Redaktion: Herr Reime, vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für uns nehmen. Gemeinsam können wir uns noch an den Fall Lombardium erinnern. Nachdem klar wurde, dass dort etwas schiefläuft, war das erste, was der Vertrieb unternahm, seine Forderungen gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen. Dadurch geriet die Gesellschaft selbst in Liquiditätsnot. Gleichzeitig wurde aber auch eine Interessengemeinschaft des Vertriebs gegründet. Was halten Sie von solch einem Vorgehen?
Jens Reime: Vielen Dank für die Einladung. Ja, der Fall Lombardium hat eindrucksvoll gezeigt, wie problematisch das Verhalten des Vertriebs in Krisensituationen sein kann. Die Forderungen, die der Vertrieb damals gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht hat, haben die ohnehin angespannte finanzielle Lage weiter verschärft. Das wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich: Der Vertrieb hat einerseits zur Eskalation der Liquiditätsprobleme beigetragen und andererseits durch die Gründung einer Interessengemeinschaft versucht, sich als Interessenvertreter darzustellen. Das Vorgehen war aus meiner Sicht vor allem eigennützig.
Redaktion: Sehen Sie bei der aktuellen Situation rund um die DEGAG Deutsche Grundbesitz Holding AG Parallelen zu Lombardium? Besteht hier ebenfalls die Gefahr, dass der Vertrieb vorrangig eigene Forderungen durchsetzt und die Gesellschaft weiter in Schwierigkeiten bringt?
Jens Reime: Ja, diese Gefahr ist durchaus gegeben. Wenn Vertriebspartner hohe Provisionsforderungen gegenüber der Gesellschaft geltend machen, kann dies die Liquidität der Gesellschaft zusätzlich belasten, gerade wenn das Unternehmen bereits wirtschaftliche Schwierigkeiten hat. In solchen Situationen zeigt sich oft, dass der Vertrieb primär im eigenen Interesse handelt, um sich abzusichern, anstatt die langfristige Stabilität der Gesellschaft zu unterstützen.
Redaktion: Wie bewerten Sie die Gründung von Interessengemeinschaften des Vertriebs in solchen Fällen?
Jens Reime: Solche Interessengemeinschaften sind aus meiner Sicht ein zweischneidiges Schwert. Einerseits könnten sie dazu dienen, Informationen zu bündeln und eine gewisse Transparenz für Anleger zu schaffen. Andererseits dient die Gründung solcher Gemeinschaften in der Regel vorrangig dem Eigenschutz des Vertriebs. Das Verhalten im Fall Lombardium war dafür ein Paradebeispiel: Während die Gesellschaft kämpfte, um zahlungsfähig zu bleiben, haben sich Vertriebspartner primär um ihre eigenen Provisionsansprüche gekümmert. Das hat die Krise beschleunigt und die Gesellschaft weiter in Bedrängnis gebracht.
Redaktion: Welche Folgen hatte das Verhalten des Vertriebs im Fall Lombardium für die Anleger?
Jens Reime: Die Folgen waren verheerend. Die zusätzliche Liquiditätsbelastung hat dazu geführt, dass die Gesellschaft weniger Mittel hatte, um Anlegeransprüche zu bedienen oder die Geschäfte zu stabilisieren. Letztlich hat dies den Zusammenbruch der Gesellschaft beschleunigt und viele Anleger haben erhebliche Verluste erlitten.
Redaktion: Welche Lehren sollten Anleger und Vermittler daraus ziehen?
Jens Reime: Für Anleger bedeutet das, dass sie in Krisensituationen sehr genau darauf achten sollten, wie sich der Vertrieb verhält und welche Prioritäten gesetzt werden. Wenn Vermittler primär eigene Forderungen durchsetzen wollen, ist das kein gutes Zeichen. Vermittler und Berater sollten ihrerseits verantwortungsbewusster handeln und auch darauf bedacht sein, dass die Gesellschaft stabilisiert wird, statt sie weiter zu belasten.
Redaktion: Was würden Sie betroffenen Anlegern in der aktuellen Situation bei der DEGAG raten?
Jens Reime: Anleger sollten wachsam sein und die Entwicklung genau beobachten. Wenn sie den Eindruck haben, dass der Vertrieb eigene Interessen voranstellt oder Provisionsforderungen geltend macht, die die Gesellschaft gefährden, sollten sie nicht zögern, rechtlichen Rat einzuholen. Außerdem empfehle ich, alle relevanten Unterlagen zu sammeln und mögliche Ansprüche prüfen zu lassen, um nicht noch größere Verluste zu riskieren.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre klaren Worte und die wertvollen Hinweise.
Jens Reime: Sehr gerne.
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