Startseite Interviews Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime: „Trading-Kurse und das Fernunterrichtsgesetz – Rechte der Verbraucher und Rückforderung von Geldern“
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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime: „Trading-Kurse und das Fernunterrichtsgesetz – Rechte der Verbraucher und Rückforderung von Geldern“

Tumisu (CC0), Pixabay
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Moderatorin: Herr Reime, Sie haben in der Vergangenheit mehrfach betont, dass viele Trading-Kursangebote unter das Fernunterrichtsgesetz (FernUSG) fallen. Können Sie uns erklären, warum Sie dieser Meinung sind und was das konkret bedeutet?

Jens Reime: Sehr gern. Das Fernunterrichtsgesetz wurde eingeführt, um Verbraucher im Bereich von Bildungsangeboten zu schützen, die außerhalb eines traditionellen, physischen Lernumfelds angeboten werden – also bei Kursen, die per Fernunterricht stattfinden. Das Gesetz regelt speziell, wie solche Angebote strukturiert sein müssen, um sicherzustellen, dass sie transparent und seriös sind.

Viele Trading-Kurse, insbesondere die, die über das Internet angeboten werden, erfüllen die Kriterien des Fernunterrichts: Sie sind oft kostenpflichtig, erfolgen ohne direkte persönliche Betreuung vor Ort und zielen darauf ab, dem Teilnehmer ein bestimmtes Wissen oder eine bestimmte Fähigkeit zu vermitteln. Diese Kurse versprechen in der Regel, den Teilnehmern beizubringen, wie sie an den Finanzmärkten erfolgreich traden können – also eine finanzielle Fähigkeit, die potenziell auch zu beruflichen Zwecken genutzt werden kann. In diesen Fällen greift das Fernunterrichtsgesetz, weil der Kursanbieter verpflichtet ist, bestimmte Anforderungen zu erfüllen, wie etwa einen ordnungsgemäßen Vertrag und klare Informationen über das Widerrufsrecht.

Moderatorin: Das klingt wichtig. Was genau bedeutet das Fernunterrichtsgesetz für Verbraucher, die an solchen Trading-Kursen teilnehmen?

Jens Reime: Wenn ein Kurs unter das Fernunterrichtsgesetz fällt, muss der Anbieter sich an eine Reihe von rechtlichen Vorgaben halten. Zum Beispiel muss er den Teilnehmern einen schriftlichen Vertrag vorlegen, der unter anderem das Widerrufsrecht klar darlegt. Das bedeutet, dass der Verbraucher nach Abschluss des Vertrages eine bestimmte Zeit – in der Regel 14 Tage – hat, um den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen und sein Geld zurückzuerhalten.

Außerdem muss der Anbieter den Kurs bei der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) genehmigen lassen. Diese Behörde prüft, ob der Kurs den gesetzlichen Anforderungen entspricht und ob er seriös ist. Falls der Kursanbieter keine solche Genehmigung hat, handelt er rechtswidrig, und in solchen Fällen haben Teilnehmer nicht nur das Recht auf Widerruf, sondern können auch ihr Geld zurückfordern.

Moderatorin: Das klingt nach einem wichtigen Schutz für die Verbraucher. Was bedeutet das konkret für jemanden, der bereits an einem Trading-Kurs teilgenommen hat und jetzt das Gefühl hat, dass dieser Kurs unter das Fernunterrichtsgesetz fallen könnte?

Jens Reime: Wenn jemand an einem solchen Trading-Kurs teilgenommen hat und das Gefühl hat, dass der Kurs nicht den Anforderungen des Fernunterrichtsgesetzes entspricht, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Erstens sollte man prüfen, ob der Anbieter eine Zulassung bei der ZFU hat. Wenn der Kurs nicht genehmigt ist, kann der Teilnehmer rechtlich gegen den Anbieter vorgehen.

