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Interview mit Daniel Blazek zu einem Urteil des Landgerichtes München

Tumisu (CC0), Pixabay
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Interviewer: Herr Blazek, das Landgericht München I hat kürzlich eine wichtige Entscheidung zum sogenannten Stichtagszuschlag bei Mieterhöhungen getroffen. Können Sie uns erklären, worum es dabei geht?

Daniel Blazek: Gerne. Das Landgericht München I hat in seinem Hinweisbeschluss vom 17. Juli 2024 klargestellt, dass Vermieter nicht einfach einen zusätzlichen Zuschlag auf Mieterhöhungen verlangen können, nur weil die Inflation seit der Erstellung des Mietspiegels gestiegen ist. Einige Vermieter hatten versucht, einen solchen „Stichtagszuschlag“ mit Verweis auf den gestiegenen Verbraucherpreisindex zu begründen.

Interviewer: Was bedeutet diese Entscheidung konkret für Mieter und Vermieter?

Daniel Blazek: Für Mieter ist dies eine gute Nachricht. Es bedeutet, dass Vermieter sich bei Mieterhöhungen weiterhin an den gültigen Mietspiegel halten müssen und nicht einfach zusätzliche Erhöhungen aufgrund der allgemeinen Inflation durchsetzen können. Für Vermieter hingegen wird es schwieriger, Mieterhöhungen über den Mietspiegel hinaus zu begründen.

Interviewer: Warum hat das Gericht diese Entscheidung getroffen?

Daniel Blazek: Das Gericht argumentiert, dass der Verbraucherpreisindex nicht spezifisch genug für die Entwicklung von Wohnungsmieten ist. Er umfasst etwa 700 verschiedene Güter und Dienstleistungen, aber gibt keine belastbare Aussage über die Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Zudem betont das Gericht, dass eine solche „Stichtagspraxis“ zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen und die wichtige Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährden könnte.

Interviewer: Was bedeutet das Urteil in der Praxis für laufende oder zukünftige Mieterhöhungsverfahren?

Daniel Blazek: In der Praxis bedeutet dies, dass Vermieter ihre Mieterhöhungsverlangen sehr sorgfältig begründen müssen. Sie können sich nicht einfach auf die allgemeine Inflation berufen, um höhere Mieten zu rechtfertigen. Gerichte werden Mieterhöhungen, die über den Mietspiegel hinausgehen, voraussichtlich kritischer prüfen. Für Mieter ist es wichtig zu wissen, dass sie Mieterhöhungen, die sich auf einen solchen Stichtagszuschlag berufen, in Frage stellen können.

Interviewer: Gilt diese Entscheidung nur für München oder hat sie auch Auswirkungen auf andere Städte?

Daniel Blazek: Obwohl die Entscheidung vom Landgericht München I getroffen wurde und somit zunächst nur für München bindend ist, könnte sie durchaus Signalwirkung für andere Städte und Gerichte haben. Es ist eine Grundsatzentscheidung, die möglicherweise von anderen Gerichten bei ähnlichen Fällen berücksichtigt wird. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich diese Rechtsauffassung bundesweit durchsetzen wird.

Interviewer: Vielen Dank für diese Erläuterungen, Herr Blazek.

Daniel Blazek: Gerne. Es ist wichtig, dass sowohl Mieter als auch Vermieter ihre Rechte und Pflichten kennen und sich bei Unsicherheiten rechtlich beraten lassen.

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