Redaktion: Herr Högel, Unternehmensbeteiligungen und Alternative Investmentfonds (AIF) werden häufig als interessante Investmentmöglichkeiten beworben. Was macht sie für Anleger attraktiv?
Maurice Högel: Unternehmensbeteiligungen bieten Anlegern die Möglichkeit, direkt an Großprojekten oder Sachwerten wie Immobilien, erneuerbaren Energien oder auch Schiffs- und Unternehmensbeteiligungen zu partizipieren. Der Reiz liegt oft in den versprochenen hohen Renditen und der Idee, dass man „Teilhaber“ eines spannenden Projekts wird. Dazu kommt, dass diese Anlagen häufig von Vermittlern mit Schlagwörtern wie „exklusive Chancen“, „hohe Steuervorteile“ oder „attraktive Gewinne“ beworben werden. Für manche Anleger wirkt das wie eine Einladung, direkt einzusteigen.
Redaktion: Aber Unternehmensbeteiligungen bringen auch erhebliche Risiken mit sich. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Gefahren?
Maurice Högel: Die größte Gefahr ist eindeutig der Totalverlust des investierten Kapitals. Anleger werden bei diesen Beteiligungen Mitunternehmer und tragen damit nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust der Gesellschaft teil. Wenn die Unternehmung scheitert, können Anleger leer ausgehen.
Zudem landen bei vielen Beteiligungsmodellen nur Teile des eingesetzten Kapitals tatsächlich in den beworbenen Projekten. Es gibt oft hohe Innenprovisionen, Verwaltungskosten und andere Abzüge, die das Vermögen bereits vor dem Start des Investments schmälern. Ein weiteres Problem ist die lange Bindungsdauer – Unternehmensbeteiligungen laufen oft über 10 bis 20 Jahre, und ein vorzeitiger Ausstieg ist in der Regel nur über den sogenannten Zweitmarkt möglich, der jedoch meist keine attraktiven Rückkaufsangebote bietet.
Redaktion: Vermittler werben oft mit attraktiven Steuervorteilen. Sind diese wirklich ein überzeugendes Argument für Unternehmensbeteiligungen?
Maurice Högel: Steuervorteile sind für die meisten Anleger eher eine trügerische Verlockung. Wer von steuerlichen Vorteilen profitieren möchte, muss in der Regel sehr hohe Einkünfte erzielen, um diese Vorteile überhaupt geltend machen zu können. Für den Normalverdiener lohnen sich solche Steuermodelle meistens nicht. Und selbst wenn, können sich die steuerlichen Grundlagen und Gesetze jederzeit ändern, wodurch die versprochenen Vorteile plötzlich hinfällig werden. Niemand sollte eine Anlageentscheidung primär aufgrund steuerlicher Argumente treffen, ohne vorher Rücksprache mit einem Steuerberater gehalten zu haben.
Redaktion: Neben den hohen Risiken kommen oft auch hohe Kosten auf die Anleger zu. Was genau belastet hier die Rendite?
Maurice Högel: Unternehmensbeteiligungen sind oft mit hohen Abschlusskosten verbunden. Bis zu 20 Prozent des Anlagekapitals können für Agio, Vermittlungsprovisionen, Prospekte und Verwaltungskosten abfließen. Das bedeutet, dass ein erheblicher Teil des Kapitals gar nicht investiert wird, sondern bereits im Vorfeld „verloren“ ist. Anleger sollten sich dessen bewusst sein und solche Kosten unbedingt hinterfragen. Diese hohen Kosten schmälern die Rendite erheblich und führen dazu, dass selbst bei einem positiven Geschäftsergebnis der Gesellschaft die Gewinne für den Anleger bescheiden ausfallen können.
Redaktion: Was können Anleger tun, wenn sie merken, dass sie in ein für sie ungeeignetes Produkt investiert haben?
