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Interview mit Rechtsanwalt Maurice Högel über Photovoltaik-Großprojekte und deren rechtliche Herausforderungen

Tumisu (CC0), Pixabay
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Interviewer: Herr Högel, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Wir hören aktuell viel über den Boom von Photovoltaikanlagen und großen Solarparks in Deutschland. Viele Unternehmen, wie die von Herrn Köhler beschriebene GmbH, sprechen von der „besten Wahl“ im Bereich erneuerbarer Energien. Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Welche rechtlichen Risiken sehen Sie bei diesen Großprojekten?

Högel: Vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben. Photovoltaik ist ohne Zweifel ein wichtiger Teil der Energiewende, aber wie bei jeder großen Investition gibt es hier eine Vielzahl von rechtlichen und regulatorischen Hürden, die oft übersehen werden. Besonders bei großen Solarparks oder Dachanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen oder Freiflächen kann es schnell zu Problemen kommen – von der Planung und Baugenehmigung über Umweltauflagen bis hin zu rechtlichen Konflikten mit Gemeinden oder Grundstückseigentümern.


Interviewer: Beginnen wir mit den rechtlichen Hürden bei der Planung. Herr Köhler betont, dass Photovoltaikanlagen die „beste Wahl“ seien und sich von selbst amortisieren. Aber wie sieht es mit den rechtlichen Herausforderungen in der Planungsphase aus?

Högel: Zunächst einmal muss man wissen, dass große Photovoltaikanlagen auf Freiflächen oder Dachflächen keineswegs einfach so gebaut werden können. Es bedarf einer gründlichen Planungsphase, in der zunächst die rechtlichen Genehmigungen eingeholt werden müssen. Viele der Flächen, die für solche Projekte in Betracht gezogen werden, befinden sich im ländlichen Raum oder auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Hier gibt es strenge Auflagen bezüglich des Naturschutzes, des Denkmalschutzes und der Bodennutzung. Jede dieser Einschränkungen kann den Bau erheblich verzögern oder sogar verhindern.


Interviewer: Und wie sieht es mit dem Genehmigungsverfahren selbst aus? Wird das in der Regel durch die zuständigen Behörden schnell genehmigt?

Högel: Ganz im Gegenteil. Die Genehmigungsverfahren können sich oft als äußerst komplex und zeitaufwändig erweisen, insbesondere wenn es um größere Solarparks geht. In der Regel sind mehrere Genehmigungen notwendig: von der Baugenehmigung über Umweltverträglichkeitsprüfungen bis hin zu speziellen Anforderungen, etwa im Bereich des Landschaftsschutzes. In einigen Fällen können auch lokale Bürgerinitiativen oder Naturschutzverbände Einspruch einlegen, was die Verfahren noch weiter verzögert. Selbst wenn der Bauleiter, wie in Ihrem Beispiel, darauf achtet, dass die Anlagen „minimal invasiv“ installiert werden, bedeutet das nicht, dass alle rechtlichen Hürden reibungslos überwunden werden können.


Interviewer: Ein weiteres wichtiges Thema, das Herr Köhler angesprochen hat, ist die Nutzung von Freiflächen für Solarparks, die anderweitig nicht genutzt werden. Welche rechtlichen Probleme könnten bei der Nutzung solcher Flächen auftreten?

Högel: Die Nutzung von Freiflächen für Photovoltaikanlagen wirft einige rechtliche Fragen auf. Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob die betreffenden Flächen überhaupt für eine solche Nutzung ausgewiesen sind. In vielen Fällen handelt es sich bei den Flächen um landwirtschaftliche Nutzflächen, die einem bestimmten Zweck dienen und nicht einfach so für Solaranlagen umgewidmet werden können. Hier ist oft eine Änderung des Flächennutzungsplans erforderlich, was mit erheblichen bürokratischen Hürden verbunden sein kann. Darüber hinaus gibt es oft lokale Widerstände, da die Anwohner oder Landwirte befürchten, dass ihre Flächen durch die Installationen beeinträchtigt werden, auch wenn, wie Herr Köhler betont, eine „Beweidung“ oder „Blühstreifen“ unter den Solarmodulen möglich sein sollen.


Interviewer: Wie sieht es aus rechtlicher Sicht mit der Langfristigkeit solcher Projekte aus? Kann es passieren, dass ein bereits genehmigter Solarpark später wieder abgebaut werden muss?

