Startseite Interviews Interview mit Rechtsanwalt Maurice Högel zum Urteil des Amtsgerichts Lörrach (Az. 3 C 112/24)
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Interview mit Rechtsanwalt Maurice Högel zum Urteil des Amtsgerichts Lörrach (Az. 3 C 112/24)

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Interviewer: Herr Högel, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, das Urteil des Amtsgerichts Lörrach mit uns zu besprechen. Das Urteil betrifft Datenschutzverletzungen und Schadensersatzansprüche des Klägers. Können Sie uns die wesentlichen Inhalte des Falls kurz zusammenfassen?

Maurice Högel: Sehr gerne. In diesem Fall klagte ein Nutzer eines sozialen Netzwerks gegen die Betreiberin der Plattform, weil er sich durch die Nutzung seiner personenbezogenen Daten zur Schaltung personalisierter Werbung in seinen Rechten verletzt sah. Er forderte immateriellen Schadensersatz in Höhe von mindestens 1.500 Euro und die Löschung beziehungsweise Einschränkung der Verarbeitung seiner Daten. Außerdem machte er geltend, dass die Beklagte materiell bereichert worden sei, da sie mit seinen Daten Einnahmen generiert habe. Das Amtsgericht Lörrach wies die Klage jedoch vollständig ab.


Interviewer: Warum wurde die Klage abgewiesen?

Maurice Högel: Das Urteil basiert auf zwei wesentlichen Argumentationssträngen. Erstens hat das Gericht die Klage hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs als unzulässig bewertet, da der Kläger eine sogenannte unzulässige alternative Klagehäufung vorgetragen hat. Zweitens hat das Gericht entschieden, dass die datenschutzrechtlichen Ansprüche des Klägers auf Löschung oder Einschränkung der Datenverarbeitung unbegründet sind, da die Datenverarbeitung zum Zeitpunkt der Klageerhebung entweder rechtmäßig war oder nicht mehr stattfand.


Interviewer: Sie sprechen von einer „unzulässigen alternativen Klagehäufung“. Können Sie das etwas genauer erklären?

Maurice Högel: Ja, das ist ein zentraler Punkt des Urteils. Der Kläger hatte in einem einzigen Zahlungsantrag zwei unterschiedliche Ansprüche geltend gemacht: Einerseits forderte er Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO für den immateriellen Schaden, der durch die unrechtmäßige Verarbeitung seiner Daten entstanden sein soll. Andererseits forderte er eine sogenannte Herausgabe der Bereicherung nach § 812 BGB, da die Beklagte durch die Nutzung seiner Daten wirtschaftlich profitiert habe.
Das Problem dabei ist, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche rechtliche Grundlagen handelt – einmal Schadensersatz, einmal Bereicherung. Das Gericht erklärte, dass der Kläger klar hätte darlegen müssen, in welcher Reihenfolge diese Ansprüche geprüft werden sollen. Das hat er nicht getan, was die Klage in diesem Punkt unzulässig machte.


Interviewer: Gab es denn noch weitere Gründe, warum der Schadensersatzanspruch abgewiesen wurde?

Maurice Högel: Ja, auch wenn die Klage bereits wegen der formellen Unzulässigkeit abgewiesen wurde, hat das Gericht weitere Ausführungen gemacht. Der Kläger konnte nicht ausreichend darlegen, dass ihm tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Nach Art. 82 DSGVO reicht es nicht, pauschal zu behaupten, dass personenbezogene Daten verarbeitet wurden – der Kläger muss nachweisen, dass daraus ein konkreter immaterieller Schaden entstanden ist, wie etwa Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts oder andere nachweisbare Folgen.

Das Gericht betonte außerdem, dass die Datenverarbeitung im fraglichen Zeitraum durch die nachträgliche Einwilligung des Klägers rechtmäßig geworden war. Dadurch entfiel der rechtliche Grund für einen Schadensersatzanspruch.