In vielen Fällen kann der Teilnehmer den Vertrag rückgängig machen und sein Geld zurückfordern. Selbst wenn die Widerrufsfrist abgelaufen ist, könnten sich aufgrund fehlender Genehmigung oder mangelhafter Informationen über das Widerrufsrecht noch Chancen ergeben, den Vertrag anzufechten. Dies könnte vor allem dann der Fall sein, wenn der Anbieter die rechtlichen Informationspflichten nicht vollständig erfüllt hat oder der Kurs ohne die nötige Zulassung angeboten wurde.

Verbraucher, die sich in einer solchen Situation befinden, sollten rechtlichen Rat einholen. Ein Anwalt kann dabei helfen, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Rückforderung der Kursgebühren einzuleiten.

Moderatorin: Können Sie uns vielleicht ein Beispiel geben, wie ein Teilnehmer vorgehen kann, um sein Geld zurückzufordern?

Jens Reime: Natürlich. Zunächst sollte der Teilnehmer eine Prüfung vornehmen – entweder selbst oder mit Hilfe eines Anwalts – ob der Kurs unter das Fernunterrichtsgesetz fällt und ob eine ZFU-Zulassung vorliegt. Falls der Kurs nicht genehmigt ist, ist der nächste Schritt, den Anbieter schriftlich aufzufordern, den Vertrag zu stornieren und die gezahlten Gebühren zurückzuerstatten.

Dabei sollte man sich auf die Tatsache berufen, dass der Kurs unrechtmäßig angeboten wurde, weil keine ZFU-Genehmigung vorliegt oder die rechtlichen Vorgaben nicht erfüllt wurden. Wenn der Anbieter nicht reagiert oder die Rückerstattung ablehnt, kann der Teilnehmer den Rechtsweg beschreiten. Oft hilft schon eine anwaltliche Aufforderung, um den Anbieter zur Rückzahlung zu bewegen. In vielen Fällen enden solche Streitigkeiten zugunsten der Verbraucher, weil die rechtliche Grundlage eindeutig ist.

Moderatorin: Welche Rechte haben Verbraucher also genau, wenn ein Anbieter gegen das Fernunterrichtsgesetz verstößt?

Jens Reime: Wenn ein Anbieter gegen das Fernunterrichtsgesetz verstößt, hat der Verbraucher mehrere Rechte. Zunächst einmal besteht das Recht auf Widerruf innerhalb der gesetzlichen Frist, ohne dass Gründe angegeben werden müssen. Wenn diese Frist abgelaufen ist, können weitere Rechtsansprüche entstehen, wenn der Kurs keine ZFU-Zulassung hat.

Verstöße gegen das Fernunterrichtsgesetz führen häufig dazu, dass der Vertrag als nichtig betrachtet werden kann. In diesem Fall muss der Anbieter die gezahlten Gebühren zurückerstatten, und der Teilnehmer ist nicht mehr an die Vertragsbedingungen gebunden.

Moderatorin: Also können Teilnehmer, die an Trading-Kursen teilgenommen haben, unter bestimmten Bedingungen ihr Geld zurückbekommen, wenn der Anbieter nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht?

Jens Reime: Genau, das ist richtig. Wenn der Anbieter gegen das Fernunterrichtsgesetz verstößt, besteht eine realistische Chance, dass der Teilnehmer sein Geld zurückerhält. Es ist daher wichtig, die rechtliche Situation genau zu prüfen und gegebenenfalls juristischen Rat einzuholen. Verbraucher sollten sich nicht scheuen, ihre Rechte geltend zu machen, besonders wenn sie das Gefühl haben, dass der Kurs nicht den versprochenen Mehrwert gebracht hat oder nicht ordnungsgemäß angeboten wurde.

Moderatorin: Vielen Dank, Herr Reime, für diese wichtigen Informationen. Sie haben sicherlich vielen Verbrauchern, die an Trading-Kursen teilnehmen oder teilgenommen haben, wertvolle Einsichten gegeben.

Jens Reime: Gern geschehen. Es ist mir wichtig, dass Verbraucher wissen, dass sie Rechte haben und wie sie diese geltend machen können.

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