Der Zustand der Kärntner Hypo Group Alpe Adria vor ihrem Verkauf bzw. der Wissensstand darüber ist eine der Kernfragen in diversen Ermittlungen, U-Ausschüssen – und vor allem in der Beziehung Österreich-Bayern.
Denn die BayernLB (unterschrieb den Kaufvertrag mit den Kärntnern im Mai 2007) beruft sich auf mangelhafte Information durch die Verkäufer und droht Österreich Schadenersatzklagen an. Dokumente, die den unglücklichen Zustand der Landesbank beleuchten, gibt es jedenfalls genug – unter anderem den „Management Letter“ anlässlich der Prüfung des Jahresabschlusses der Bank, den Deloitte am 11. Mai 2007 erstellt und zehn Tage später ergänzt hat. Der 19-seitige Bericht an Vorstand und Aufsichtsrat war auch den Bayern bekannt. Untersucht haben die Wirtschaftsprüfer auch das Treasury, das ja 2004 riesige Spekulationsverluste eingefahren hatte, aus denen die Verurteilung von Bankchef Wolfgang Kulterer und anderen wegen Bilanzfälschung resultierte. Die Organisation passte auch 2006 nicht, man beherrschte die Datenflut nicht: „Aufgrund der begrenzten Mitarbeiterkapazitäten besteht ein nicht unerhebliches (…) Risiko hinsichtlich der ordnungsgemäßen Wartung bzw. Kontrolle der Daten“, kritisierten die Prüfer. Ihr Rat: „Trennung der Verantwortlichkeiten und Implementierung von Kontrollen von unabhängige Stellen“.
Kritisiert wurden auch falsche Zuordnungen von Finanzinstrumenten ins Bank- bzw. Handelsbuch der Hypo Alpe Adria – alles zusammen hat Auswirkungen auf die Risikodarstellung und somit die Bilanzwahrheit. Ganz besonders viele und haarige Kritikpunkte taten die Prüfer im Kreditgeschäft auf, das ja Ende 2009 fast zum Absturz der heute verstaatlichten Bank führen sollte. Sie untersuchten ein Kreditvolumen von 2,21 Mrd. Euro, was Ende 2006 rund einem Drittel des Gesamtobligos der Bank entsprach. Die festgestellten „organisatorischen Schwächen“ waren freilich nichts Neues, sie stimmen „weitgehend“ mit den Kritikpunkten „der Vorjahre überein“.
Auszug aus der Mängelliste: „Die Kreditanträge waren teilweise fehlerhaft und unvollständig. Dies zeigt sich (…) in unplausiblen Informationen in Kreditanträgen wie irreführenden Angaben (…) und teilweise unkritische Übernahme von wirtschaftlichen Plandaten des Kreditnehmers.“ Die Prüfer stellten fest, „dass die Anträge teilweise nicht ordnungsgemäß und kompetenzgerecht genehmigt und die Ratingklasse nicht immer gemäß Kredithandbuch ermittelt wurde“. Schnee von gestern, konterte das Management: Das betreffe „einige Anträge älteren Datums“, es handle sich um „absolute Einzelfälle“.
Auch mit den Sicherheiten, vor allem Hypotheken bei den Immo-Finanzierungen, haperte es: Die Bank beschäftigte meist dieselben Sachverständigen zur Bewertung, aber deren „Bewertungsmethoden“ schienen den Prüfern „nicht einheitlich und konsistent“ zu sein. Oft waren die im Antrag erwähnten Sicherheiten „real nicht vorhanden“, oft „nicht ordnungsgemäß bewertet“, zudem fehlte der „aktuelle Nachweis zur Bewertung“. Als Exempel für die Kritik führte Deloitte kroatische Geschäfte an – Fälle, die nun von der Strafjustiz untersucht werden.
Probleme auch bei der Kreditüberwachung, bei der die „wirtschaftliche Entwicklung nicht immer ausreichend verfolgt und hinterfragt“ wurde. Manchmal konnten die Kärntner Banker freilich gar nichts hinterfragen oder überwachen, denn: „Die Beurteilung des Kreditengagements war wegen fehlender Planungsrechnungen, Dokumentation, Rating oder ungeklärten Eigentumsverhältnissen de facto nicht möglich.“
Quelle: Standard
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