Interviewer: Frau Bontschev, Herr Reime, die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat beschlossen, einen Untersuchungsbeauftragten bei der SGB Vault AG einzusetzen, der den Geschäftsbetrieb überwacht. Was bedeutet diese Entscheidung für die Anleger, die dort investiert haben?
Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Der Einsatz eines Untersuchungsbeauftragten ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die FINMA Bedenken hinsichtlich des Unternehmens hat und dessen Geschäftstätigkeit genau unter die Lupe nehmen möchte. Für die Anleger bedeutet dies, dass ihre Investitionen zwar unter besonderer Beobachtung stehen, aber es bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Unternehmen aufgelöst wird. Ein solcher Schritt soll vor allem sicherstellen, dass der Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß weitergeführt wird und mögliche Risiken identifiziert und minimiert werden. Positiv zu vermerken ist, dass uns mitgeteilt wurde, dass die Goldbestände der SGB Vault AG vollständig vorhanden sein sollen. Das ist wichtig, weil es zeigt, dass die Vermögenswerte der Kunden weiterhin geschützt sind.
Rechtsanwalt Jens Reime: Genau, und es ist wichtig, dass die Anleger in dieser Situation besonnen bleiben und sich gut informieren. Der Einsatz eines Untersuchungsbeauftragten bedeutet nicht automatisch, dass ihre Investitionen gefährdet sind, aber es signalisiert, dass Handlungsbedarf besteht. Anleger sollten sich daher anwaltlich beraten lassen, um sicherzustellen, dass sie ihre Rechte kennen und ihre Interessen schützen.
Interviewer: Es gibt Gerüchte, dass die FINMA diesen Weg gewählt hat, weil die Übertragung der Goldbestände von der Swiss Gold Treuhand AG (SGT AG) auf die SGB Vault AG als „Entzug der Insolvenzmasse“ betrachtet wird. Was steckt hinter diesem Begriff, und wie könnte dies die Lage beeinflussen?
Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Der Begriff „Entzug der Insolvenzmasse“ bedeutet, dass Vermögenswerte eines insolventen Unternehmens nicht ohne Weiteres an andere Parteien übertragen werden dürfen, wenn dies die Gläubiger benachteiligen könnte. Sollte sich herausstellen, dass Goldbestände von der SGT AG auf die SGB Vault AG übertragen wurden, könnte dies von der FINMA als Versuch gewertet werden, diese Bestände dem Zugriff der Insolvenzverwalter zu entziehen. Der Untersuchungsbeauftragte wird sicher auch diese Transaktionen prüfen. Falls der Verdacht bestätigt wird, könnte es dazu kommen, dass die FINMA die Übertragung rückgängig macht, um sicherzustellen, dass alle Gläubiger der SGT AG gleich behandelt werden.
Rechtsanwalt Jens Reime: Das ist ein kritischer Punkt. Wenn die FINMA oder ein Insolvenzverwalter zu dem Schluss kommt, dass die Übertragung unrechtmäßig war, könnten die Goldbestände wieder in die Insolvenzmasse der SGT AG zurückgeführt werden. Das könnte für die Anleger der SGB Vault AG komplizierter werden, da sie dann möglicherweise sowohl Ansprüche bei der SGB Vault AG als auch bei der SGT AG geltend machen müssten. Der Untersuchungsbeauftragte wird wahrscheinlich auch darauf achten, dass solche Fragen transparent und rechtskonform geklärt werden.
Interviewer: Was sollten Anleger jetzt konkret tun, um ihre Ansprüche bestmöglich zu wahren? Gibt es juristische Schritte, die Sie empfehlen?
Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Anleger sollten zunächst die Entwicklungen genau verfolgen und anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen, um ihre Rechte zu verstehen. Der Untersuchungsbeauftragte wird den Geschäftsbetrieb überwachen, aber die Anleger müssen sich aktiv mit ihrer Situation auseinandersetzen. Eine der ersten Fragen wird sein, ob sie noch rechtlich als Eigentümer der Goldbestände gelten oder ob diese in die Insolvenzmasse der SGT AG geflossen sind. Dies erfordert eine sorgfältige Prüfung der Vertragslage und der rechtlichen Struktur des Investments.
Rechtsanwalt Jens Reime: Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Anleger sich in das Verfahren einbringen sollten. Der Untersuchungsbeauftragte wird sicherstellen, dass der Geschäftsbetrieb überwacht wird, aber es kann sinnvoll sein, eigene Rechtsvertretung einzuschalten, um die individuellen Interessen der Anleger zu wahren. Insbesondere, wenn es um die Frage geht, ob die Goldbestände an die Anleger der SGB Vault AG zurückgegeben oder in die Insolvenzmasse der SGT AG eingegliedert werden, könnten juristische Auseinandersetzungen bevorstehen.
Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Es wäre auch ratsam, sich mit Interessengemeinschaften oder Anlegerverbänden in Verbindung zu setzen, die sich mit diesem Fall befassen. Eine kollektive Vorgehensweise ist oft effektiver. Zudem sollten alle relevanten Unterlagen sorgfältig aufbewahrt und gegebenenfalls anwaltlich geprüft werden, um mögliche Ansprüche schnell und korrekt geltend machen zu können.
Interviewer: Wenn die Gerüchte stimmen und die Übertragung der Goldbestände tatsächlich als Entzug der Insolvenzmasse bewertet wird, könnten dann die Anleger der SGB Vault AG Nachteile erleiden, auch wenn die Goldbestände vorhanden sind?
Rechtsanwalt Jens Reime: Ja, das könnte passieren. Wenn der Untersuchungsbeauftragte oder die FINMA zu dem Schluss kommt, dass die Goldbestände rechtmäßig zur Insolvenzmasse der SGT AG gehören, könnten die Anleger der SGB Vault AG das Nachsehen haben. In diesem Fall müssten sie sich in das Insolvenzverfahren der SGT AG einreihen, was bedeutet, dass sie möglicherweise nur eine Insolvenzquote erhalten. Das könnte weniger sein, als wenn die Goldbestände direkt an sie zurückgegeben würden.
Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Deshalb ist es wichtig, dass Anleger so schnell wie möglich Klarheit über die rechtliche Situation erlangen. Es gilt zu prüfen, welche Ansprüche bestehen und ob das Eigentum an den Goldbeständen gesichert werden kann, bevor sie möglicherweise in eine Insolvenzmasse fließen. Diese Fragen sind jedoch komplex und hängen stark vom Einzelfall ab.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre wertvollen Einblicke. Gibt es abschließend noch einen Rat, den Sie den betroffenen Anlegern geben möchten?
Rechtsanwältin Kerstin Bontschev: Unser Rat lautet: Bleiben Sie ruhig, aber handeln Sie zügig. Lassen Sie sich rechtlich beraten, um Ihre Ansprüche zu sichern. In solchen Situationen ist es wichtig, proaktiv zu handeln und die eigenen Rechte zu schützen.
Rechtsanwalt Jens Reime: Genau, und schließen Sie sich mit anderen betroffenen Anlegern zusammen. Gemeinsam können Sie Ihre Interessen besser vertreten. Es ist entscheidend, dass die Anleger in diesem langwierigen Prozess eine starke Stimme haben.
Interviewer: Vielen Dank, Frau Bontschev und Herr Reime, für dieses aufschlussreiche Interview.
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