In einer weiteren beispiellosen Aktion der zunehmenden Unterdrückung politischer Freiheiten hat Hongkong mehr als 40 prominente Demokratie-Aktivisten zu Haftstrafen von bis zu 10 Jahren verurteilt. Der Prozess, der als der größte Schlag gegen die Demokratiebewegung der Stadt seit Einführung des umstrittenen nationalen Sicherheitsgesetzes gilt, markiert einen weiteren dunklen Wendepunkt in der Geschichte der einst lebendigen Metropole.
Unter den Verurteilten befand sich Joshua Wong, das Gesicht der Jugendproteste und eine Ikone der Demokratiebewegung. Bevor er aus dem Gerichtssaal geführt wurde, rief er: „I love Hong Kong.“ Wong, der zu 4 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt wurde, ist nur einer von 45 Angeklagten, die sich in einem Massenprozess unter Anklage der „Verschwörung zur Subversion“ vor Gericht verantworten mussten.
Die Angeklagten – ein Mix aus ehemaligen Abgeordneten, Journalisten, Gewerkschaftern und Aktivisten – wurden zu Gefängnisstrafen zwischen 50 Monaten und 10 Jahren verurteilt. Die Verurteilungen fanden unter dem Schutz der Nationalen Sicherheitsgesetze statt, die von Peking 2020 eingeführt wurden und seitdem als Instrument zur systematischen Ausschaltung oppositioneller Stimmen genutzt werden.
Das Ende des „freien Hongkong“
Mit der Verurteilung von über 40 Demokratie-Aktivisten wird das Bild des einst so lebendigen und pluralistischen Hongkongs immer weiter ausradiert. Was früher eine Stadt voller Proteste und politischer Debatten war, hat sich in eine kontrollierte, fast sterile Umgebung verwandelt, die immer mehr dem autoritären Festland-Chinas gleicht.
Besonders hart traf es den renommierten Rechtswissenschaftler Benny Tai, der von den Richtern als „Hauptverantwortlicher“ und „Drahtzieher“ bezeichnet wurde. Er erhielt mit 10 Jahren die längste Haftstrafe. Tai war eine Schlüsselfigur der Demokratiebewegung und galt als intellektuelle Stimme der Opposition. Gwyneth Ho, eine ehemalige Journalistin, die durch das Livestreamen der Proteste 2019 bekannt wurde, wurde zu 7 Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Abgeordnete Leung Kwok-hung, besser bekannt als „Long Hair“, erhielt 6 Jahre und 9 Monate. Claudia Mo, eine Journalistin und ehemalige Gesetzgeberin, wurde zu 4 Jahren und 2 Monaten verurteilt.
Der „Hongkong 47“-Prozess: Ein globales Signal
Dieser Prozess, international bekannt als der Fall der „Hongkong 47“, wurde weltweit aufmerksam verfolgt. Menschenrechtsorganisationen und ausländische Regierungen sehen darin ein Symptom der fortschreitenden Zerschlagung der bürgerlichen Freiheiten in der Stadt. Die Anklage lautete auf „Verschwörung zur Subversion“, basierend auf der Beteiligung der Angeklagten an einer inoffiziellen Vorwahl im Jahr 2020, die den demokratischen Kräften bessere Chancen in den regulären Wahlen sichern sollte.
Für die Regierung in Hongkong und Peking war dies jedoch kein demokratischer Akt, sondern eine „systematische und groß angelegte Verschwörung zur Destabilisierung der Stadt“. Die Richter urteilten, dass, hätte der Plan Erfolg gehabt, dies „vergleichbar mit einem Sturz der Regierung“ gewesen wäre.
Ein Symbol für den Verlust von Freiheiten
Der Massenprozess ist ein erschreckendes Beispiel dafür, wie tiefgreifend die politischen Umbrüche Hongkong verändert haben. Die Stadt, einst für ihre Autonomie und Freiheitsrechte unter der „Ein Land, zwei Systeme“-Vereinbarung bekannt, wurde seit Einführung des nationalen Sicherheitsgesetzes im Jahr 2020 praktisch in eine weitere chinesische Provinz verwandelt.
Die Straßenproteste, die früher ein unverzichtbarer Teil des gesellschaftlichen Lebens waren, gehören nun der Vergangenheit an. Die Legislative, einst halbwegs demokratisch besetzt, besteht nun fast ausschließlich aus pro-Peking-Loyalisten. Bürger Hongkongs können noch genau 20 der 90 Sitze im Legislativrat direkt wählen. Der Rest wird durch pro-chinesische Berufsverbände und eine ausgewählte pro-Peking-Gruppe bestimmt.
Begrenzte Opposition und überwachte Meinung
Während die Strafverfolgung der „Hongkong 47“ ein eindeutiges Signal an verbleibende Kritiker sendet, wird die Teilnahme an politischen Debatten immer weiter eingeschränkt. John Burns, emeritierter Professor der Universität Hongkong, erklärte, die Umstrukturierung der politischen Institutionen der Stadt und die Einführung des zweiten nationalen Sicherheitsgesetzes hätten die politische Teilnahme der Bürger praktisch auf null reduziert. „Proteste und Demonstrationen sind faktisch verboten. Was bleibt, sind überwachte öffentliche Seminare – kontrolliert und ohne Raum für echte Opposition.“
Beijing und die Hongkonger Führung argumentieren, dass die Stadt durch die neuen Gesetze „Stabilität“ gewonnen habe. Kritiker hingegen werfen ihnen vor, Hongkong seiner Identität zu berauben und den internationalen Ruf der Stadt als Welthandelszentrum zu gefährden.
Das Ende der Demokratie – und der Beginn eines neuen Kapitels
Die Verurteilungen und die stillgelegte Opposition markieren einen klaren Bruch mit dem einstigen Image Hongkongs. Was bleibt, ist ein trauriger Beweis für den Verlust an Demokratie und die zunehmende Kontrolle Pekings über das öffentliche Leben. Beobachter weltweit fragen sich, was als nächstes kommt – für Hongkong und seine Bürger, aber auch für die internationale Gemeinschaft, die einst auf die Stadt als Leuchtfeuer der Freiheit in Asien blickte.
Unterdessen bleibt Joshua Wongs Ruf „I love Hong Kong“ im Gedächtnis – als tragisches Echo einer Stadt, die einmal für ihre Freiheit bekannt war.
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