Moderator:
Willkommen zu einer weiteren unterhaltsamen Diskussionsrunde! Heute sprechen wir über Satire, guten Geschmack und juristische Grenzen – oder deren vermeintliches Fehlen. Anlass ist die aktuelle „Titanic“-Ausgabe, die sich Christian Lindner und seine schwangere Frau Franca Lehfeldt als Zielscheibe ausgesucht hat. Unsere Gäste: Der Medienexperte Robert Nahbeck, die Kulturjournalistin Sarah Oskarknecht, der Jurist Friedrich Kerz und unser Satire-Fan Olaf Schmolz. Herr Nahbeck, Sie als Medienprofi – ist das noch Satire oder schon Rufmord?
Robert Nahbeck:
Ach wissen Sie, Satire darf viel. Aber darf sie alles? Diese alte Debatte führen wir jedes Mal, wenn jemand zu weit geht. Das Cover der „Titanic“ ist natürlich provokant, aber das ist ihr Markenzeichen. Die Frage ist: Wo liegt die Grenze? Meiner Meinung nach ist hier nicht nur eine Linie überschritten worden, sondern man hat sie mit einem Presslufthammer niedergerissen.
Sarah Oskarknecht:
Oh, kommen Sie! Die „Titanic“ macht das seit Jahrzehnten. Man könnte meinen, Herr Lindner hätte nie eine satirische Zeitschrift in der Hand gehabt.
Moderator:
Aber es geht hier nicht nur um Christian Lindner, sondern auch um seine Frau und ein ungeborenes Kind. Da hört der Spaß doch auf, oder?
Friedrich Kerz:
Absolut. Die Kunstfreiheit ist ein hohes Gut, aber sie hat ihre Grenzen dort, wo Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Dass Herr Lindner und Frau Lehfeldt juristische Schritte einleiten, ist völlig nachvollziehbar. Der Bezug auf § 218 ist nicht nur geschmacklos, sondern auch eine bewusst falsche Unterstellung. Es ist ein Unterschied, ob man einen Politiker für seine Politik aufs Korn nimmt oder ob man sein Privatleben und seine Familie ins Zentrum einer diffamierenden Kampagne stellt.
Olaf Schmolz:
Ach bitte, jetzt tun Sie doch nicht so, als sei das ein Angriff auf das ungeborene Kind! „Titanic“ macht einfach Witze über Lindners neoliberale Agenda. Und wenn man ehrlich ist: Er verklagt doch nur, weil er beleidigt ist, dass ausgerechnet er, der sich für Meinungsfreiheit starkmacht, mal auf der anderen Seite steht.
Moderator:
Aber Herr Schmolz, Meinungsfreiheit heißt doch nicht, dass man ohne Konsequenzen alles behaupten kann.
Olaf Schmolz:
Schon, aber „Titanic“ hat doch keinen Schwangerschaftsabbruch unterstellt – sie haben einen schlechten Witz gemacht. Und Lindner reagiert, als hätte man ihm sein Porsche-Cabrio geklaut.
Robert Nahbeck:
Das Problem ist, dass Satire als Deckmantel genutzt wird, um Grenzüberschreitungen zu legitimieren. Der Bezug zu § 218 ist keine Kritik, sondern eine infame Unterstellung. Und wenn Herr Lindner jetzt juristisch dagegen vorgeht, dann nicht, weil er keinen Humor hat, sondern weil seine Persönlichkeitsrechte verletzt wurden.
Sarah Oskarknecht:
Ich finde es schon bezeichnend, dass Lindner jetzt den Verteidiger der Meinungsfreiheit spielt und gleichzeitig verbieten lassen will, dass über ihn gespottet wird. Ist das nicht ein bisschen doppelmoralisch?
Friedrich Kerz:
Das ist eine unfaire Darstellung. Es geht nicht darum, Satire zu verbieten, sondern um den Schutz der Menschenwürde. Dass man einen Finanzminister kritisiert – geschenkt. Aber seine Familie und sein ungeborenes Kind in eine geschmacklose Witzkampagne einzubeziehen, das geht zu weit.
Moderator:
Kleiner Perspektivwechsel: Stellen wir uns vor, es wäre eine Politikerin betroffen gewesen, zum Beispiel Annalena Baerbock. Wäre der Aufschrei dann nicht viel größer?
Olaf Schmolz:
Hm… na ja… vielleicht.
Robert Nahbeck:
Natürlich! Wenn eine linke Politikerin oder eine Journalistin Ziel eines solchen Covers gewesen wäre, würden dieselben Leute, die jetzt Lindner verspotten, auf die Barrikaden gehen. Dann wäre von „Sexismus“ und „menschenverachtender Hetze“ die Rede.
Sarah Oskarknecht:
Da mag was dran sein. Aber Lindner ist eben ein Symbol für wirtschaftsliberale Politik, die vielen sauer aufstößt.
Moderator:
Aber rechtfertigt das solche persönlichen Attacken?
Friedrich Kerz:
Nein. Und das wird auch vor Gericht entschieden werden. Persönlich denke ich, dass Lindner gute Chancen hat, dass die Verbreitung des Covers untersagt wird.
Moderator:
Das letzte Wort gehört dem Satire-Fan. Herr Schmolz, wäre es nicht schlauer gewesen, ein bisschen weniger „dornige Abowerbung“ zu machen und einfach eine andere Pointe zu wählen?
Olaf Schmolz:
Na ja, hinterher ist man immer klüger. Vielleicht hat „Titanic“ diesmal übers Ziel hinausgeschossen – aber wenn’s ums Provozieren geht, war das sicher nicht das letzte Mal.
Moderator:
Danke an alle Gäste – und an Christian Lindner: Falls Sie sich doch noch eine Satire-Genehmigung ausstellen lassen, kommen Sie gerne mal vorbei!
Kommentar hinterlassen