziffer III des Tenors
Der Inhalt des Vorlagebeschlusses ist gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.
Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es für den Vorlagebeschluss nicht. Erst vor dem Oberlandesgericht ist eine solche durchzuführen (§ 16 Abs. 1 KapMuG im Vergleich zu § 6 Abs. 1 KapMuG).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.
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Oechsle | Dr. Fortmann | Hirth |
Vorsitzende Richterin am Landgericht |
Richter am Landgericht |
Richter am Landgericht |
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