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Interview mit Rechtsanwalt Maurice Högel: Negative Google-Bewertung ohne Kunde zu sein? Teilerfolg gegen Unterlassungsurteil im Berufungsverfahren

Simon (CC0), Pixabay
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Interviewer: Herr Högel, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Kürzlich hat das Oberlandesgericht Oldenburg in einem interessanten Fall zur Frage entschieden, ob man eine negative Google-Bewertung abgeben darf, auch wenn man selbst gar kein Kunde des Unternehmens war. Können Sie uns die Kernpunkte des Falls kurz schildern?

Maurice Högel: Sehr gerne. Der Fall betrifft eine Rechtsanwaltskanzlei aus dem Landkreis Oldenburg, die von einem Händler aus dem Landkreis Cuxhaven negativ auf Google bewertet wurde. Der Händler war jedoch gar kein Mandant dieser Kanzlei. Es gab lediglich einen Kontakt zu einem Anwalt der Kanzlei, der allerdings den Geschäftspartner des Händlers vertrat. Es ging um ein Telefonat, in dem es um eine Rechnung ging, die für den Geschäftspartner des Händlers steuerrechtlich relevant war. Da der Händler mit dem Verlauf des Gesprächs unzufrieden war, hinterließ er eine Bewertung mit einem Stern auf Google, obwohl er nicht der direkte Kunde der Kanzlei war. Die Kanzlei klagte daraufhin auf Unterlassung und forderte die Löschung der Bewertung.

Interviewer: Das Landgericht Oldenburg hat der Kanzlei zunächst recht gegeben. Was war die Argumentation des Gerichts?

Maurice Högel: Das Landgericht entschied, dass die negative Bewertung einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Kanzlei darstellt. Die Grundlage dafür ist Artikel 12 des Grundgesetzes, der die Berufsfreiheit schützt. Das Gericht sah in der Bewertung einen unzulässigen Eingriff in die unternehmerische Tätigkeit der Kanzlei, da der Händler kein Mandatsverhältnis zu ihr hatte und somit keine Grundlage bestand, die anwaltliche Leistung öffentlich zu bewerten.

Interviewer: Der Händler ging in Berufung und erzielte einen Teilerfolg. Wie hat das Oberlandesgericht Oldenburg den Fall beurteilt?

Maurice Högel: Genau, der Händler legte Berufung ein und erreichte vor dem Oberlandesgericht einen Teilerfolg. Das Gericht stellte fest, dass zwar auch hier ein Eingriff in den Gewerbebetrieb vorliegt, jedoch wurde betont, dass die Bewertung eine Meinungsäußerung darstellt und somit durch die Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt ist. Hier kam es zu einer Abwägung zwischen der Gewerbefreiheit der Kanzlei und der Meinungsfreiheit des Händlers.

Interviewer: Das Gericht hat also die Meinungsfreiheit des Händlers stärker gewichtet?

Maurice Högel: In gewisser Weise ja. Das Oberlandesgericht betonte, dass Bewertungen von unternehmerischen Leistungen, insbesondere auf Plattformen wie Google, von der Allgemeinheit in der Regel als Erfahrungen echter Kunden wahrgenommen werden. Der Händler war aber nicht Mandant der Kanzlei, sondern lediglich in einer geschäftlichen Auseinandersetzung indirekt mit ihr in Kontakt gekommen. Das Gericht entschied, dass er durchaus eine Bewertung abgeben darf, da dieser Kontakt besteht. Allerdings müsse der Händler klarstellen, dass er selbst kein Mandant der Kanzlei war, um Missverständnisse zu vermeiden.

Interviewer: Das bedeutet, er darf seine Meinung äußern, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen?

Maurice Högel: Genau. Der Senat stellte fest, dass die Bewertung als Meinungsäußerung zulässig ist, aber der Händler verpflichtet ist, den Zusatz hinzuzufügen, dass er kein Mandant der Kanzlei war. Dies ist wichtig, weil solche Bewertungen von der Öffentlichkeit oft als authentische Kundenerfahrungen wahrgenommen werden. Da der Händler jedoch nicht direkt von der anwaltlichen Leistung profitiert hat, sollte für potenzielle Mandanten klar sein, dass die Bewertung nicht auf einer eigenen Mandatserfahrung basiert.

Interviewer: Welche Bedeutung hat dieses Urteil für ähnliche Fälle? Können Unternehmen nun grundsätzlich gegen solche Bewertungen vorgehen?

Maurice Högel: Das Urteil schafft auf jeden Fall mehr Klarheit, wie Bewertungen auf Plattformen wie Google einzuordnen sind. Unternehmen können gegen Bewertungen vorgehen, wenn der Verfasser keine direkte Kundenerfahrung gemacht hat und der Eindruck erweckt wird, dass die Bewertung auf einer solchen Erfahrung beruht. Allerdings müssen auch hier die Rechte auf Meinungsfreiheit berücksichtigt werden. Wer also einen indirekten Kontakt zu einem Unternehmen hatte – beispielsweise über einen Geschäftspartner oder durch eine andere geschäftliche Beziehung – darf grundsätzlich eine Bewertung abgeben, muss aber deutlich machen, dass es sich nicht um eine eigene Kundenerfahrung handelt.

Interviewer: Welche Auswirkungen könnte das Urteil für die Zukunft von Online-Bewertungen haben?

Maurice Högel: Dieses Urteil könnte ein wichtiger Präzedenzfall für die Bewertungspraxis auf Plattformen wie Google sein. Es verdeutlicht, dass Meinungsäußerungen zwar geschützt sind, aber auch klare Grenzen haben. Bewertungen sollten immer auf eigenen Erfahrungen beruhen oder zumindest transparent sein, wenn es sich um indirekte Erfahrungen handelt. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie unter bestimmten Bedingungen gegen Bewertungen vorgehen können, die irreführend sind oder den Eindruck erwecken, auf einer eigenen Kundenerfahrung zu basieren, obwohl dies nicht der Fall ist. Für Nutzer bedeutet es, dass sie bei negativen Bewertungen klarstellen sollten, welche Art von Erfahrung sie gemacht haben, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Interviewer: Herr Högel, vielen Dank für Ihre Einschätzungen und die Erläuterung dieses komplexen Falls. Das Thema Online-Bewertungen ist zweifellos eines, das weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Maurice Högel: Das denke ich auch. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Rechtsprechung in diesem Bereich weiterentwickelt. Vielen Dank für das Gespräch.

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