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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Bedeutung und Auswirkungen des BaFin-Rundschreibens zu externen Bewertern

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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Bedeutung und Auswirkungen des BaFin-Rundschreibens zu externen Bewertern

Frage: Frau Bontschev, das BaFin-Rundschreiben legt umfangreiche Anforderungen an die Bestellung externer Bewerter fest. Was bedeutet das in der Praxis für Fonds und Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs)?

Kerstin Bontschev: Das Rundschreiben konkretisiert die Anforderungen, die externe Bewerter für Immobilien und Immobiliengesellschaften gemäß dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) erfüllen müssen. Für Fonds und KVGs bedeutet dies vor allem mehr Transparenz und eine stärkere Regulierung der Bewertungsprozesse. Ziel ist es, die Qualität und Unabhängigkeit der Bewertungen sicherzustellen, um so Risiken für Anleger und den Finanzmarkt zu minimieren.

Kapitalverwaltungsgesellschaften sind verpflichtet, die Qualifikationen und die Unabhängigkeit externer Bewerter nachzuweisen und regelmäßige Überprüfungen durchzuführen. Das betrifft sowohl neue Bewerter als auch solche, die bereits bestellt wurden. Die Anforderungen erstrecken sich dabei nicht nur auf Immobilienfonds, sondern können auch für andere Vermögenswerte entsprechend angewendet werden.

Frage: Was bedeutet das für die externen Bewerter selbst?

Kerstin Bontschev: Für externe Bewerter steigen die Anforderungen erheblich. Sie müssen ihre fachliche Eignung, Unabhängigkeit und berufliche Zuverlässigkeit nachweisen. Dazu gehören Dokumente wie Führungszeugnisse, Lebensläufe, Nachweise über die berufliche Erfahrung und Mitgliedschaften in Berufsverbänden. Auch die internen Bewertungsverfahren und die technische Ausstattung müssen dargelegt werden.

Das Rundschreiben verlangt darüber hinaus, dass Bewerter bei jeder Bewertung nachweisen können, dass sie die entsprechenden Standards einhalten – etwa durch Ortsbesichtigungen und eine klare Prozessbeschreibung. Insbesondere bei juristischen Personen, wie etwa größeren Bewertungsunternehmen, müssen die für die Bewertung verantwortlichen Personen namentlich benannt werden. Ein Wechsel dieser Personen ist unverzüglich der BaFin anzuzeigen.

Frage: Was ist der Hintergrund dieser umfangreichen Anforderungen?

Kerstin Bontschev: Die BaFin möchte sicherstellen, dass externe Bewertungen einheitlich, transparent und unabhängig durchgeführt werden. Das ist besonders wichtig, da Bewertungen die Grundlage für die Berechnung von Fondsanteilen und damit die Renditen der Anleger bilden.

In der Vergangenheit gab es Fälle, in denen Bewertungsprozesse nicht transparent genug waren oder Interessenkonflikte bestanden. Diese Anforderungen sollen solche Risiken minimieren. Zudem schreibt die AIFM-Verordnung der EU (Alternative Investment Fund Managers Directive) ebenfalls strenge Standards vor, die durch das Rundschreiben konkretisiert werden.

Frage: Wie beeinflusst das Rundschreiben die Praxis bei der Bestellung und Rotation von externen Bewertern?

Kerstin Bontschev: Für jede Bestellung eines externen Bewerters müssen KVGs eine Anzeige bei der BaFin erstatten. Bei einer Rotation, die laut KAGB alle drei Jahre erfolgen muss, ist ebenfalls eine neue Anzeige erforderlich. Das bedeutet, dass nicht einfach nur Personen innerhalb eines Unternehmens ausgetauscht werden können – ein Wechsel des gesamten Bewertungsunternehmens ist vorgeschrieben.

Für KVGs bringt das mehr Aufwand, da sie für jeden neuen Bewerter alle notwendigen Nachweise einreichen müssen. Gleichzeitig sorgt die Rotation aber auch dafür, dass sich die Bewertungen nicht über zu lange Zeiträume auf denselben Bewerter stützen, was Interessenkonflikte verhindern soll.

