Hier ist der Text als Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev neu verfasst:
Interviewer: Frau Bontschev, der BGH hat kürzlich ein wichtiges Urteil zur Rolle von Kapitalanlagevermittlern gefällt. Können Sie uns die Relevanz dieser Entscheidung erläutern?
Kerstin Bontschev: Gerne. Der BGH hat in seinem Urteil vom 21.03.2024 (Az.: III ZR 70/23) die Voraussetzungen und Reichweite der Pflichten eines Vermittlers von Kapitalanlagen präzisiert. Besonders bemerkenswert ist die Klarstellung bezüglich der Aussagekraft von im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüssen.
Interviewer: Was war der Hintergrund dieses Falls?
Bontschev: Es ging um einen Anleger, der zwischen 2012 und 2017 mehrere Kapitalanlagen bei drei Gesellschaften einer Unternehmensgruppe zeichnete, basierend auf Gesprächen mit einem Anlagevermittler. Interessanterweise enthielten die Jahresabschlüsse zweier dieser Gesellschaften eingeschränkte Bestätigungsvermerke der Wirtschaftsprüfer aufgrund fehlender bilanzrelevanter Angaben. Alle drei Gesellschaften meldeten 2018 Insolvenz an.
Interviewer: Wie hat der BGH die Pflichten des Anlagevermittlers definiert?
Bontschev: Der BGH hat mehrere wichtige Punkte hervorgehoben:
1. Vermittler müssen nur über Informationen Auskunft geben, die für die Anlageentscheidung bedeutsam sind.
2. Sie sind verpflichtet, Informationen über die Wirtschaftlichkeit der Anlage und die Bonität des Kapitalsuchenden einzuholen.
3. Eine Nachforschungspflicht besteht nur, wenn die vorliegenden Informationen kein schlüssiges Gesamtbild ergeben.
4. Vermittler müssen offenlegen, wenn ihnen nicht ausreichend Informationen vorliegen.
5. Es gibt keine generelle Pflicht zur Einsichtnahme in die im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse.
Interviewer: Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Bontschev: Für Anleger ist es nun wichtiger denn je, die Kernpunkte eines Vermittlungsgesprächs zu dokumentieren. Sie sollten sowohl ihre eigenen Fragen als auch die Antworten des Vermittlers notieren. Dies erleichtert im Falle eines Anlageausfalls die Nachvollziehbarkeit des Gesprächs und ermöglicht es einem spezialisierten Anwalt, schnell zu beurteilen, ob ein Schadensersatzanspruch aufgrund fehlerhafter Beratung besteht.
Interviewer: Welche Bedeutung hat das Urteil für die Bewertung von Jahresabschlüssen?
Bontschev: Der BGH hat klargestellt, dass die Prüfung durch Abschlussprüfer keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitskontrolle darstellt. Ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk bedeutet nicht zwangsläufig eine negative Einschätzung der Unternehmenslage, sondern kann lediglich auf das Fehlen bestimmter prüfungsrelevanter Angaben hinweisen.
Interviewer: Vielen Dank für diese Erläuterungen, Frau Bontschev.
Bontschev: Gerne. Es ist wichtig, dass Anleger und Vermittler die Implikationen dieses Urteils verstehen, um in Zukunft besser informierte Entscheidungen treffen zu können.
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