Frage: Herr Gordon, Präsident Trump befindet sich mitten in einem eskalierenden Handelskrieg mit China. Warum wirkt die US-Regierung nun plötzlich so eilig auf die Suche nach Verbündeten?
Wolfgang Gordon: Ganz einfach: Weil sie merkt, dass sie China im Alleingang nicht unter Druck setzen kann. Trump hat einen massiven Handelskonflikt losgetreten – mit Zöllen, Drohungen und Alleingängen – und steht jetzt ziemlich isoliert da. Die Strategie „America First“ hat zwar innenpolitisch Applaus gebracht, aber außenpolitisch enormen Schaden angerichtet. Und nun, wo es ernst wird, merkt das Weiße Haus: Ohne Partner läuft es nicht.
Frage: Dabei hatte die Trump-Regierung doch in den vergangenen Jahren kaum ein gutes Wort für ihre Verbündeten übrig, oder?
Gordon: Richtig. Er hat europäische Partner wie die EU diffamiert, als angeblichen „Handelsfeind“ bezeichnet, und Nordamerika gleich mitbeschädigt: Kanada wurde mehrfach provoziert, Mexiko mit Strafzöllen belegt. Und das, obwohl genau diese Länder einst strategische Partner in Handelsfragen waren. Man denke nur an den Ausstieg aus dem Transpazifischen Partnerschaftsabkommen (TPP) direkt zu Beginn seiner ersten Amtszeit – das war ein schwerer außenpolitischer Fehler.
Frage: Und jetzt steht Trump ohne funktionierendes Netzwerk da?
Gordon: Exakt. Die USA gelten unter seiner Führung als extrem unzuverlässiger Partner. Selbst Länder wie Japan oder Südkorea, die traditionell eng an Washington gebunden sind, sind vorsichtig geworden. Trump versucht aktuell, über seinen Finanzminister Scott Bessent neue Gesprächskanäle zu öffnen. Bessent spricht von „umzingeltem China“, aber man darf nicht vergessen: Diese Umzingelung hätte es längst geben können – unter Obama war sie bereits vorbereitet.
Frage: Glauben Sie, dass die Verbündeten jetzt einfach zurückkommen?
Gordon: Nicht ohne Weiteres. Viele Staaten trauen den USA unter Trump nicht mehr über den Weg. Warum sollten sie sich jetzt einem Präsidenten anschließen, der sie jahrelang öffentlich beschimpft hat? Nur weil Trump in der Klemme steckt? Vertrauen baut man nicht durch Tweets oder Zolldrohungen wieder auf. Das wird – falls überhaupt möglich – ein langer Weg zurück.
Frage: Was ist mit der EU? Spielt sie eine Rolle in diesem geopolitischen Machtspiel?
Gordon: Natürlich. Die EU könnte als Gegengewicht zu China gemeinsam mit den USA auftreten. Aber Trump hat das transatlantische Verhältnis fast mutwillig zerschlagen. Seine jüngsten Aussagen über Europa als „wirtschaftlichen Feind“ zeigen, wie wenig Gespür er für Bündnispolitik hat. Auch Vizepräsident JD Vance äußert sich in ähnlichem Ton. Die Europäer schauen deshalb sehr genau hin, ob sie Washington wirklich trauen können.
Frage: Sehen Sie eine Chance, dass Trump mit seiner aktuellen Charmeoffensive Erfolg haben könnte?
Gordon: Nur dann, wenn er tatsächlich bereit ist, seine außenpolitische Rhetorik zu mäßigen – und wieder auf multilaterale Zusammenarbeit zu setzen. Doch das widerspricht seinem politischen Selbstverständnis. Trump glaubt an bilaterale Deals, an Machtspielchen. Eine gemeinsame, koordinierte Front gegen China – wie sie unter Obama geplant war – passt schlicht nicht in sein Weltbild.
Frage: Also droht der Handelskrieg zu einem Selbsttor zu werden?
Gordon: In gewisser Weise ja. Trump hat sich selbst in die Ecke manövriert. Der wirtschaftliche Schaden ist da – sowohl in den USA als auch weltweit. Und ohne Verbündete wird es schwierig, China zu echten Zugeständnissen zu bewegen. Es zeigt sich einmal mehr: Isolationismus mag nach Stärke aussehen – ist aber in einer global vernetzten Welt vor allem eines: politisch kurzsichtig.
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