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„Hier geht es um die Grenzen der Kundenwerbung“ – Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek

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Redaktion: Herr Blazek, der Bundesgerichtshof (BGH) wird im März über die Frage entscheiden, ob die Werbung mit PAYBACK-Punkten beim Kauf von Hörgeräten gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstößt. Können Sie uns erklären, worum es in diesem Fall geht?

Daniel Blazek: Sehr gerne. Der Fall dreht sich um die Frage, ob die Gutschrift von PAYBACK-Punkten – also geldwerte Vorteile – beim Kauf von Medizinprodukten wie Hörgeräten zulässig ist. Das Heilmittelwerbegesetz soll sicherstellen, dass Werbung im Gesundheitsbereich keine unzulässigen Anreize setzt, die die Kaufentscheidung der Verbraucher unangemessen beeinflussen könnten. Die zentrale Frage ist also: Wie weit darf Kundenbindung durch Bonussysteme gehen, ohne dass es gegen das Gesetz verstößt?


Redaktion: Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, argumentiert, dass die Werbung mit PAYBACK-Punkten gegen das Verbot von Werbegaben im HWG verstößt. Was steckt hinter diesem Verbot?

Daniel Blazek: Das HWG untersagt grundsätzlich Zuwendungen oder Werbegaben im Zusammenhang mit dem Kauf von Arzneimitteln oder Medizinprodukten, um Fehlanreize zu verhindern. Der Gesetzgeber möchte damit sicherstellen, dass die Wahl eines bestimmten Produkts allein auf medizinischen oder sachlichen Gründen basiert – und nicht auf finanziellen Vorteilen wie Bonuspunkten oder Geschenken. Allerdings gibt es Ausnahmen, etwa wenn es sich um geringwertige Kleinigkeiten handelt. Genau hier setzt die Diskussion an: Ab welchem Wert ist ein Vorteil noch geringfügig?


Redaktion: Das Berufungsgericht hat eine Wertgrenze von 5 Euro für PAYBACK-Punkte bei Medizinprodukten wie Hörgeräten gezogen. Warum wurde diese Grenze gewählt?

Daniel Blazek: Das Gericht hat argumentiert, dass es bei Medizinprodukten keine starre 1-Euro-Grenze geben sollte, wie sie für preisgebundene Arzneimittel gilt. Stattdessen hat es eine höhere Wertgrenze von 5 Euro als angemessen angesehen, weil Medizinprodukte – wie Hörgeräte – eben nicht preisgebunden sind. Dennoch wollte das Gericht einen Rahmen setzen, um sicherzustellen, dass die Werbegaben nicht übermäßig werden und weiterhin im Bereich „geringwertiger Kleinigkeiten“ bleiben.


Redaktion: Beide Parteien haben Revision eingelegt. Was erwarten Sie von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs?

Daniel Blazek: Der BGH wird vermutlich klären, ob überhaupt und in welchem Umfang Bonussysteme wie PAYBACK im Medizinproduktebereich zulässig sind. Dabei wird es insbesondere darum gehen, ob die 5-Euro-Grenze Bestand hat oder ob eine striktere Grenze, etwa die von 1 Euro, auch hier gelten sollte. Zudem könnte der BGH grundlegende Aussagen dazu treffen, wie das HWG im Kontext moderner Kundenbindungsprogramme auszulegen ist.


Redaktion: Was bedeutet dieser Fall für Verbraucher und Unternehmen?

Daniel Blazek: Für Verbraucher geht es vor allem um Transparenz und Schutz vor möglichen Fehlanreizen. Sie sollen sicher sein können, dass medizinische Produkte wie Hörgeräte aus sachlichen und nicht aus finanziellen Gründen empfohlen werden. Für Unternehmen, die Medizinprodukte verkaufen, ist der Fall ebenfalls wegweisend. Er zeigt die Grenzen von Werbestrategien auf und könnte rechtliche Klarheit schaffen, wie weit sie mit Bonussystemen wie PAYBACK gehen dürfen.


Redaktion: Was sollten betroffene Unternehmen und Verbraucher tun, bis der BGH seine Entscheidung trifft?

Daniel Blazek: Unternehmen sollten ihre Werbemaßnahmen im Bereich Medizinprodukte genau prüfen und sich – wenn sie unsicher sind – rechtlich beraten lassen. Bis zur Entscheidung des BGH empfiehlt es sich, vorsichtiger zu agieren und Werbegaben eher zurückhaltend zu gestalten. Verbraucher hingegen sollten sich bewusst sein, dass solche Boni nicht zwingend ein gutes Angebot garantieren. Sie sollten sich immer auch nach der Qualität und den individuellen Bedürfnissen richten, wenn sie etwa ein Hörgerät auswählen.


Redaktion: Vielen Dank, Herr Blazek, für die verständliche Einordnung dieses komplexen Falls!

Daniel Blazek: Sehr gerne. Ich bin gespannt, wie der BGH diesen Fall lösen wird – die Entscheidung dürfte eine große Bedeutung für die Praxis haben.

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