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Interview mit Rechtsanwätin Kerstin Bontschev zum Thema Vermittlerhaftung

OliverKepka (CC0), Pixabay
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Frage: Guten Tag, Frau Bontschev. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Heute sprechen wir über die Inanspruchnahme von Vermittlern im Zusammenhang mit einem fehlgeschlagenen Investment. Könnten Sie uns bitte zunächst erläutern, welche Rolle Vermittler bei Investitionen spielen?

Kerstin Bontschev: Guten Tag, und vielen Dank für die Einladung. Vermittler spielen eine entscheidende Rolle bei Investitionen, insbesondere wenn es um den Kauf von Finanzprodukten oder Anlagen geht. Sie vermitteln zwischen den Anlegern und den Anbietern dieser Produkte, erklären die Details der Investitionen, prüfen die Eignung der Produkte für die jeweiligen Anleger und bieten oft Beratungsdienste an. Ihre Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Anleger die notwendigen Informationen haben, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Frage: Was passiert, wenn eine Investition fehlschlägt und Verluste entstehen?

Kerstin Bontschev: Wenn eine Investition fehlschlägt und Verluste entstehen, können die Anleger sich betrogen oder falsch informiert fühlen. In solchen Fällen stellen sich Fragen nach der Verantwortung, insbesondere ob der Vermittler eine Rolle in der Fehlinformation oder im Fehlverhalten gespielt hat. Anleger könnten der Ansicht sein, dass der Vermittler seine Sorgfaltspflicht vernachlässigt hat oder nicht ausreichend über die Risiken der Investition aufgeklärt hat.

Frage: Unter welchen Umständen könnten Anleger rechtliche Schritte gegen Vermittler einleiten?

Kerstin Bontschev: Anleger könnten rechtliche Schritte gegen Vermittler einleiten, wenn sie glauben, dass der Vermittler seine Pflichten verletzt hat. Das könnte der Fall sein, wenn der Vermittler falsche oder irreführende Informationen über die Investition bereitgestellt hat, die dazu geführt haben, dass der Anleger eine uninformierte Entscheidung getroffen hat. Ebenso könnten rechtliche Schritte gerechtfertigt sein, wenn der Vermittler nicht die notwendige Sorgfalt angewendet hat, um die Eignung der Investition für den Anleger zu prüfen.

Frage: Welche Beweise wären in solchen Fällen wichtig?

Kerstin Bontschev: Bei rechtlichen Schritten gegen Vermittler wegen eines fehlgeschlagenen Investments sind Beweise von größter Bedeutung. Anleger sollten dokumentieren können, welche Informationen sie vom Vermittler erhalten haben, sei es schriftlich, per E-Mail oder auf andere Weise. Zeugen könnten ebenfalls eine Rolle spielen, insbesondere wenn es Gespräche oder Beratungen gab, die nicht schriftlich festgehalten wurden. Es ist wichtig, alle relevanten Dokumente und Korrespondenzen aufzubewahren, um den Fall zu stützen.

Frage: Welche anderen Faktoren könnten bei der Beurteilung einer Klage gegen einen Vermittler eine Rolle spielen?

Kerstin Bontschev: Neben den Beweisen müsste auch nachgewiesen werden, dass ein rechtlicher Verstoß seitens des Vermittlers tatsächlich zu den Verlusten geführt hat. Das bedeutet, dass der Anleger nachweisen muss, dass er die Investition ohne die Verfehlung des Vermittlers nicht getätigt hätte oder zumindest anders gehandelt hätte. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die rechtliche Beziehung zwischen dem Anleger und dem Vermittler. Hier kommen Verträge, Vereinbarungen und geltende Gesetze ins Spiel.

Frage: Gibt es Maßnahmen, die Anleger ergreifen können, bevor sie rechtliche Schritte gegen Vermittler in Erwägung ziehen?

Kerstin Bontschev: Absolut. Bevor Anleger rechtliche Schritte in Erwägung ziehen, ist es ratsam, den Vermittler zu kontaktieren und ihre Bedenken zu äußern. Missverständnisse könnten oft durch Kommunikation ausgeräumt werden. Es könnte auch in Erwägung gezogen werden, alternative Streitbeilegungsmechanismen wie Schlichtung oder Mediation zu nutzen, wenn diese Optionen vertraglich vorgesehen sind. Rechtliche Schritte sollten als letzter Ausweg betrachtet werden.

Frage: Vielen Dank, Frau Bontschev, für diese Einblicke in das komplexe Thema. Haben Sie abschließend noch einige Ratschläge für Anleger, die mit einem fehlgeschlagenen Investment konfrontiert sind?

Kerstin Bontschev: Gerne. Anleger sollten ruhig bleiben und ihre Situation sorgfältig prüfen. Wenn sie das Gefühl haben, dass der Vermittler in ihrer Investition fehlverhalten hat, sollten sie alle relevanten Informationen und Beweise sammeln. Die Konsultation eines Rechtsanwalts, der auf Finanzstreitigkeiten spezialisiert ist, kann ebenfalls hilfreich sein, um die rechtlichen Optionen zu verstehen. Letztendlich ist es wichtig, die besten Schritte unter Berücksichtigung der individuellen Umstände zu wählen.

Lassen Sie mich aber auch bitte anmerken, dass ich während meiner über 20 Jahre langen Tätigkeit als Rechtsanwältin und seit einigen Jahren auch als Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht festgestellt habe, dass die Vermittler in über 90% der Fälle wirklich ordentlich beraten haben. Ich halte nichts davon, immer dem Berater automatisch die Schuld zu geben und das als Argument zu nutzen, um Mandanten einzusammeln. Die Vermittler sind oft selbst Geschädigte, wurden von der Situation überrascht oder sind auch selbst in das jeweilige Investment investiert, weil sie ebenfalls davon überzeugt waren, ein gutes, sauberes und ehrliches Investment verkauft zu haben.

Vielen Dank, Frau Bontschev, für Ihre wertvollen Einblicke und Ratschläge.

Kerstin Bontschev: Ich danke Ihnen. Es war mir eine Freude, über dieses wichtige Thema zu sprechen und zu helfen, Klarheit zu schaffen.

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