Högel: Ja, theoretisch ist das möglich. Genehmigungen können widerrufen werden, insbesondere wenn nachträglich Umweltbedenken geltend gemacht werden oder wenn sich Gesetze ändern. Ein weiteres Problem ist, dass viele dieser Projekte langfristige Verträge und Pachtvereinbarungen erfordern – oft über Jahrzehnte. In dieser Zeit können sich jedoch die Rahmenbedingungen ändern, sei es durch neue Umweltrichtlinien oder durch Änderungen im Energiemarkt. Wenn beispielsweise die Einspeisevergütungen für Strom drastisch gesenkt werden, wie wir es in der Vergangenheit schon gesehen haben, kann das die Rentabilität solcher Projekte gefährden, was wiederum zu rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Betreibern und Investoren führen kann.


Interviewer: Apropos Investoren. Herr Köhler und viele andere Unternehmen werben damit, dass Photovoltaik-Anlagen eine solide und sichere Investition darstellen. Sehen Sie das auch so, oder gibt es aus Ihrer Sicht rechtliche Risiken, die Investoren beachten sollten?

Högel: Photovoltaikanlagen können eine gute Investition sein, keine Frage. Aber es gibt rechtliche und wirtschaftliche Risiken, die Investoren unbedingt berücksichtigen sollten. Ein großes Risiko besteht in der Volatilität des Energiemarkts. Die Einspeisevergütungen für Strom aus erneuerbaren Energien werden regelmäßig angepasst, und in der Vergangenheit wurden sie oft gesenkt. Das bedeutet, dass die Einnahmen, die man heute kalkuliert, in einigen Jahren möglicherweise nicht mehr realistisch sind. Darüber hinaus gibt es das Risiko von Bauverzögerungen oder unvorhergesehenen Kosten, etwa durch Probleme bei der Netzanbindung oder technische Herausforderungen. Wenn ein Projekt teurer wird als geplant, kann das die Rendite erheblich schmälern.


Interviewer: Herr Köhler erwähnt, dass Photovoltaikanlagen sich in 5 bis 7 Jahren amortisieren. Ist diese Aussage aus Ihrer Sicht realistisch?

Högel: Das hängt stark von den individuellen Umständen ab. Es gibt sicherlich Projekte, bei denen eine Amortisation in 5 bis 7 Jahren möglich ist, insbesondere bei günstigen Bedingungen und hohen Einspeisevergütungen. Allerdings dürfen die anfänglichen Investitionskosten nicht unterschätzt werden. Zudem können unvorhergesehene Ausgaben, etwa für Wartung, Reparaturen oder Anpassungen an die Netz-Infrastruktur, die Amortisationszeit verlängern. Eine Amortisation innerhalb von 10 Jahren ist realistischer, aber wie gesagt, das hängt stark von der Lage, der Größe des Projekts und den Marktentwicklungen ab.


Interviewer: Ein weiteres Thema, das in der Debatte oft aufkommt, ist die Langfristigkeit der Verträge mit Energieversorgern. Können diese Verträge gekündigt werden, und welche rechtlichen Konsequenzen hätte das für die Betreiber?

Högel: Langfristige Verträge mit Energieversorgern sind normalerweise ein fester Bestandteil solcher Projekte. Diese Verträge sichern den Betreibern eine feste Einspeisevergütung über einen bestimmten Zeitraum. Allerdings kann es in seltenen Fällen zu Kündigungen oder Vertragsänderungen kommen, etwa wenn der Energieversorger insolvent geht oder die gesetzlichen Rahmenbedingungen sich ändern. In einem solchen Fall können die Betreiber auf einmal ohne Abnehmer für ihren Strom dastehen, was zu erheblichen finanziellen Problemen führen könnte. Auch Vertragsklauseln zur Haftung und Vertragsstrafen müssen von den Betreibern genau geprüft werden, um unvorhergesehene finanzielle Einbußen zu vermeiden.


Interviewer: Abschließend noch eine Frage: Viele Verbraucher und Unternehmen sehen Photovoltaik als einen Weg, um einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Was sollten diese potenziellen Investoren aus rechtlicher Sicht beachten, bevor sie sich auf ein Projekt einlassen?

Högel: Mein Rat wäre, jedes Photovoltaik-Projekt gründlich zu prüfen, sowohl aus technischer als auch aus rechtlicher Sicht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex, und es gibt viele potenzielle Fallstricke, von den Genehmigungsverfahren bis hin zu den langfristigen Verträgen und den steuerlichen Implikationen. Investoren sollten sich unbedingt von einem spezialisierten Anwalt oder Steuerberater beraten lassen, bevor sie sich auf ein Projekt einlassen. Letztlich kann Photovoltaik eine rentable Investition sein, aber wie bei jeder großen Investition sollte man die Risiken genau kennen und abwägen.


Interviewer: Vielen Dank, Herr Högel, für diese ausführlichen und aufschlussreichen Antworten.

Högel: Es war mir ein Vergnügen.

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