Interviewer: Was ist mit dem zweiten Teil der Klage, der sich auf die Löschung oder Einschränkung der Datenverarbeitung bezog?

Maurice Högel: Auch dieser Teil der Klage wurde abgewiesen. Der Kläger hatte argumentiert, dass die Verarbeitung seiner Daten bis zum 07.11.2023 unrechtmäßig gewesen sei, weil erst ab diesem Datum eine ausdrückliche Einwilligung eingeholt wurde. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Datenverarbeitung für den einen Account des Klägers mittlerweile durch eine Einwilligung gedeckt war und damit rechtmäßig geworden ist.

Hinsichtlich des zweiten, nicht mehr genutzten Accounts stellte das Gericht fest, dass die Beklagte die Daten dieses Accounts gar nicht mehr verwendete. Ohne eine laufende Verarbeitung kann jedoch auch kein Anspruch auf Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung geltend gemacht werden.


Interviewer: Das Urteil hat also auch eine datenschutzrechtliche Bedeutung. Wie bewerten Sie den Umgang des Gerichts mit den Anforderungen der DSGVO?

Maurice Högel: Das Urteil zeigt sehr deutlich, dass Gerichte von Klägern erwarten, ihre Ansprüche genau zu begründen und Nachweise für tatsächlich entstandene Schäden zu erbringen. Besonders bei Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DSGVO wird verlangt, dass ein immaterieller Schaden konkret und nachvollziehbar dargelegt wird – reine Datenschutzverstöße ohne nachweisbare Folgen reichen hier nicht aus.

Das Gericht hat außerdem klargestellt, dass eine nachträglich erteilte Einwilligung eine ursprünglich rechtswidrige Datenverarbeitung heilen kann. Dies zeigt, dass Unternehmen, die datenschutzrechtliche Probleme frühzeitig korrigieren, unter Umständen die rechtliche Angreifbarkeit minimieren können.


Interviewer: Wie bewerten Sie das Urteil aus Sicht der Verbraucher?

Maurice Högel: Aus Sicht der Verbraucher ist das Urteil sicherlich enttäuschend, da es hohe Anforderungen an die Beweisführung für immaterielle Schäden stellt. Viele Menschen fühlen sich durch die Nutzung ihrer Daten benachteiligt, doch ohne konkrete Nachweise wird es schwer sein, Schadensersatzansprüche erfolgreich durchzusetzen. Das Urteil zeigt aber auch, dass Verbraucher sich sorgfältig vorbereiten müssen, bevor sie Klage erheben – insbesondere bei der Formulierung von Anträgen und der Darlegung von Schäden.


Interviewer: Und was bedeutet das Urteil für Unternehmen?

Maurice Högel: Für Unternehmen ist das Urteil durchaus positiv, da es zeigt, dass die DSGVO nicht automatisch zu hohen Schadensersatzforderungen führt, wenn keine konkreten Schäden nachgewiesen werden können. Es unterstreicht auch die Bedeutung von Einwilligungen als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung. Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie Einwilligungen korrekt einholen und dokumentieren, um spätere rechtliche Angriffe abwehren zu können.


Interviewer: Herr Högel, vielen Dank für diese ausführliche Analyse. Gibt es noch etwas, das Sie den Lesern mitgeben möchten?

Maurice Högel: Sehr gerne. Dieses Urteil zeigt, wie komplex Datenschutzverfahren sein können. Sowohl Verbraucher als auch Unternehmen sollten sich gut beraten lassen, um ihre Rechte beziehungsweise Pflichten richtig einzuschätzen. Der Datenschutz ist ein wichtiges Thema, aber Erfolg in gerichtlichen Verfahren hängt immer davon ab, wie klar und präzise die rechtlichen Argumente formuliert und belegt werden.


Interviewer: Vielen Dank, Herr Högel, für dieses aufschlussreiche Gespräch.

Maurice Högel: Vielen Dank auch an Sie!

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