Frage: Welche neuen Regelungen gelten bei der „Folgebestellung“ bereits bekannter Bewerter?

Kerstin Bontschev: Wenn ein externer Bewerter bereits eine BaFin-ID besitzt und für diesen schon ein Anzeigeverfahren abgeschlossen wurde, ist der Prozess bei einer „Folgebestellung“ weniger aufwendig. In solchen Fällen reicht es, dass die KVG halbjährlich eine aktualisierte Liste der Bewerter bei der BaFin einreicht. Dabei muss die KVG bestätigen, dass alle Nachweise wie Führungszeugnisse und Zertifizierungen aktuell sind.

Die BaFin behält sich jedoch vor, in Verdachtsfällen oder stichprobenartig weitere Unterlagen anzufordern. Das heißt, die Verantwortung für die regelmäßige Überprüfung und Dokumentation der Bewerter bleibt bei der KVG.

Frage: Welche Herausforderungen bringt das Rundschreiben für kleinere Kapitalverwaltungsgesellschaften oder Bewertungsunternehmen mit sich?

Kerstin Bontschev: Für kleinere KVGs und Bewertungsunternehmen könnte die Umsetzung dieser Anforderungen eine große Herausforderung sein. Die zusätzlichen Dokumentationspflichten, die detaillierten Nachweise und die regelmäßigen Überprüfungen bedeuten einen erheblichen bürokratischen Aufwand.

Für kleinere Bewertungsunternehmen kann es zudem schwierig sein, alle Anforderungen – insbesondere im Bereich der technischen und personellen Ressourcen – zu erfüllen. Hier könnten sich langfristig größere Anbieter durchsetzen, da diese die Anforderungen einfacher skalieren können. Das könnte den Markt der Bewertungsdienstleistungen konsolidieren.

Frage: Gibt es besondere Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter?

Kerstin Bontschev: Ja, die Unabhängigkeit der Bewerter steht im Mittelpunkt des Rundschreibens. Es wird verlangt, dass externe Bewerter frei von Interessenkonflikten sind und dies auch dokumentieren können. Dazu gehört unter anderem eine Unabhängigkeitserklärung, die sicherstellt, dass der Bewerter keine Verbindungen zu den bewerteten Vermögenswerten oder deren Eigentümern hat.

Zudem dürfen die Überwachungsmaßnahmen der KVG nicht die Unabhängigkeit des Bewerters beeinträchtigen. Die KVG muss aber sicherstellen, dass der Bewerter seiner Aufgabe ordnungsgemäß nachkommt.

Frage: Wie sieht es mit der Beendigung der Tätigkeit eines externen Bewerters aus?

Kerstin Bontschev: Die Beendigung der Tätigkeit eines Bewerters muss ebenfalls an die BaFin gemeldet werden. Dies erfolgt jedoch nicht mehr ad hoc, sondern im Rahmen der halbjährlich einzureichenden Listen. Die Meldung muss dokumentieren, warum die Tätigkeit beendet wurde, und sicherstellen, dass ein neuer Bewerter bestellt wurde, falls die Bewertung weiterhin erforderlich ist.

Frage: Was sind die nächsten Schritte für KVGs und externe Bewerter, um die neuen Anforderungen ab dem 1. Januar 2025 umzusetzen?

Kerstin Bontschev: KVGs sollten die neuen Anforderungen frühzeitig in ihre internen Prozesse integrieren und sicherstellen, dass alle notwendigen Dokumente und Nachweise vorliegen. Gleichzeitig müssen sie ihre Verträge mit externen Bewertern überprüfen, um sicherzustellen, dass diese die neuen Anforderungen erfüllen.

Externe Bewerter wiederum sollten ihre internen Prozesse überprüfen, um die Einhaltung der Standards zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Schulung von Mitarbeitern und die Sicherstellung, dass alle Anforderungen an Qualifikationen und Unabhängigkeit erfüllt werden.

Frage: Vielen Dank, Frau Bontschev, für Ihre Einblicke!

Kerstin Bontschev: Sehr gerne. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten diese neuen Anforderungen ernst nehmen, da sie entscheidend für die Qualität und Transparenz im Bewertungsprozess sind.

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