Frage: Herr Reime, Herr Högel, warum sollten Kleinanleger aus Deutschland vorsichtig sein, wenn es um Investitionen in Projekte von Schweizer Anbietern geht?
Jens Reime: Die Schweiz hat ein anderes Rechtssystem und andere Durchsetzungsmechanismen als Deutschland. Ein häufiger Irrglaube unter deutschen Anlegern ist, dass sie im Falle eines Rechtsstreits ihre Ansprüche einfach durchsetzen können, sobald sie in Deutschland ein Gerichtsurteil – also einen „Titel“ – erwirkt haben. Doch die Realität sieht leider anders aus.
Maurice Högel: Genau. Selbst wenn Anleger in Deutschland erfolgreich klagen und einen Titel erhalten, ist dieser in der Schweiz nicht automatisch durchsetzbar. Die Schweiz ist kein Mitglied der Europäischen Union und auch nicht im Europäischen Vollstreckungsraum, was bedeutet, dass ein deutsches Urteil erst in einem gesonderten Verfahren in der Schweiz anerkannt und vollstreckt werden muss. Das ist aufwendig, kostspielig und mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.
Frage: Was bedeutet das konkret für deutsche Kleinanleger, die auf Rechtsschutzversicherungen setzen?
Reime: Hier lauert eine weitere Stolperfalle. Viele deutsche Anleger glauben, dass ihre deutsche Rechtsschutzversicherung ihnen auch bei der Durchsetzung eines Titels in der Schweiz hilft. Doch die meisten Rechtsschutzversicherungen decken nur Verfahren, die in Deutschland geführt werden. Das bedeutet, selbst wenn die Versicherung die Klage in Deutschland übernommen hat, müssen Anleger die Kosten für die Vollstreckung in der Schweiz meist selbst tragen.
Högel: Das ist ein entscheidender Punkt. Für Kleinanleger können die zusätzlichen Kosten für ein Vollstreckungsverfahren in der Schweiz schnell zu einer erheblichen finanziellen Belastung werden. Die Kosten für Anwälte, Gericht und eventuell notwendige Übersetzungen liegen oft im fünfstelligen Bereich. Für viele Kleinanleger ist das schlicht nicht zu stemmen, sodass sie auf ihren Forderungen sitzenbleiben.
Frage: Gibt es also kaum eine Chance, im Streitfall gegen einen Schweizer Anbieter vorzugehen?
Högel: Es ist nicht unmöglich, aber die Hürden sind hoch. Ein Verfahren in der Schweiz ist zeitaufwendig und kostspielig, und die Erfolgsaussichten sind oft ungewiss. Selbst wenn man einen Titel in der Schweiz erhält, kann die Durchsetzung schwierig werden, insbesondere wenn das Unternehmen dort über wenig Vermögenswerte verfügt.
Reime: Ich würde daher deutschen Kleinanlegern generell davon abraten, sich auf solche Investitionen einzulassen, es sei denn, sie sind sich der Risiken bewusst und bereit, im schlimmsten Fall Verluste zu tragen. Ein weiteres Problem ist, dass viele dieser Schweizer Angebote gezielt auf deutsche Anleger zugeschnitten sind, teilweise mit Werbeversprechen, die hohe Renditen in Aussicht stellen. Das weckt Vertrauen – oft zu Unrecht.
Frage: Was können Anleger tun, wenn sie bereits in ein Schweizer Projekt investiert haben und Zweifel bekommen?
Reime: Der erste Schritt sollte immer sein, die Dokumente und Vertragsbedingungen genau zu prüfen. Oft hilft es, sich an einen spezialisierten Anwalt zu wenden, um eine Einschätzung der rechtlichen Lage zu bekommen. Leider sind viele Kleinanleger aber erst dann skeptisch, wenn es schon zu spät ist und Probleme auftreten.
Högel: Wenn Anleger rechtzeitig auf die Risiken hingewiesen werden, können sie sich gut überlegen, ob sie diesen Schritt tatsächlich gehen wollen. Eine sorgfältige Prüfung ist besonders wichtig, weil eine Klage gegen den Anbieter in der Schweiz immer ein großes finanzielles Risiko bedeutet.
Frage: Was empfehlen Sie Anlegern allgemein, um solche Risiken zu vermeiden?
Högel: Anleger sollten bei grenzüberschreitenden Investitionen immer genau prüfen, ob der Anbieter in Deutschland reguliert ist und ob es im Zweifel einen unkomplizierten rechtlichen Rückgriff gibt. Wenn es Zweifel gibt, ist Vorsicht geboten. Die Schweiz ist zwar geografisch nah, rechtlich aber eine ganz andere Welt.
Reime: Und natürlich ist es ratsam, sich nicht allein auf Werbeversprechen zu verlassen. Ein gesundes Misstrauen und eine sorgfältige Recherche können verhindern, dass man in eine Situation gerät, die schwer rückgängig zu machen ist. Wenn ein Angebot zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das oft auch.
Frage: Vielen Dank, Herr Reime und Herr Högel, für die wertvollen Hinweise!
Reime & Högel: Sehr gerne.
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