Interviewer: Frau Bontschev, die F.E.IN GmbH hat die Anleihegläubiger zu einer zweiten Gläubigerversammlung am 29. Januar 2025 eingeladen, um über eine Verlängerung der Laufzeit der Nullkuponanleihe 15/21 abzustimmen. Was bedeutet das für die Anleger?
Kerstin Bontschev: Die Einladung zur zweiten Gläubigerversammlung zeigt, dass die F.E.IN GmbH aktuell nicht in der Lage ist, die fälligen 80 % des Nennbetrags der Nullkuponanleihe wie ursprünglich geplant am 31. Januar 2025 zurückzuzahlen. Die Emittentin schlägt deshalb vor, die Laufzeit der Anleihe um zwei Jahre zu verlängern – bis zum 31. Januar 2027. Ziel ist es, mehr Zeit für den Verkauf der noch im Bestand befindlichen Gewerbeimmobilien in München-Pasing zu gewinnen, um aus den Verkaufserlösen die Rückzahlung der Anleihe zu gewährleisten.
Interviewer: Was bedeutet das konkret für die Anleger, wenn sie diesem Vorschlag zustimmen?
Kerstin Bontschev: Wenn die Anleger der vorgeschlagenen Änderung zustimmen, verschiebt sich die Fälligkeit der Anleihe um zwei Jahre, ohne dass zusätzliche Zinsen anfallen. Die Rückzahlung des Nennbetrags von 800 Euro pro Teilschuldverschreibung bleibt allerdings verbindlich, und die Emittentin behält sich vor, Teilrückzahlungen schon vor Ablauf der neuen Laufzeit zu leisten, sobald Immobilien verkauft werden.
Für Anleger bedeutet dies: Sie müssen auf die Rückzahlung ihrer investierten Mittel länger warten, erhalten jedoch die Möglichkeit, von einem potenziell höheren Verkaufserlös zu profitieren, falls sich die Marktbedingungen für Gewerbeimmobilien bis dahin verbessern.
Interviewer: Was passiert, wenn die Anleger dem Vorschlag nicht zustimmen?
Kerstin Bontschev: Wenn keine Mehrheit für die vorgeschlagene Änderung zustande kommt, droht der Emittentin die Insolvenz. In diesem Fall müssten die Anleger mit einem deutlich schlechteren Szenario rechnen: Es könnten weniger Mittel zur Verfügung stehen, und die Rückzahlung ihrer Forderungen wäre dann von der Abwicklung des Unternehmensvermögens abhängig. Erfahrungsgemäß bedeutet das, dass Gläubiger in solchen Fällen oft nur einen Bruchteil ihres investierten Kapitals zurückerhalten.
Interviewer: Warum wird eine zweite Gläubigerversammlung überhaupt notwendig?
Kerstin Bontschev: Bei der ersten Abstimmung ohne Versammlung im November 2024 konnte keine Beschlussfähigkeit festgestellt werden, da weniger als 50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten waren. Für die zweite Gläubigerversammlung gilt nun eine niedrigere Schwelle: Sie ist bereits beschlussfähig, wenn 25 % der Gläubiger anwesend oder vertreten sind. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass es zu einem bindenden Beschluss kommt.
Interviewer: Welche Risiken birgt die Zustimmung zur Verlängerung?
Kerstin Bontschev: Das größte Risiko liegt darin, dass die F.E.IN GmbH die gesetzten Ziele – insbesondere den Verkauf der Gewerbeimmobilien – auch innerhalb der verlängerten Laufzeit nicht erreicht. Der Immobilienmarkt ist derzeit aufgrund gestiegener Zinsen und zurückhaltender Investoren herausfordernd. Zudem gab es bereits Mieterinsolvenzen, die die Mieteinnahmen und damit die Liquidität des Unternehmens geschwächt haben.
Anleger müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie der Emittentin damit mehr Zeit einräumen, ohne die Garantie zu haben, dass die Rückzahlung am Ende tatsächlich in voller Höhe erfolgt.
Interviewer: Gibt es auch Vorteile für Anleger, die dem Vorschlag zustimmen?
Kerstin Bontschev: Ja, die Zustimmung gibt der F.E.IN GmbH die Chance, die Immobilien zu einem fairen Marktwert zu verkaufen, anstatt unter Zeitdruck Abschläge hinnehmen zu müssen. Dadurch könnte der Rückzahlungsbetrag gesichert werden. Die Emittentin hat außerdem angekündigt, Rückzahlungen flexibel vorzunehmen, sobald einzelne Immobilien verkauft werden. Das bedeutet, Anleger könnten schon vor 2027 Teilbeträge zurückerhalten.
Ein weiterer Vorteil ist, dass eine Zustimmung die Insolvenz abwendet, wodurch ein Totalverlust des investierten Kapitals vermieden werden könnte.
Interviewer: Was raten Sie den Anlegern, die an der Gläubigerversammlung teilnehmen möchten?
Kerstin Bontschev: Anleger sollten sich zunächst genau über die wirtschaftliche Situation der F.E.IN GmbH informieren, insbesondere über die Verkaufsbemühungen der Immobilien in München-Pasing. Sie sollten außerdem prüfen, ob sie bereit sind, das Risiko einer verlängerten Laufzeit einzugehen, oder ob sie eine Insolvenz der Emittentin riskieren möchten.
Wichtig ist, dass Anleger ihre Stimmrechte nutzen und an der Gläubigerversammlung teilnehmen. Ohne die notwendige Beschlussfähigkeit können keine verbindlichen Entscheidungen getroffen werden, was die Situation für alle Beteiligten noch weiter verkomplizieren würde.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Frau Bontschev.
Kerstin Bontschev: Gern geschehen.
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