Frage: Herr Reime, die BaFin hat kürzlich mehrere Meldungen nach § 11a Absatz 1 Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) zu Unternehmen der DEGAG-Gruppe veröffentlicht. Worum geht es in diesen Meldungen und was bedeutet das für die Anleger?
Jens Reime: Die BaFin-Meldungen sind sehr ernst zu nehmen, da sie auf ein erhebliches Risiko für die Anleger hinweisen. Konkret geht es um die DEGAG WI8 GmbH, die DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH sowie die DEGAG Kapital GmbH. Diese Unternehmen hatten Genussrechte emittiert, also Finanzinstrumente, die den Anlegern Zinsen und eine Rückzahlung ihres investierten Kapitals versprachen.
Die nun veröffentlichten Informationen deuten darauf hin, dass die Emittenten ihre Erlöse in verbundene Immobilienunternehmen investiert haben. Ein Teil dieser Investitionen konnte jedoch nicht zurückfließen, und es besteht das Risiko, dass diese Forderungen ganz oder teilweise ausfallen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Liquidität und Vermögenslage der Emittenten, da diese Einnahmen eigentlich zur Bedienung der Zinsen und zur Rückzahlung des Kapitals verwendet werden sollten.
Kurz gesagt: Die Anleger laufen Gefahr, weder ihre Zinsen noch ihr ursprünglich investiertes Kapital zurückzuerhalten.
Frage: Welche Konsequenzen ergeben sich aus den BaFin-Meldungen für die betroffenen Anleger?
Jens Reime: Die Meldungen nach § 11a VermAnlG sind ein deutliches Warnsignal. Zum einen bedeutet die Veröffentlichung, dass die Emittenten bereits nicht mehr in der Lage waren, vertragsgemäße Zahlungen an die Anleger zu leisten – konkret betrifft dies Zins- und Tilgungszahlungen, die am 16. Dezember 2024 fällig waren.
Zum anderen zeigen diese Meldungen, dass die finanzielle Lage der Emittenten äußerst angespannt ist. Der Rückfluss der Forderungen, also die Rückzahlungen aus den getätigten Investitionen in verbundene Unternehmen, ist nicht gewährleistet. Das führt dazu, dass die Emittenten ihren Verpflichtungen gegenüber den Anlegern derzeit nicht nachkommen können.
Für die Anleger bedeutet dies, dass sie ihr eingesetztes Kapital möglicherweise verlieren – ein sogenanntes Totalverlustrisiko.
Frage: Was sind Genussrechte, und warum sind sie besonders risikobehaftet?
Jens Reime: Genussrechte sind eine besondere Anlageform, bei der Anleger keine klassischen Aktien oder Anleihen erwerben, sondern dem Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen und im Gegenzug an den Gewinnen oder Umsätzen des Unternehmens beteiligt werden. Gleichzeitig tragen die Anleger jedoch auch das volle Risiko des Unternehmens mit.
Im Insolvenzfall des Emittenten stehen Genussrechte ganz unten in der Rangfolge der Gläubiger. Das heißt, erst nachdem alle anderen Gläubiger – wie Banken oder Lieferanten – bedient wurden, können Anleger mit Genussrechten auf eine Rückzahlung hoffen. Oft bleibt in solchen Fällen jedoch kein Kapital mehr übrig.
Die aktuellen BaFin-Meldungen verdeutlichen genau dieses Risiko: Wenn die Emittenten in finanzielle Schwierigkeiten geraten, haben die Genussrechtsinhaber kaum eine Chance, ihr Geld zurückzubekommen.
Frage: Welche Schritte sollten Anleger jetzt unternehmen, um ihre Interessen zu schützen?
Jens Reime: Anleger sollten schnell handeln, um ihre Ansprüche zu sichern. Folgende Schritte sind zu empfehlen:
Prüfung der Unterlagen: Anleger sollten ihre Vertragsunterlagen, Verkaufsprospekte und sonstigen Informationen zur Anlage sorgfältig prüfen. Besonders wichtig ist, ob es Hinweise auf Nachrangigkeit oder Totalverlustrisiken gibt.
Rechtsberatung einholen: Es ist dringend zu empfehlen, einen spezialisierten Anwalt für Kapitalmarktrecht hinzuzuziehen. Dieser kann prüfen, ob Schadensersatzansprüche gegen die Emittenten, Vermittler oder Berater geltend gemacht werden können.
Ansprüche anmelden: Sollte es zu einer Insolvenz der Emittenten kommen, müssen Anleger ihre Ansprüche fristgerecht im Insolvenzverfahren anmelden. Ein Anwalt kann hier unterstützen, um sicherzustellen, dass alle notwendigen Schritte unternommen werden.
Schadensersatz prüfen: In vielen Fällen können auch Schadensersatzansprüche gegen Vermittler oder Berater bestehen, wenn diese die Risiken der Anlage nicht korrekt oder unzureichend dargestellt haben.
Gemeinsames Vorgehen: Anleger sollten sich zusammenschließen, um ihre Interessen gemeinsam durchzusetzen. Sammelklagen oder Gruppenansätze können in solchen Fällen sinnvoll sein, um die Kosten zu teilen und den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen.
Frage: Welche Verantwortung tragen die Vermittler und Berater in diesem Fall?
Jens Reime: Vermittler und Berater tragen eine erhebliche Verantwortung. Sie sind verpflichtet, Anleger umfassend über die Risiken der Anlage zu informieren. Dazu gehört auch der Hinweis auf ein mögliches Totalverlustrisiko und die Nachrangigkeit von Genussrechten.
Sollten Vermittler diese Pflichten verletzt haben – etwa durch unzureichende Aufklärung oder das Verschweigen von Risiken – können Anleger Schadensersatzansprüche gegen diese Personen oder Unternehmen geltend machen. Solche Ansprüche sollten unbedingt geprüft werden, da Vermittler in der Regel über eine Haftpflichtversicherung verfügen, die solche Schäden abdeckt.
Frage: Gibt es Hoffnung für die betroffenen Anleger?
Jens Reime: Es ist schwierig, in einem solchen Fall Hoffnungen zu machen. Wenn die BaFin bereits eine Meldung nach § 11a VermAnlG veröffentlicht, ist die Lage oft kritisch. Dennoch sollten Anleger ihre Ansprüche prüfen und, falls notwendig, rechtliche Schritte einleiten. Es besteht immer die Möglichkeit, dass zumindest ein Teil des Kapitals zurückgewonnen werden kann – sei es durch Insolvenzverfahren, Schadensersatzklagen oder Vergleiche.
Wichtig ist, dass Anleger jetzt nicht untätig bleiben. Je schneller sie handeln, desto höher sind die Chancen, ihre Interessen zu wahren.
Frage: Herr Reime, vielen Dank für Ihre Einblicke und die klaren Handlungsempfehlungen!
Jens Reime: Gern geschehen. Anleger sollten sich in solchen Fällen nicht scheuen, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Nur so können sie ihre Rechte effektiv durchsetzen.
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