Im südkoreanischen Seoul tagt am 11. und 12. November der G20-Gipfel.
Zwei Jahre zuvor hatten die wichtigsten Industrienationen und Schwellenländer – die so genannte Gruppe der 20 – in Washington vereinbart, dass jedes Finanzprodukt, jeder Finanzmarktteilnehmer und jeder Finanzplatz einer angemessenen Regulierung und Aufsicht unterliegen soll. Jetzt wollen die Staats- und Regierungschefs der G20 eine Zwischenbilanz ziehen.
Basel III – Herzstück der Reformagenda
Seit dem Washingtoner Treffen 2008 wurde ein ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt. Einige sind bereits umgesetzt, andere weit fortgeschritten. Herzstück der Reformagenda sind die neuen Eigenkapital- und Liquiditätsstandards – bekannt unter dem Begriff Basel III. Die G20 will sie in Seoul beschließen. Die neuen Vorgaben leisten einen wichtigen Beitrag, die Finanzmärkte stabiler zu gestalten und das Risiko neuer Krisen zu reduzieren.
Dabei ist nicht jede Einzelmaßnahme geeignet, die Krisenanfälligkeit eines Instituts und des Finanzsystems zu verringern. Fehlanreize gehen etwa von der vorgesehenen Einführung einer „Leverage Ratio“ aus, also einem fixen Verhältnis zwischen Eigenkapital und Bilanzsumme einer Bank ohne gleichzeitiger Gewichtung der einzelnen Risiken. Die Folge könnte sein: Es werden weniger, aber dafür risikoreichere Kredite vergeben. Das jedoch ist das Gegenteil dessen, was gewollt ist.
Trotzdem: Auch wenn einzelne Maßnahmen unbefriedigend und noch viele Detailpunkte zu regeln sind – die Marschroute weist in die richtige Richtung. Die neuen Vorschriften können ihre volle Wirkung jedoch nur dann voll entfalten, wenn sie international harmonisiert eingeführt werden, also in allen Ländern zum gleichen Zeitpunkt. Es muss daher Hauptaufgabe der G20 sein, den notwendigen politischen Druck für eine weltweit parallele Umsetzung in Seoul zu erzeugen und danach aufrecht zu erhalten.
Systemische Risiken begrenzen
Auf internationaler Ebene ist noch weitgehend ungeklärt, wie mit Unternehmen des Finanzsektors umzugehen ist, die in Schieflage geraten und von denen aufgrund ihrer Vernetzung im Markt ein Risiko für das Finanzsystem insgesamt ausgeht. Es besteht Konsens, dass es hier weiterer Anstrengungen bedarf. Mechanismen zur Sanierung, Restrukturierung und notfalls Abwicklung gefährdeter Institute werden ebenso diskutiert wie zusätzliche Kapitalaufschläge. Das Financial Stability Board (FSB) wird in Seoul erste grundsätzliche Leitplanken zum Umgang mit so genannten „systemisch wichtigen“ Unternehmen des Finanzsektors vorstellen.
Zentral für die Sicherung der Finanzmarktstabilität ist, dass die gebotenen Instrumente auch alle Unternehmen des Finanzsektors erfassen. Richtet man den Blick nicht nur auf die aktuelle Krise, sondern auf verschiedene Finanzkrisen in der Vergangenheit, so zeigt sich: Niemand kann vorhersagen, welches Unternehmen des Finanzsektors, welcher Markt oder welches Finanzinstrument eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität darstellen könnte. Das jüngst vom Deutschen Bundestag verabschiedete Restrukturierungsgesetz und auch der von der Europäischen Kommission für das Frühjahr 2011 angekündigte Richtlinienvorschlag für ein Krisenmanagement im Finanzsektor beschränken sich zwar auf Kreditinstitute, das kann und wird aber nicht der letzte Schritt sein. Die EU-Kommission hat bereits für Ende 2011 angekündigt, die Ergebnisse ihrer Prüfung vorzulegen, welche Instrumente für andere Unternehmen des Finanzsektors erforderlich sind. Positiv ist auch, dass die Gesetzgebungsvorhaben in Deutschland und der EU nicht an das Kriterium „systemrelevant“ anknüpfen, sondern alle Institute erfassen – denn alle profitieren letztlich von stabileren Finanzmärkten.
