Gläubigerversammlung am 29.03.2017
Sehr geehrter Herr Bremer,
unter dem 29.03.2017 fand in Chemnitz die Gläubigerversammlung der in Insolvenz befindlichen Ersten Oderfelder Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG statt. Aufgrund der zahlreichen erwarteten Gläubiger und Interessenvertreter fand diese im großen Hörsaal der Technischen Universität Chemnitz statt.
Die Organisation und Durchführung der Veranstaltung war sowohl seitens des Gerichts als auch seitens der Insolvenzverwaltung als perfekt organisiert und sehr informativ zu bewerten.
Bevor wir inhaltlich zu den von der Insolvenzverwaltung mitgeteilten vorläufigen Ergebnissen kommen, möchten wir feststellen, dass es einigen Vertriebsspitzen durch Einwerbung und Bündelung von Anlegerstimmen, mit welchen sie die Stimmmehrheit in der Gläubigerversammlung erreicht haben, von ursprünglich 6 Mitgliedern auf lediglich 3 Mitgliedern zu verkleinern.
Bei dieser Maßnahme ihre künstlich geschaffene Stimmenmehrheit dafür zu nutzen, aus dem Gläubigerausschuss sämtliche Anwälte abzuwählen, welche ausschließlich Anlegerinteressen vertreten.
Abgewählt wurden die vorläufigen Gläubigerausschussmitglieder Rechtsanwalt Dr. Henning Leitz, Rechtsanwalt Christian H. Röhlke und Rechtsanwalt Dr. Thomas Pforr. Insofern befindet sich nunmehr aufgrund dieser strategisch eingeworbenen und eingesetzten Anlegerstimmen durch das Abstimmungsverhalten des Rechtsanwalts der IG Lombard, Herr Dr. Sieprath, dieser als einziger Rechtsanwalt im Gläubigerausschuss neben Herrn Schreiber und Herrn Stütz, welcher selbst immense Anlagesummen im Rahmen seiner Vertriebstätigkeit an seinen Kunden und Anlegern für die Erste Oderfelder Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG eingeworben hat.
Erfreulicherweise ist keiner der ehemaligen Geschäftsführer oder Gesellschafter des mutmaßlichen Schneeballsystems Erste Oderfelder Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG in den Gläubigerausschuss gewählt wurde, was ähnlich sinnwidrig gewesen wäre.
Der guten Ordnung halber wird darauf hingewiesen, dass nun lediglich ein einziger Rechtsanwalt aus dem vorläufigen Gläubigerausschuss auch im gewählten Gläubigerausschuss ist, nämlich Herr Dr. Sieprath, der sich nahezu selbst gewählt hat und hierbei durch die Aktivitäten der Vermittler der IG Lombard und Einholung ihrer Kundenstimmrechte in der Gläubigerversammlung aufgrund der beinahe Mehrheit der bei ihnen gebündelten Stimmen kaum nicht hätte überstimmt werden können.
Mithin befindet sich kein Rechtsanwalt im Gläubigerausschuss, der überhaupt die Verantwortlichkeit des Vertriebs und der Vertriebsmitarbeiter prüfen kann, da dies berufs- und standesrechtlich für Dr. Sieprath als Vertreter der IG Lombard, welche sowohl Anleger- als auch Vermittlerinteressen gleichzeitig wahrnimmt, ausscheidet.
Insofern, sehr geehrter Herr Bremer, ist Ihnen hier zuzustimmen, dass der Vertrieb sich hier über die vorbenannte Vorgehensweise nicht nur einen Schutzwall aufgebaut hat, sondern eine starke Einflussnahme im Insolvenzverfahren unter Ausschluss der ursprünglich im Gläubigerausschuss befindlichen reinen Anlegerschutzanwälte realisiert hat.
Das ist nicht Sinn und Zweck des Gläubigerausschusses. Im § 67 II InsO heißt es:
„Im Gläubigerausschuss sollen die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und die Kleingläubiger vertreten sein. Dem Ausschuss soll ein Vertreter der Arbeitnehmer angehören.“
Im § 69 InsO, in welchem die Aufgaben des Gläubigerausschusses geregelt sind, heißt es:
„Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben den Insolvenzverwalter zu unterstützen, zu überwachen, sie haben sie über den Gang der Geschäfte zu unterrichten sowie die Bücher und Geschäftspapiere einsehen und den Geldverkehr und Bestand überprüfen zu lassen.“
Diese Aufgaben können nach diesseitigem Dafürhalten und unter Berücksichtigung der möglichen Haftungsverantwortlichkeit der Vermittler für den entstandenen Anlegerschaden im jeweils konkret zu prüfenden Einzelfall nicht durch den am gestrigen Tage gewählten Gläubigerausschuss erfüllt werden.
Vor allem waren aber auch inhaltlich die Informationen jedoch für die geschädigten Anleger äußerst ernüchternd bis schockierend.
So wurden ca. 80 Mio. EUR eingezahltes Anlegerkapital zur Insolvenztabelle zur Rückzahlung angemeldet. Nach vorsichtigen vorläufigen Schätzungen der Insolvenzverwaltung steht jedoch allenfalls ein Vermögen von ca. 4 Mio. EUR zur Verteilung im Raume, auch wenn dies laut Insolvenzverwalter Herrn Rechtsanwalt Scheffler lediglich erste vorsichtige Schätzungen darstellen, welche noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben.
Sollte es jedoch bei dieser desaströsen Situation am Ende tatsächlich bleiben, fehlen ca. 75 Mio. EUR Anlagegelder. Ein Schaden, auf dem die Anleger drohen, sitzenzubleiben.
