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Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev über das Umtauschangebot von Reconcept aus Anlegersicht

styles66 (CC0), Pixabay
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Frage: Frau Bontschev, Reconcept bietet Anlegern der Anleihe 2020/2025 an, diese in den neuen Green Bond III zu tauschen. Was halten Sie grundsätzlich von solchen Umtauschangeboten?

Kerstin Bontschev: Grundsätzlich sind Umtauschangebote nicht ungewöhnlich und können für Anleger durchaus Vorteile bieten, insbesondere wenn die neuen Konditionen besser sind als die alten. Im Fall von Reconcept bleibt jedoch der Zinssatz von 6,75 Prozent gleich, sodass der Tausch primär auf eine Verlängerung der Laufzeit hinausläuft. Das bedeutet, dass Anleger das Kapital fünf Jahre länger binden müssen, als ursprünglich geplant. Diese Entscheidung erfordert eine sorgfältige Abwägung.

Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Risiken für Anleger, die dieses Angebot in Betracht ziehen?

Kerstin Bontschev: Das größte Risiko liegt in der Laufzeitverlängerung. Wenn Anleger den Green Bond III annehmen, verschieben sich ihre Rückzahlungsansprüche auf das Jahr 2030. Das erhöht das sogenannte Ausfallrisiko, denn je länger die Laufzeit, desto größer die Unsicherheiten bezüglich der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Zudem wird Reconcept den Emissionserlös nutzen, um in Projekte wie Wind- und Solarparks zu investieren. Auch wenn diese Bereiche Zukunftspotenzial haben, sind sie nicht ohne Risiken, zum Beispiel durch regulatorische Änderungen oder Marktentwicklungen.

Frage: Reconcept lockt die Anleger mit einem Zusatzbetrag von 20 Euro je 1.000 Euro umgetauschter Anleihe sowie der Auszahlung der aufgelaufenen Stückzinsen. Wie bewerten Sie diesen Anreiz?

Kerstin Bontschev: Der Zusatzbetrag von 20 Euro pro 1.000 Euro Anleihe mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, ist jedoch eher ein kleiner Anreiz im Verhältnis zum Risiko einer längeren Kapitalbindung. Für Anleger, die ohnehin an das Geschäftsmodell von Reconcept glauben, könnte dies ein Bonus sein. Doch sollte dieser Betrag nicht allein die Entscheidung beeinflussen. Wichtiger ist die Frage, ob das Vertrauen in die langfristige Stabilität des Unternehmens besteht.

Frage: Wie beurteilen Sie die finanzielle Lage von Reconcept? Ist das Unternehmen aus Anlegersicht solide genug für eine solche Investition?

Kerstin Bontschev: Reconcept ist ein spezialisierter Projektentwickler im Bereich Erneuerbare Energien, und diese Branche hat großes Wachstumspotenzial, insbesondere im Bereich Photovoltaik und Windenergie. Allerdings sollte man berücksichtigen, dass die Unternehmensgruppe auf kontinuierliche Projektentwicklung und Refinanzierung angewiesen ist. Wenn diese Projekte nicht wie geplant verlaufen oder es zu Verzögerungen kommt, könnte dies das finanzielle Fundament von Reconcept schwächen. Zudem ist die Ausgabe einer neuen Anleihe, um bestehende Projekte zu refinanzieren, ein Hinweis darauf, dass das Unternehmen auf externe Finanzierungen angewiesen ist, was Anleger aufmerksam verfolgen sollten.

Frage: Was sollten Anleger Ihrer Meinung nach tun, bevor sie sich für den Umtausch entscheiden?

Kerstin Bontschev: Anleger sollten zunächst die Bonität von Reconcept und die Entwicklung der Projekte genau überprüfen. Eine ausführliche Recherche über das Unternehmen, seine bisherigen Erfolge und potenziellen Herausforderungen ist unerlässlich. Zudem ist es ratsam, alternative Anlageoptionen in Betracht zu ziehen und nicht nur aufgrund des Umtauschangebots zu handeln. Letztlich ist es eine persönliche Entscheidung, die von der individuellen Risikobereitschaft und den finanziellen Zielen abhängt. Im Zweifel sollten sich Anleger professionell beraten lassen.

Frage: Zusammenfassend, Frau Bontschev, würden Sie das Umtauschangebot von Reconcept als attraktiv für Anleger einstufen?

Kerstin Bontschev: Das Angebot kann für bestimmte Anleger attraktiv sein, insbesondere für jene, die langfristig an die Erneuerbaren Energien und das Geschäftsmodell von Reconcept glauben. Jedoch sollten die Risiken – insbesondere die längere Kapitalbindung und das unternehmerische Risiko – nicht unterschätzt werden. Anleger sollten sich daher gut informieren und ihre Risikobereitschaft realistisch einschätzen, bevor sie eine Entscheidung treffen

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