Das Haus in Tuttlingen ist nur ein Beispiel
Frage: Herr Reime, viele der Käufer des Hauses in Tuttlingen sprechen von einem „Albtraum“. Sie vertreten solche Fälle regelmäßig. Was ist Ihr Eindruck, wenn Sie die geschilderten Zustände hören?
Jens Reime: Ich bin leider nicht überrascht. Immobilieninvestitionen werden von Influencern und Plattformen oft als goldene Gelegenheit vermarktet, bei der man wenig Aufwand und Risiko hat. Die Realität sieht jedoch oft ganz anders aus. Jede Immobilie hat ein Eigenleben, und das wird in diesen Fällen vollkommen ausgeblendet. Sobald die vermeintlich „sorgenfreie“ Kapitalanlage dann Probleme macht, sind die Käufer schnell überfordert – sei es mit den Mietern, der Finanzierung oder baulichen Mängeln.
Frage: Inwiefern kann man die Käufer in solchen Fällen rechtlich schützen?
Jens Reime: Der rechtliche Schutz hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst muss geprüft werden, ob beim Verkauf irreführende Angaben gemacht wurden, etwa über den Zustand des Gebäudes, die Höhe der Mieteinnahmen oder die Finanzierung. Wenn nachweisbar ist, dass hier falsche Versprechungen gemacht wurden, können Schadensersatzansprüche oder eine Rückabwicklung des Kaufs in Betracht kommen. Aber das ist in der Praxis oft langwierig und mühsam.
Frage: In diesem Fall haben viele Käufer nicht einmal direkten Kontakt zur Bank gehabt, die den Kredit gewährt hat. Ist das nicht ein enormes Risiko?
Jens Reime: Absolut. Eine solche Vorgehensweise halte ich für extrem problematisch. Jeder Kreditnehmer sollte sich bewusst sein, welche Verpflichtungen er eingeht – und das geht nur durch eine persönliche Beratung. Wenn Vermittler die Finanzierung organisieren und Käufer blind darauf vertrauen, kann das in einer Katastrophe enden, wie wir hier sehen. In solchen Fällen könnte man prüfen, ob die Bank ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen ist.
Frage: Neben der problematischen Finanzierung gibt es hier auch massive Schwierigkeiten mit den Mietern. Sperrmüll, Fäkalien im Keller und Stromdiebstahl – klingt das für Sie nach normalen Mietkonflikten?
Jens Reime: Normal ist das sicher nicht. Solche Zustände sind dramatisch und leider eine häufige Folge schlechter Mieterauswahl. Wenn ein Verkäufer oder ein Vermittler für die Erstmieter verantwortlich ist, trägt er auch Verantwortung für die langfristigen Konsequenzen. Hier stellt sich die Frage, ob die Eigentümer rechtlich dagegen vorgehen können, etwa durch eine Räumungsklage oder Schadensersatzforderungen.
Frage: Aber ist es nicht die Verantwortung der Käufer, sich vorab über die Risiken zu informieren?
Jens Reime: Natürlich tragen die Käufer auch eine Verantwortung. Aber viele Menschen, die solche Investitionen tätigen, sind keine erfahrenen Immobilieninvestoren. Sie vertrauen auf die Versprechen der Vermittler, die ein „Rundum-sorglos-Paket“ verkaufen. Der entscheidende Punkt ist: Wenn diese Versprechen falsch oder irreführend sind, dann ist das eine Täuschung, und die Käufer sind nicht allein schuld an ihrer Misere.
Frage: Die Eigentümer versuchen jetzt, über Klagen Schadensersatz oder eine Rückabwicklung des Kaufs zu erwirken. Wie realistisch ist das?
Jens Reime: Es hängt vom Einzelfall ab. Wenn nachweisbar ist, dass die Käufer durch irreführende Angaben oder unzulässige Geschäftspraktiken getäuscht wurden, sind die Erfolgschancen nicht schlecht. Allerdings muss man sich auf langwierige juristische Auseinandersetzungen einstellen. Gleichzeitig ist es oft schwer, eine Rückabwicklung durchzusetzen, da viele Parteien beteiligt sind – vom Verkäufer über die Bank bis hin zur Hausverwaltung.
Frage: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach der Immobilienmarkt und die aggressive Vermarktung durch Influencer?
Jens Reime: Eine sehr große. Influencer wie „Immo-Tommy“ verkaufen Immobilien oft wie Luxusprodukte oder Lifestyle-Gadgets – ohne den Käufern klarzumachen, welche Risiken sie eingehen. Immobilien sind kein Smartphone, das man bei Nichtgefallen einfach zurückgibt. Sie sind komplexe Produkte, die rechtliche, finanzielle und technische Aspekte umfassen. Die Darstellung als risikolose Geldmaschine ist schlichtweg fahrlässig.
Frage: Was raten Sie Menschen, die mit dem Gedanken spielen, in Immobilien zu investieren?
Jens Reime: Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Besichtigen Sie die Immobilie persönlich, sprechen Sie mit der Bank und lassen Sie sich von einem unabhängigen Fachanwalt oder Sachverständigen beraten. Und vor allem: Glauben Sie nicht, dass es eine „sorgenfreie“ Immobilie gibt. Jede Immobilie hat, wie ich gerne sage, ihr eigenes Leben – und dieses kann sehr unruhig sein.
Frage: Was können Käufer tun, die bereits in einer solchen Situation stecken?
Jens Reime: Sie sollten zunächst alle Unterlagen sorgfältig prüfen und dokumentieren, was schiefgelaufen ist – von Mietproblemen über finanzielle Belastungen bis hin zu baulichen Mängeln. Dann sollten sie sich rechtlichen Beistand suchen, um ihre Ansprüche zu prüfen. Es ist wichtig, nicht in Panik zu geraten, sondern strukturiert vorzugehen. In vielen Fällen gibt es Möglichkeiten, zumindest Teile des Schadens zu minimieren.
Frage: Abschließend, wie stehen die Chancen, dass die Käufer in Tuttlingen langfristig eine Lösung finden?
Jens Reime: Es wird ein schwieriger Weg, aber nicht unmöglich. Die juristischen Mittel sind da, aber sie erfordern Geduld und Durchhaltevermögen. Gleichzeitig muss man sagen, dass der gesamte Fall zeigt, wie wichtig es ist, den Immobilienmarkt transparenter und besser reguliert zu gestalten. Solche Fälle dürfen sich nicht wiederholen – weder für die Käufer noch für die Gesellschaft, die am Ende oft für die Schäden mitbezahlt.
Fazit: Das Gespräch mit Jens Reime zeigt, wie riskant und komplex Immobilieninvestitionen sein können, wenn sie von falschen Versprechen begleitet werden. Der Fall Tuttlingen ist ein Lehrstück dafür, dass Vorsicht und fundierte Beratung unerlässlich sind – denn jede Immobilie hat eben ihr eigenes Leben.
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