Eine über den Nachrichtendienst Twitter verbreitete Äußerung der Bundesministerin des Innern zum Demonstrationsrecht war rechtlich zulässig. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.
Am 19. Januar 2022 veröffentlichte die Ministerin auf ihrem privaten Twitteraccount die Äußerung: „Ich wiederhole meinen #Appell: Man kann seine #Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln“. Entsprechend hatte sie sich bereits auf einer Pressekonferenz des Ministeriums am selben Tag geäußert. Der Antragsteller sieht sich hierdurch u.a. in seinem Versammlungsgrundrecht beeinträchtigt. Er begehrte Eilrechtsschutz mit dem Ziel, die Ministerin zu verpflichten, diese Äußerung vorerst zu unterlassen.
Die 6. Kammer hat den Eilantrag zurückgewiesen. Zwar sei der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht eröffnet. Auch wenn die Äußerung über den privaten Twitter-Account der Ministerin getätigt worden sei, stehe sie in unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes. Dem Antragsteller fehle es aber bereits an der Antragsbefugnis. Er habe nicht ausreichend geltend gemacht, dass ihn die Äußerung in eigenen Rechten beeinträchtige. Diese sei nicht geeignet, interessierte Bürger von einer Teilnahme an den von ihm veranstalteten Versammlungen abzuhalten und damit deren Wirkung nachhaltig zu beeinflussen. Sie beziehe sich nämlich nicht auf die von ihm angemeldeten und veranstalteten Versammlungen zum Protest gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus. Vielmehr nehme sie Bezug auf die sogenannten „Spaziergänge“, bei denen sich Protestierende unangemeldet gezielt an vielen Orten gleichzeitig versammelten. Diese Protestform plane der Antragsteller selbst gar nicht. Zudem handele es sich bei dem Tweet lediglich um einen unverbindlichen Appell, der keine generelle Abwertung oder Missbilligung von Protesten gegen Corona-Maßnahmen enthalte. Ungeachtet dessen sei die Äußerung inhaltlich von der Befugnis der Bundesregierung zur Öffentlichkeitsarbeit gedeckt. Sie sei sowohl von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes abgedeckt als auch mit dem Sachlichkeitsgebot vereinbar. Denn der Appell, sich nicht gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln, ziele nicht auf eine Herabsetzung regierungskritischer Positionen ab. Vielmehr sei es der Ministerin darum gegangen, auf Erschwernisse für die Arbeit der Sicherheitsbehörden bei der Gewährleistung des Versammlungsrechts einerseits und der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen andererseits hinzuweisen, die aus der Verlagerung des Demonstrationsgeschehens auf zahlreiche Orte zur selben Zeit entstünden.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Beschluss der 6. Kammer vom 21. Februar 2022 (VG 6 L 17/22)
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