Maurice Högel: Zunächst sollte geprüft werden, ob ein Widerrufsrecht besteht. Bei Vertragsabschlüssen, die außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz – also zum Beispiel online oder am Telefon – zustande kamen, gibt es in der Regel ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen. Wichtig ist dabei, dass die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß war. Oft sind diese Belehrungen fehlerhaft, was die Widerrufsfrist verlängern kann.
Nach Ablauf der Widerrufsfrist bleibt meist nur die Kündigung, die jedoch in der Regel erst nach Ablauf der festgelegten Vertragslaufzeit möglich ist. In Ausnahmefällen, beispielsweise bei arglistiger Täuschung oder einer fehlerhaften Beratung, kann auch eine fristlose Kündigung oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen infrage kommen. Dafür sollte man unbedingt rechtlichen Rat einholen.
Redaktion: Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Anleger, wenn sie sich falsch beraten fühlen?
Maurice Högel: Wenn Anleger nicht umfassend über die Risiken aufgeklärt wurden oder das Produkt offensichtlich nicht zu ihrer persönlichen finanziellen Situation oder ihren Anlagezielen passt, kann das als fehlerhafte Anlageberatung gewertet werden. In solchen Fällen können Anleger Schadensersatzansprüche geltend machen.
Wichtig ist, alle relevanten Unterlagen, wie Prospekte, Beratungsprotokolle oder E-Mails, aufzubewahren. Diese Dokumente sind oft entscheidend, um nachzuweisen, dass die Beratung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach oder wichtige Informationen, wie das Risiko eines Totalverlusts, verschwiegen wurden.
Redaktion: Unternehmensbeteiligungen scheinen für viele Anleger nicht die richtige Wahl zu sein. Für wen sind sie überhaupt geeignet?
Maurice Högel: Unternehmensbeteiligungen sind wirklich nur für Anleger geeignet, die ein hohes finanzielles Polster haben und bereit sind, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. Solche Anlagen sollten immer nur einen kleinen Teil des gesamten Vermögens ausmachen – maximal 5 bis 10 Prozent. Außerdem sollte man sich im jeweiligen Investmentbereich auskennen, um zumindest eine grobe Einschätzung des Risikos vornehmen zu können. Für sicherheitsorientierte Anleger oder diejenigen, die auf schnelle Verfügbarkeit ihres Geldes angewiesen sind, sind Unternehmensbeteiligungen völlig ungeeignet.
Redaktion: Was raten Sie Anlegern, die über eine Unternehmensbeteiligung nachdenken?
Maurice Högel: Mein Rat lautet: Prüfen Sie die Angebote sehr kritisch. Lesen Sie den Prospekt vollständig, achten Sie auf die Risikohinweise und hinterfragen Sie die Renditeversprechen. Lassen Sie sich nicht von hohen Steuervorteilen oder exklusiven Chancen blenden. Holen Sie sich im Zweifel eine zweite Meinung von einem unabhängigen Berater, der keine Provisionen durch den Abschluss erhält.
Und ganz wichtig: Investieren Sie nur Geld, dessen Verlust Sie notfalls verkraften könnten. Wenn Ihnen ein Berater Druck macht, schnell zu unterschreiben, sollten Sie die Finger von diesem Angebot lassen.
Redaktion: Herr Högel, abschließend: Sehen Sie Unternehmensbeteiligungen als sinnvolle Anlageform?
Maurice Högel: Unternehmensbeteiligungen können in Einzelfällen sinnvoll sein, wenn sie sorgfältig geprüft und nur als Beimischung in einem gut diversifizierten Portfolio genutzt werden. Für den durchschnittlichen Anleger, der auf Sicherheit oder schnelle Liquidität angewiesen ist, sehe ich sie jedoch kritisch. Die Risiken, die Intransparenz und die hohen Kosten machen sie in vielen Fällen zu einer fragwürdigen Wahl.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Högel, für die ausführlichen und hilfreichen Informationen!
Maurice Högel: Sehr gerne, ich danke Ihnen!
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