Dem noch lange nicht genug, kündigte Herr Scheffler seine traurige Pflicht an, sodann aus Gewährleistung der Gleichbehandlung zwischen den Anlegern vorläufige Gewinnausschüttungen an Anleger in dem für den Fall von diesen zurückfordern zu müssen, für den Fall, insofern im Ausschüttungszeitraum die Gesellschaft überhaupt keine Gewinne erwirtschaftet hat.
Daneben wurden weitere Zahlungsansprüche erörtert, die seitens der Insolvenzverwaltung im Rahmen der Insolvenzanfechtung gegenüber Anlegern durch die Insolvenzverwaltung geprüft werden.
Dies bedeutet zusammengefasst, dass der einzelne Anleger lediglich mit einer Insolvenzquote nach derzeitigem Sachstand von etwa 5 % rechnen kann vorbehaltlich der weiteren Entwicklung und zudem im konkreten Einzelfall auch noch mit Rückzahlungsansprüchen der Insolvenzverwaltung konfrontiert werden könnte.
Insofern ist für jeden Anleger dringend Handlungsbedarf gegeben, sich in allen denkbaren Richtungen gegen diesen drohenden Schaden abzusichern. Fest steht nämlich jetzt, aus der Insolvenzverwaltung heraus wird der Anleger lediglich einen Bruchteil seines Anlagekapitals zurückerhalten oder sogar schlimmstenfalls noch draufzahlen, wenn er von rechtlich begründeten Rückzahlungsansprüchen des Insolvenzverwalters betroffen wird.
Nun ist ganz klar festzuhalten, dass dies der Gesamtsituation offensichtlich nach vorläufiger Beurteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg im Rahmen eines wohl betrügerischen Systems entstanden sein dürfte. Allerdings sind diesbezüglich die Ermittlungen noch lange nicht abgeschlossen. Allein im Themenkomplex Erste Oderfelder ist insofern mit einem Schaden von ca. 70 – 75 Mio. EUR zu rechnen.
Sollten sich betrügerische Machenschaften nachweisen lassen, so trifft an diesen mit Sicherheit den einzelnen Berater und insgesamt den Vertrieb daran keine Schuld. Klar und deutlich muss jedoch gesagt werden, dass ohne den Vertrieb und die in vielen Fällen ungeprüfte Übernahme und Verwendung des Werbematerials der Fidentum GmbH durch einzelne Berater viele Anleger das Produkt nicht gekauft hätten. Insbesondere wurde nämlich in einer Vielzahl der Fälle im Beratungs- und Verkaufsgespräch durch den Berater das Finanzprodukt der Lombardium-Gruppe als „Festgeldersatz“ oder als „festgeldähnlich sicher“ beworben.
Wäre das Produkt in diesen Fällen nicht so beworben worden, wären in einer Vielzahl von Fällen die Anleger jetzt nicht in der Gefahr des Kapitalverlustes und darüber hinaus sogar der Gefahr der weiteren Zahlungspflicht an die Insolvenzverwaltung.
Selbstverständlich sind strafrechtlich verantwortliche Täter und Strukturen strafrechtlich und zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie denn eine solche Verantwortlichkeit trifft. Hierzu sind jedoch zunächst ca. 12.000 Seiten staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten durch die anwaltlichen Vertreter durchzuarbeiten, verbunden mit der Problematik der Zahlungsfähigkeit des jeweiligen Anspruchsschuldners.
Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, den naheliegensten Weg zu ergreifen und im Falle einer falschen Anlageberatung seitens des Anlagerberaters diesen zunächst in Regress zu nehmen und anzuhalten, sich mit seiner Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zugunsten eines möglichen Schadensersatzes an den Anleger in Verbindung zu setzen. Dies ist für den Anlageberater freilich auch eine schwierige Situation. Eine Vielzahl der geschädigten Anleger erachten es jedoch als die Pflicht des Anlagerberaters, an einer Schadensminderung des Anlegerschadens mitzuwirken, erst recht dann, wenn eine Falschberatung stattgefunden hat.
Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass der Anlageberater im Falle der Falschberatung nicht ersatzlos den Anleger von seinem Anlageschaden freistellen muss, sondern im Gegenzug die Rechte des Anlegers aus dem abgeschlossenen Geschäft erhält. Das bedeutet, nach Ersatz des Schadens durch den Berater an den Anleger erhält der Berater die Rechte des Anlegers gegenüber jedwedem Dritten, insbesondere auch evtl. strafrechtlich handelnder oder zivilrechtlich ersatzverpflichtender Personen.
Sollten solche Ansprüche gegenüber Dritten nämlich werthaltig sein, kann sich dort der Anlageberater im zweiten Schritt ebenfalls seinen Schaden ersetzen lassen.
Insofern es die IG Lombard also mit der Schadensminderung zugunsten der Anleger ernst meint und nicht nur den Zweck verfolgt, Vermittler- und Anlageberater vor Regressansprüchen ihrer Kunden, nämlich der geschädigten Anleger zu schützen, sollte dieser Aspekt dort vertieft geprüft und bearbeitet werden.
Wir empfehlen aus Vereinfachungsgründen und auch Gründen der Wirtschaftlichkeit nach wie vor und insbesondere vor dem Hintergrund der durch die Insolvenzverwaltung bekannt gegebenen Informationen zur äußerst geringfügigen zu erwartenden Auszahlungsquote sofort und unmittelbar sich anwaltlich vertreten zu lassen, um die eigenen Schadensersatz- bzw. Schadensfreistellungsansprüche gegen den eigenen Anlageberater prüfen und durchsetzen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen Dr. Thomas Pforr Rechtsanwalt
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