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Interview mit Rechtsanwalt Thomas Sontowski: „Hohe Zinsen bedeuten oft ein hohes Verlustrisiko“

Tumisu (CC0), Pixabay
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diebewertung.de: Herr Sontowski, viele Anleger sind verunsichert. Die Firma Enespa bietet derzeit Obligationen mit Zinssätzen von bis zu 7 Prozent an, was im aktuellen Zinsumfeld extrem hoch ist. Sollte man hier skeptisch sein?

Thomas Sontowski: Absolut. Wenn ein Unternehmen Zinssätze anbietet, die deutlich über dem Marktstandard liegen, ist das immer ein Warnsignal für ein hohes Risiko. Enespa beispielsweise bietet Aktien und Obligationen im Rahmen von Privatplatzierungen an, das heißt, diese Papiere sind nicht an der Börse gelistet und unterliegen keiner strengen Regulierung oder Transparenzpflicht. Anleger sind hier also weniger geschützt, und das Risiko eines Totalverlustes ist deutlich höher.

diebewertung.de: Was bedeutet das konkret für jemanden, der überlegt, Enespa-Aktien oder -Obligationen zu kaufen?

Thomas Sontowski: Zunächst muss man verstehen, dass ein Kauf von Aktien bedeutet, Miteigentümer des Unternehmens zu werden. Sie tragen das gesamte wirtschaftliche Risiko mit, und wenn das Unternehmen scheitert, kann es passieren, dass Sie Ihr gesamtes investiertes Kapital verlieren. Bei Obligationen verhält es sich ähnlich – sie sind in diesem Fall ungesicherte Schuldtitel ohne die Sicherheiten, die man bei börsennotierten Anleihen hat. Das Totalverlustrisiko ist hier real.

diebewertung.de: Gibt es spezielle Hinweise, dass diese Papiere riskanter sind als andere?

Thomas Sontowski: Ja, die Zinssätze selbst sind ein starkes Warnsignal. Enespa bietet für ihre Franken-Obligationsanleihe 5,75 Prozent und für die Euro-Obligationen sogar 7 Prozent. Zum Vergleich: Schweizer Bundesanleihen, die als sehr sicher gelten, bieten je nach Laufzeit etwa 0,6 Prozent Rendite. Wenn ein Unternehmen derart hohe Zinsen bietet, bedeutet das in der Regel, dass es Schwierigkeiten hat, Kapital am Markt zu erhalten, was oft an einer niedrigen Bonität liegt. Das ist ein klares Zeichen für ein höheres Risiko.

diebewertung.de: Enespa verfügt also nicht über ein offizielles Rating, richtig?

Thomas Sontowski: Genau. Enespa hat kein Rating von renommierten Agenturen wie S&P oder Moody’s, was darauf hinweist, dass ihre Bonität und Kreditwürdigkeit schwer einzuschätzen sind. Ohne ein solches Rating gibt es keine objektive Bewertung der finanziellen Stabilität des Unternehmens, was für Anleger eine zusätzliche Unsicherheit bedeutet. Das Unternehmen weist zwar in den Zeichnungsunterlagen auf Bonitätsrisiken hin, aber viele Anleger unterschätzen das.

diebewertung.de: Was würden Sie Anlegern raten, die dennoch Interesse an einem Investment haben?

Thomas Sontowski: Wer sich für ein Investment interessiert, sollte sich der Risiken sehr bewusst sein. Ich rate dazu, die Zeichnungsunterlagen und Vertragsbedingungen gründlich zu prüfen und nur Kapital zu investieren, dessen Verlust man verschmerzen könnte. Es ist besonders wichtig, bei Hochrisiko-Investments wie diesen Vorsicht walten zu lassen und keine übermäßigen Summen zu riskieren. Im Zweifelsfall ist auch eine unabhängige Beratung durch einen Finanzexperten sinnvoll.

diebewertung.de: Was sind die größten Gefahren bei solchen Investitionen?

Thomas Sontowski: Die größte Gefahr ist tatsächlich der Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Vor allem bei kleineren Unternehmen in Nischenbranchen, wie hier im Bereich Recycling, besteht ein erhöhtes Insolvenzrisiko. Wenn das Unternehmen scheitert, haben Anleger bei solchen ungesicherten Anlagen oft keine Möglichkeit, ihr Geld zurückzubekommen. Anders als bei staatlich abgesicherten Investments gibt es hier keine Einlagensicherung. Die hohen Zinsen sollen das Risiko für Anleger attraktiv machen, aber das bedeutet eben auch, dass der Verlust am Ende komplett sein kann.

diebewertung.de: Was können Anleger tun, um einen Totalverlust zu vermeiden?

Thomas Sontowski: Bei Hochrisiko-Investments wie diesen kann man einen Totalverlust nie komplett ausschließen. Was Anleger jedoch tun können, ist ihr Investment zu diversifizieren und nicht alles auf eine Karte zu setzen. Auch sollte man Angebote mit extrem hohen Zinsen immer besonders kritisch hinterfragen. Eine unabhängige Beratung durch Finanz- oder Rechtsexperten kann ebenfalls dabei helfen, die Risiken realistisch einzuschätzen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

diebewertung.de: Haben Sie einen abschließenden Rat für Anleger?

Thomas Sontowski: Mein wichtigster Rat ist: Lassen Sie sich nicht von hohen Zinsen blenden. Oft locken solche Offerten mit dem Versprechen von schnellen und hohen Renditen, verschleiern aber die dahinterliegenden Risiken. Grundsätzlich gilt: Je höher die versprochene Rendite, desto größer ist auch das Risiko eines Totalverlusts. Seien Sie vorsichtig und lassen Sie sich im Zweifel beraten – gerade bei Anlagen, die keiner strengen Regulierung unterliegen. Ein kühler Kopf und eine genaue Prüfung sind hier entscheidend, um das eigene Kapital zu schützen.

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