Der in internationalen Kreisen diskutierte Ansatz, die Kapitalanforderungen für „systemrelevante Institute“ pauschal zu erhöhen, ist hingegen abzulehnen. Der Bankenverband spricht sich dafür aus, Systemrisiken insbesondere durch eine verstärkte Aufsicht und ein verbessertes Krisenmanagement unter Kontrolle zu halten. Diese Aspekte sollten in der G20-Debatte Berücksichtigung finden. Denn das Ziel müsse in einer internationalen Lösung liegen, um dem grenzübergreifenden Charakter der Finanzmärkte Rechnung zu tragen.
Wer trägt die Kosten einer Krise?
Ein wichtiger Baustein des Restrukturierungsgesetzes ist die so genannte Bankenabgabe. Einigkeit besteht sowohl international als auch national darin, dass eine erneute einseitige Ad-hoc-Belastung des Steuerzahlers möglichst zu vermeiden ist. In Deutschland wird ab 2011 ein durch eine Bankenabgabe gespeister Restrukturierungsfonds zur Verfügung stehen. Dies ist im Ansatz zu begrüßen. Da jedoch nicht nur Kreditinstitute, sondern alle Unternehmen des Finanzsektors von der Bewältigung marktspezifischer Risiken profitieren, sollte nicht nur das Krisenmanagement, sondern auch der Kreis der Abgabepflichtigen auf alle anderen wesentlichen Marktteilnehmer (z. B. Hedge-Fonds und Versicherungsunternehmen) erweitert werden.
Zum anderen ist es absolut notwendig, wenigstens eine europäische Lösung in Form eines Netzwerkes nationaler Fonds zu schaffen. Wenn schon auf G20-Ebene in dieser Angelegenheit keine Einigung erzielt werden konnte, sollte man zumindest innerhalb der EU Wettbewerbsverzerrungen vorbeugen und die notwendigen Mechanismen für eine funktionierende grenzüberschreitende Kooperation im akuten Krisenfall etablieren. Die Europäische Kommission plant bereits die Errichtung von korrespondierenden nationalen Abwicklungsfonds, doch stehen konkrete Ergebnisse noch aus.
Weitere Instrumente sind in der Diskussion, die nicht zu einem stabileren Finanzmarkt beitragen würden: eine Finanztransaktionssteuer auf einzelne Geschäfte auf globaler Ebene und eine Finanzaktivitätssteuer auf Gewinne und Gehälter in der EU. Eine Finanztransaktionssteuer würde die Beschaffung von Kapital verteuern und damit das Wachstum dämpfen. Höhere Transaktionskosten würden das Handelsvolumen verringern und so auch die Marktliquidität. Letztlich würden sie von den Marktteilnehmern getragen werden. Die Finanzaktivitätssteuer bedeutet eine Doppelbesteuerung neben der Ertragsbesteuerung der Banken und der Lohnsteuer der Mitarbeiter. Damit würde der Grundsatz der Besteuerungsgleichheit verletzt, da Banken und ihre Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Branchen mit einer Sondersteuer belegt würden.
Internationale Koordinierung bleibt ausbaufähig
An einem international abgestimmten und gleichgerichteten Vorgehen mangelt es auch in anderen Bereichen. So erfolgte die Umsetzung der Vergütungsprinzipien des Financial Stability Board in wichtigen Märkten außerhalb der EU nur eingeschränkt. Hier muss im Sinne eines fairen Wettbewerbs nachgebessert werden. Ungelöst ist ferner die Frage, wie eine zu starke Abhängigkeit von Aufsichtsbehörden und Finanzinstituten von Ratings verhindert werden kann, ohne dass der Kapitalmarkt insgesamt Schaden nimmt. Und schließlich gestaltet sich auch die von der G20 angestrebte Konvergenz der Rechnungslegungssysteme als schwierig. Die Zwischenbilanz fällt also gemischt aus: Die internationale Finanzmarktregulierung ist noch nicht am Ziel.
Auswirkungsstudien unabdingbar
Für den weiteren Prozess bedarf es möglichst genauer Kenntnisse der Wirkungen und Nebenwirkungen neuer Vorschriften. Dabei muss auch die Frage beantwortet werden, welche kumulativen Wirkungen zu erwarten sind aus höherem Eigenkapitalbedarf, höheren Refinanzierungskosten, Investitionen in Marktinfrastrukturen, höheren Verwaltungskosten und wegbrechenden Erträgen aufgrund des Verbots oder der Beschränkung bestimmter Finanzprodukte. Sicher ist: Das Reformpaket wird nicht spurlos am Bankensektor vorbeigehen. Sorgfältige Analysen und auch Korrekturen von Maßnahmen oder Zeitplänen dürfen dabei kein Tabu sein.
Quelle:BdB
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