Die Hoffnung stirbt zuletzt – doch bei geschädigten Anlegern der DEGAG-Gruppe könnte nun auch diese zerbrechen. Denn wenn das Amtsgericht den Insolvenzantrag „mangels Masse“ ablehnt, klingt das zwar technisch und unspektakulär, ist in Wahrheit aber oft der juristische Schlusspunkt hinter einem finanziellen Albtraum.
Im Fall der DEGAG, die seit Monaten unter kritischer Beobachtung steht, hätte eine solche Entscheidung weitreichende Folgen – für rund 4.000 Anleger, Vermittler, den Vorstand und nicht zuletzt für den Insolvenzverwalter selbst.
Was bedeutet „Insolvenz mangels Masse“ konkret?
Wird ein Insolvenzantrag gestellt, prüft das Gericht zunächst, ob überhaupt genug Vermögen – die sogenannte Insolvenzmasse – vorhanden ist, um zumindest die Verfahrenskosten zu decken (z. B. Gericht, Gutachter, Insolvenzverwalter). Ist das nicht der Fall, wird der Antrag gemäß § 26 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) abgelehnt.
Das nennt man: Ablehnung der Insolvenzeröffnung mangels Masse.
Was bedeutet das in der Praxis?
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Kein Insolvenzverfahren wird eröffnet.
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Kein Insolvenzverwalter wird bestellt.
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Gläubiger können keine Forderungen anmelden.
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Keine Verwertung oder Verteilung von Vermögen.
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Die Gesellschaft wird in der Regel von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht (§ 394 FamFG).
Konsequenzen für DEGAG-Anleger: Das Totalverlustrisiko wird Realität
Für die Anleger der DEGAG-Gruppe wäre eine Ablehnung des Verfahrens das juristische Worst-Case-Szenario:
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Es gäbe kein verwertbares Vermögen mehr.
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Es gäbe keinen Insolvenzverwalter, der Ansprüche verfolgt oder Immobilien veräußert.
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Es gäbe keine Ausschüttung – nicht einmal in symbolischer Höhe.
Damit wäre der finanzielle Schaden endgültig.
Ein kleiner Trost: Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass es sich bei DEGAG um ein Schneeballsystem handelte, wären keine Rückforderungen an Anleger zu befürchten – denn ohne Insolvenzverfahren gibt es keinen Verwalter, der frühere Auszahlungen einkassieren könnte.
Vertrieb im Fokus: Zwischen Erleichterung und neuer Gefahr
Ohne Insolvenzverwalter fehlt die zentrale Instanz, die üblicherweise gezahlte Provisionen vom Vertrieb zurückfordert. Das mag zunächst wie eine Entlastung wirken – bringt aber neue Risiken:
Vorteil:
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Keine Rückforderungen durch einen Insolvenzverwalter.
Nachteil:
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Anleger könnten direkt zivilrechtlich gegen Vermittler oder Vertriebsorganisationen klagen – z. B. wegen Falschberatung, fehlender Risikoaufklärung oder sogar vorsätzlicher Täuschung.
Besonders heikel: Wenn sich ein Schneeballsystem nachweisen lässt, wären auch deliktische Ansprüche (z. B. wegen Betrugs gemäß § 263 StGB oder sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB) möglich – sofern der Vertrieb wissentlich involviert war.
Wir halten es für wahrscheinlich, dass die Gefahr zivilrechtlicher Inanspruchnahme des Vertriebs durch die Anleger deutlich zunimmt, wenn aus den abgelehnten Insolvenzverfahren nichts mehr zu holen ist.
Vorstände und Aufsichtsräte: Haftung droht auf zivilrechtlichem Weg
Ohne Insolvenzverfahren fehlt auch die Figur, die mögliche Ansprüche gegen ehemalige Organe zentral hätte prüfen und durchsetzen können: der Insolvenzverwalter.
Jetzt rücken Vorstände und Aufsichtsräte in den Fokus – z. B. im Rahmen von:
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Organhaftung nach § 93 AktG (bei Aktiengesellschaften)
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§ 43 GmbHG (bei GmbHs)
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Deliktischer Haftung bei arglistiger Täuschung, Insolvenzverschleppung oder anderen Pflichtverletzungen
Das Problem: Ohne Verwalter liegt die Beweisführung nun bei den einzelnen Anlegern oder deren Interessenvertretung. Der juristische Aufwand steigt – der Weg zum Schadensersatz wird steinig und teuer.
Was bedeutet das für den Insolvenzverwalter? Schlankes Verfahren, geringer Aufwand
So paradox es klingt: Eine Ablehnung des Insolvenzverfahrens könnte aus Sicht des Insolvenzverwalters sogar komfortabel sein.
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Keine tausenden Forderungsanmeldungen.
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Keine Rückforderungsklagen gegen Anleger oder Vertrieb.
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Konzentration auf sog. „bEVO“-Gesellschaften (also solche mit noch vorhandenem Vermögen, z. B. Objektgesellschaften mit Immobilien).
Das erlaubt ein schlankes, effizientes Verfahren mit klarer Vergütung – ohne langwierige Anlegerkommunikation und ohne Widerstand aus der geschädigten Masse.
Juristische Grundlage: § 26 Insolvenzordnung (InsO)
Der relevante Gesetzestext ist eindeutig:
„Ist das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichend, um die Kosten des Verfahrens zu decken, lehnt das Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab.“
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Die Prüfung erfolgt summarisch.
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Ein Rechtsmittel ist nur in engen Ausnahmefällen zulässig.
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Eine Verfahrenskostenvorstrekung wäre zwar möglich – ist aber bei mehreren tausend betroffenen Anlegern unrealistisch.
Fazit: Eine Insolvenzablehnung bei der DEGAG wäre ein juristisches Erdbeben
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Kein Verfahren – keine Chance auf Rückzahlung.
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Keine Rückforderungen an Anleger bei Schneeballsystem-Nachweis.
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Vertrieb muss mit vermehrten Anlegerklagen rechnen.
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Vorstand und Kontrolleure geraten juristisch unter Druck.
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Der Insolvenzverwalter kann sich auf Vermögensgesellschaften fokussieren.
Für Anleger heißt das: Der Kampf ums Kapital ist nicht vorbei, aber er wird komplizierter, kleinteiliger und teurer. Wer etwas zurückhaben will, muss nun selbst aktiv werden – oder sich zusammenschließen.
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Geschädigte Anleger sollten sich unbedingt von einer spezialisierten Kanzlei im Kapitalanlagerecht beraten lassen.
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