Frage: Herr Reime, die Frage, ob Vermittler bei einem fehlgeschlagenen Investment wie im Fall der DEGAG verklagt werden sollten, wird häufig gestellt. Was halten Sie davon?
Antwort: Diese Frage taucht tatsächlich fast reflexartig auf, sobald ein Investment scheitert und Anleger finanzielle Verluste erleiden. Dabei ist klar zu sagen: Es gibt keine pauschale Antwort. Jeder Fall muss individuell geprüft werden. Entscheidend ist, wie der Beratungsprozess abgelaufen ist und ob der Vermittler seinen gesetzlichen und vertraglichen Pflichten nachgekommen ist. Es reicht nicht, einfach zu behaupten, dass der Vermittler schuld sei – die Beweislast liegt beim Anleger.
Frage: Was sind die Kernpunkte, die in einer solchen Prüfung betrachtet werden müssen?
Antwort: Zunächst muss geklärt werden, ob der Vermittler seinen Aufklärungspflichten nachgekommen ist. Er muss den Anleger umfassend über die Risiken des Investments informieren, nicht nur über die potenziellen Renditen. Die Beratung muss verständlich, vollständig und auf die persönliche Situation des Anlegers abgestimmt sein. Besonders bei risikoreichen Produkten wie Nachrangdarlehen oder geschlossenen Fonds ist es wichtig, dass der Anleger über das Totalverlustrisiko aufgeklärt wurde.
Zudem wird geprüft, ob der Vermittler eine passende Anlageempfehlung gegeben hat. Es gilt das sogenannte „Know-Your-Customer“-Prinzip: Der Vermittler muss die finanziellen Verhältnisse, die Risikobereitschaft und die Anlageziele des Kunden berücksichtigen. Passt das Produkt nicht zur individuellen Situation des Anlegers, könnte das ein Beratungsfehler sein.
Frage: Gibt es typische Fehler, die Vermittler häufig machen?
Antwort: Ja, typische Fehler sind:
Unzureichende Risikoaufklärung: Wenn der Anleger nicht ausreichend über die Risiken, insbesondere das Totalverlustrisiko, informiert wurde.
Überzogene Versprechungen: Aussagen wie „sicheres Investment“ oder „garantierte Renditen“ bei hochspekulativen Produkten.
Fehlende Dokumentation: Der Beratungsprozess muss sauber dokumentiert werden. Ohne eine Beratungsdokumentation wird es schwierig, die Einhaltung der Pflichten nachzuweisen.
Ungeeignete Produktempfehlungen: Wenn das empfohlene Investment nicht zur finanziellen Lage oder Risikobereitschaft des Anlegers passt.
Frage: Welche Aufgaben hat ein Vermittler, wenn er korrekt beraten möchte?
Antwort: Ein korrekt agierender Vermittler muss:
Bedarfsanalyse durchführen: Die finanziellen Ziele, die Risikobereitschaft und die persönliche Situation des Anlegers genau ermitteln.
Transparente Aufklärung leisten: Alle Risiken und Chancen des Produkts klar und deutlich darlegen. Dazu gehört auch die Offenlegung von Interessenkonflikten, z. B. Provisionen.
Geeignete Produkte empfehlen: Das empfohlene Produkt muss zu den Bedürfnissen des Anlegers passen.
Beratung dokumentieren: Der gesamte Beratungsprozess muss schriftlich festgehalten werden, insbesondere die Risikoaufklärung und die Gründe für die Produktempfehlung.
Aktuelle Informationen bereitstellen: Der Vermittler muss sich über das empfohlene Produkt gut informieren und dem Anleger aktuelle und korrekte Daten zur Verfügung stellen.
Frage: Was raten Sie Anlegern, die überlegen, gegen einen Vermittler vorzugehen?
Antwort: Anleger sollten sich zunächst rechtlich beraten lassen und den gesamten Beratungsprozess genau rekonstruieren. Dabei ist die Dokumentation der Beratung von zentraler Bedeutung. Wenn die Beratungsprotokolle fehlen oder unvollständig sind, kann das ein Indiz für einen Beratungsfehler sein. Gleichzeitig müssen Anleger realistisch sein: Ein Verfahren gegen einen Vermittler ist nicht einfach und erfordert Beweise. Es kann sinnvoll sein, zunächst eine außergerichtliche Einigung zu suchen, bevor man rechtliche Schritte einleitet.
Frage: Kann eine Klage gegen Vermittler auch strategisch problematisch sein?
Antwort: Ja, definitiv. Oft sind Vermittler finanziell nicht so gut ausgestattet wie die Emittenten oder größeren Akteure hinter einem Investment. Selbst wenn ein Urteil erwirkt wird, kann es schwierig sein, Schadensersatzansprüche tatsächlich durchzusetzen. Anleger sollten daher immer Kosten, Erfolgsaussichten und mögliche Ergebnisse sorgfältig abwägen.
Fazit: „Vermittler verklagen“ ist keine Standardlösung, sondern immer eine Frage der individuellen Umstände. Anleger sollten sich rechtzeitig beraten lassen und den Fokus darauf legen, ob der Vermittler seinen Pflichten nachgekommen ist – und dies auch beweisbar ist.
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