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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev über Cyber Justice und ähnliche Angebote zur Rückgewinnung von Geldern bei Online-Betrug

styles66 (CC0), Pixabay
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Frage: Frau Bontschev, was halten Sie grundsätzlich von einem Angebot wie dem von Cyber Justice, das verspricht, Geld für Opfer von Online-Betrug zurückzuholen?

Kerstin Bontschev: Angebote wie das von Cyber Justice klingen zunächst sehr verlockend, insbesondere für Menschen, die Opfer von Online-Betrug geworden sind und verzweifelt versuchen, ihr verlorenes Geld zurückzubekommen. Der Ansatz, betrügerische Plattformen oder Täter ausfindig zu machen und die Rückführung von Geldern zu organisieren, ist in der Theorie eine gute Sache. Jedoch sollte man solche Angebote mit einer gewissen Vorsicht betrachten, da es auch in diesem Bereich viele unseriöse Anbieter gibt, die die Notlage von Betrugsopfern ausnutzen, um zusätzliche Gebühren zu verlangen, ohne tatsächlich nennenswerte Hilfe zu leisten.

Frage: Welche Aspekte sollten Verbraucher bei einem solchen Angebot besonders genau unter die Lupe nehmen?

Kerstin Bontschev: Es gibt mehrere Punkte, auf die Verbraucher achten sollten:

  1. Kosten und Gebühren: In den meisten Fällen sind solche Dienstleistungen nicht kostenlos, obwohl viele Anbieter eine „kostenlose Beratung“ anbieten. Die tatsächlichen Gebühren für die Rückgewinnung von Geldern können erheblich sein, und oft fallen auch Provisionen an. Man sollte sich also genau informieren, welche Kosten anfallen und in welchen Fällen diese zu bezahlen sind.
  2. Erfolgsaussichten: Verbraucher sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Erfolgsaussichten, gestohlene Gelder zurückzubekommen, stark variieren. Selbst bei hochprofessionellen Anbietern ist eine Rückgewinnung nicht immer möglich, besonders wenn es um Kryptowährungen geht, die anonym und schwer nachverfolgbar sein können.
  3. Lizenzierung und Zertifikate: Cyber Justice erwähnt eine Zertifizierung durch das „European Securities Treasury“. Es ist wichtig zu prüfen, ob solche Zertifikate tatsächlich von einer anerkannten und relevanten Aufsichtsbehörde stammen und ob sie die Tätigkeit des Unternehmens wirklich abdecken.
  4. Vertragsbedingungen: Man sollte die AGB und die Verträge genau lesen, um sicherzustellen, dass keine unvorteilhaften Klauseln enthalten sind, etwa zur Vertragskündigung oder versteckte zusätzliche Kosten.
  5. Erfahrungsberichte und Bewertungen: Erfahrungsberichte, die auf der eigenen Website veröffentlicht werden, sind oft gefiltert oder manipuliert. Es ist sinnvoller, unabhängige Bewertungen oder Berichte aus vertrauenswürdigen Quellen zu suchen.

Frage: Cyber Justice betont, dass sie „über 10.000 Fälle“ behandelt haben und in „127 Ländern“ aktiv sind. Wie aussagekräftig sind solche Angaben?

Kerstin Bontschev: Solche Angaben sollen Vertrauen schaffen und die Professionalität des Unternehmens unterstreichen. Allerdings sind sie nicht unbedingt ein Beweis für die Qualität der Dienstleistungen. Zahlen wie „10.000 Fälle“ oder „127 Länder“ können leicht übertrieben oder irreführend sein. Es ist besser, konkrete Erfolgsquoten zu kennen und zu wissen, wie viele der Fälle tatsächlich erfolgreich gelöst wurden. Außerdem sollte man prüfen, ob das Unternehmen wirklich die rechtliche Kompetenz besitzt, in all diesen Ländern aktiv zu sein.

Frage: Was halten Sie von der Behauptung, dass Cyber Justice „Ermittler, Cyber-Experten und Staatsanwälte“ einsetzt?

Kerstin Bontschev: Es klingt natürlich beeindruckend, wenn ein Unternehmen behauptet, ein Team aus Ermittlern und Experten einzusetzen. Allerdings muss man wissen, dass in vielen Fällen gar keine offiziellen staatlichen Stellen oder echten Staatsanwälte involviert sind. Viele dieser „Experten“ arbeiten eher als externe Dienstleister, die gegen Gebühr Ermittlungen anstellen. Das ist nicht zwingend schlecht, aber es bedeutet, dass man nicht davon ausgehen kann, dass eine echte Strafverfolgung stattfindet.

Frage: Was sollten Betrugsopfer tun, bevor sie sich auf solche Angebote einlassen?

Kerstin Bontschev: Zunächst sollten sich Betrugsopfer an eine örtliche Verbraucherzentrale oder eine seriöse, staatlich anerkannte Beratungsstelle wenden. Auch die Polizei kann hilfreiche Informationen geben, besonders wenn es um Online-Betrug geht. Wenn man sich dann doch für eine private Dienstleistung wie die von Cyber Justice entscheidet, sollte man eine gründliche Due-Diligence-Prüfung durchführen: Man sollte Referenzen überprüfen, sich über die genauen Vertragsbedingungen informieren und insbesondere sicherstellen, dass keine Vorauszahlungen gefordert werden, bevor konkrete Maßnahmen ergriffen wurden.

Frage: Cyber Justice erwähnt die Rückgewinnung von Kryptowährungen. Wie realistisch ist das?

Kerstin Bontschev: Die Rückgewinnung von Kryptowährungen ist besonders schwierig, da Transaktionen oft anonym und nicht rückgängig zu machen sind. Es gibt zwar spezialisierte Firmen, die auf Blockchain-Analysen und die Nachverfolgung von Kryptowährungen spezialisiert sind, aber die Erfolgschancen hängen stark davon ab, wie die Kryptowährung gestohlen wurde und wie schnell Maßnahmen ergriffen werden. Oft ist es schlicht nicht möglich, die Gelder wiederzuerlangen, wenn sie in andere Kryptowährungen gewechselt oder auf schwer nachvollziehbare Weise transferiert wurden.

Frage: Abschließend, Frau Bontschev, was wäre Ihr Rat an Betrugsopfer?

Kerstin Bontschev: Mein Rat wäre, erst einmal die Emotionen zu beruhigen und nicht in Panik zu handeln. Betrüger spielen oft auf die Verzweiflung ihrer Opfer an. Wenn man die Situation ruhig analysiert, kann man realistischere Einschätzungen treffen. Ein erster Schritt sollte immer die Meldung des Betrugs bei der Polizei sein. Danach kann man schauen, welche Optionen zur Rückgewinnung bestehen, sei es durch rechtliche Schritte oder durch spezialisierte Dienstleister. Es ist wichtig, sich vorher umfassend zu informieren und keine unrealistischen Erwartungen zu haben.

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