Redaktion: Frau Bontschev, die BaFin hat jüngst vor der Website viennacapai.com gewarnt. Dort werden ohne Erlaubnis Finanz- und Wertpapierdienstleistungen angeboten. Was ist Ihr erster Eindruck zu dieser Warnung?
Kerstin Bontschev: Solche Warnungen der BaFin sind leider keine Seltenheit. viennacapai.com zeigt alle typischen Merkmale eines unseriösen Anbieters: fehlende klare Rechtsform, eine dubiose Geschäftsadresse und der Verweis auf eine angeblich regulierende EU-Organisation, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. Das sind klare Warnsignale. Sobald ein Anbieter ohne eine Erlaubnis der BaFin tätig wird, sollten bei Anlegern sofort die Alarmglocken läuten.
Redaktion: Was bedeutet es für Anleger konkret, wenn eine Plattform wie ViennaCapAi ohne BaFin-Lizenz agiert?
Kerstin Bontschev: Ohne BaFin-Lizenz handelt ein Anbieter in Deutschland illegal. Das bedeutet, dass Anleger keinerlei Schutz haben. Zum Beispiel greift in solchen Fällen nicht das Einlagensicherungssystem. Auch die Chancen, das investierte Geld zurückzubekommen, sind extrem gering, wenn es sich um einen Betrugsfall handelt. Leider versuchen solche Plattformen oft, Anleger mit unrealistisch hohen Renditeversprechen zu locken.
Redaktion: Die BaFin erwähnt, dass die Website behauptet, von einer „Financial Certification Organization“ autorisiert zu sein. Diese Organisation existiert jedoch gar nicht. Wie sollten Anleger mit solchen Behauptungen umgehen?
Kerstin Bontschev: Das ist ein typisches Vorgehen. Betrügerische Plattformen erfinden Regulierungsbehörden oder Zertifizierungen, um sich einen seriösen Anstrich zu geben. Mein Rat: Glauben Sie solchen Behauptungen nicht blind! Prüfen Sie immer selbst, ob die genannten Organisationen oder Zertifikate wirklich existieren und ob die Plattform tatsächlich von einer anerkannten Aufsichtsbehörde lizenziert ist. In der EU ist das beispielsweise die BaFin in Deutschland oder die ESMA auf europäischer Ebene. Ein Blick in die Unternehmensdatenbank der BaFin kann viel Ärger ersparen.
Redaktion: Was können Anleger tun, die bereits Geld über viennacapai.com investiert haben?
Kerstin Bontschev: Zunächst einmal sollten sie sofort alle weiteren Zahlungen einstellen. Als nächstes sollten sie ihre Bank oder ihr Kreditkartenunternehmen kontaktieren und prüfen, ob eine Rückbuchung der Zahlungen möglich ist. Parallel dazu empfehle ich, Strafanzeige bei der Polizei oder direkt bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten. Man kann sich auch an die BaFin wenden, die solche Hinweise sammelt und gegebenenfalls Ermittlungen einleitet.
Redaktion: Gibt es noch andere wichtige Schritte, die betroffene Anleger unternehmen sollten?
Kerstin Bontschev: Ja, sie sollten unbedingt alle Unterlagen sichern, die den Kontakt mit der Plattform dokumentieren – also E-Mails, Zahlungsbelege oder Chatprotokolle. Diese können später als Beweismittel dienen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, rechtlichen Rat einzuholen, um die individuellen Möglichkeiten zu prüfen. Auch wenn die Chancen, das Geld zurückzubekommen, oft gering sind, gibt es manchmal Ansätze, beispielsweise über internationale Rechtsverfahren oder Sammelklagen.
Redaktion: Die BaFin und andere Behörden raten Verbrauchern generell, bei Geldanlagen im Internet vorsichtig zu sein. Welche Vorsichtsmaßnahmen sollten Anleger Ihrer Meinung nach grundsätzlich beachten?
Kerstin Bontschev: Das Wichtigste ist, gründlich zu recherchieren, bevor Sie irgendwo Geld anlegen. Prüfen Sie, ob der Anbieter eine gültige Lizenz hat, ob es bereits Warnungen oder negative Berichte gibt. Wenn Ihnen etwas unseriös erscheint – sei es eine unrealistisch hohe Rendite oder ein seltsamer Ansprechpartner –, lassen Sie lieber die Finger davon. Seriöse Anbieter drängen Anleger nicht zu schnellen Entscheidungen oder verstecken sich hinter fragwürdigen Informationen. Vertrauen Sie zudem niemals Plattformen, die versuchen, Druck aufzubauen, etwa mit Aussagen wie „Dieses Angebot gilt nur heute“.
Redaktion: Gibt es Anlaufstellen, die betroffene Anleger zusätzlich nutzen können?
Kerstin Bontschev: Neben der Polizei und der BaFin können sich Anleger an die Verbraucherzentrale wenden. Dort erhalten sie weitere Informationen und Unterstützung. Auch die Anlegerschutzvereine bieten Hilfe an, insbesondere bei der Frage, wie man weiter vorgehen kann. Wichtig ist, dass Betroffene schnell handeln und sich nicht scheuen, Unterstützung zu suchen.
Redaktion: Vielen Dank, Frau Bontschev, für die wertvollen Einblicke und Ihre Tipps!
Kerstin Bontschev: Sehr gerne. Anleger sollten wissen, dass sie nicht allein sind, und es gibt Wege, sich gegen solche Betrugsmaschen zu wehren – der erste Schritt ist, informiert und wachsam zu bleiben.
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