Redaktion: Herr Schlautmann, die Digitalisierung in Deutschland wird oft als unzureichend wahrgenommen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Tim Schlautmann: Ein zentraler Punkt ist die unzureichende digitale Infrastruktur. Zwar wurden Fortschritte gemacht, etwa im Bereich der 5G-Abdeckung, aber beim Glasfaserausbau hinkt Deutschland hinterher. Viele Unternehmen und Privathaushalte sind immer noch auf langsame Internetverbindungen angewiesen, was nicht nur ärgerlich, sondern auch wirtschaftlich problematisch ist. Hinzu kommen bürokratische Hürden und eine teilweise übervorsichtige Auslegung der Datenschutzgesetze. Diese Faktoren bremsen die Digitalisierung in Verwaltung und Wirtschaft massiv aus.
Redaktion: Welche Maßnahmen sollte die neue Bundesregierung Ihrer Meinung nach dringend ergreifen?
Tim Schlautmann: Da gibt es mehrere dringende Baustellen:
- Infrastruktur:
Der flächendeckende Ausbau von Glasfasernetzen muss absolute Priorität haben. Deutschland braucht eine moderne Basis, um überhaupt digital wettbewerbsfähig zu sein. Es ist unverständlich, dass in einem wirtschaftlich so starken Land der Glasfaserausbau in vielen Regionen noch immer schleppend verläuft. - Bürokratieabbau:
Genehmigungsverfahren für digitale Projekte sind oft zu langwierig. Wir brauchen schnellere Prozesse und klar definierte Verantwortlichkeiten, um den Ausbau zu beschleunigen. - Förderung von digitalen Kompetenzen:
Die Bundesregierung muss stärker in Bildung und Weiterbildung investieren. Das betrifft nicht nur Schulen, sondern auch die berufliche Qualifikation. Viele Unternehmen klagen über einen Fachkräftemangel im IT-Bereich. Hier müssen gezielte Programme ansetzen. - E-Government:
Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein weiterer wichtiger Schritt. Bürger und Unternehmen sollten in der Lage sein, Behördengänge vollständig online abzuwickeln. Dazu gehört auch eine einheitliche und nutzerfreundliche Plattform.
Redaktion: In vielen Bereichen, insbesondere bei der Verwaltung, ist Deutschland noch weit von digitalen Standards entfernt. Wie könnte hier eine effiziente Lösung aussehen?
Tim Schlautmann: Der Schlüssel liegt in der konsequenten Einführung von E-Government-Lösungen. Diese sollten den Bürgern ermöglichen, Behördendienstleistungen online zu nutzen, von der Antragsstellung bis zur Nachverfolgung. Das spart Zeit und Ressourcen. Wichtig ist dabei, dass die Prozesse standardisiert und sicher sind. Ein Beispiel ist die elektronische Steuererklärung, die in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut wurde. Doch viele weitere Bereiche hängen hinterher.
Redaktion: Datenschutz ist in Deutschland ein großes Thema. Wie lässt sich hier ein sinnvoller Ausgleich zwischen Sicherheit und Fortschritt finden?
Tim Schlautmann: Datenschutz ist zweifellos wichtig und gehört zu den Grundrechten. Allerdings darf er nicht zur Innovationsbremse werden. Wir brauchen eine pragmatische Interpretation der Datenschutzgesetze, die den Schutz der Daten gewährleistet, aber gleichzeitig Raum für Innovationen lässt. Ein gutes Beispiel ist die Anonymisierung von Daten, die es ermöglicht, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, ohne die Privatsphäre zu gefährden.
Redaktion: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft bei der Digitalisierung?
Tim Schlautmann: Extrem wichtig. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die Innovationen fördern. Die Wirtschaft wiederum sollte die Politik mit praktischen Lösungsansätzen unterstützen. Ein gutes Beispiel ist das Förderprogramm „go-digital“, bei dem kleine und mittlere Unternehmen Beratung und Unterstützung bei der Digitalisierung erhalten. Unsere Firma, die market port GmbH, war das erste Unternehmen in Warendorf, das als autorisiertes Beratungsunternehmen zugelassen wurde. Solche Kooperationen zeigen, wie effektiv Zusammenarbeit sein kann.
Redaktion: Was sollte die Bundesregierung in puncto Digitalstrategie noch verbessern?
Tim Schlautmann: Die im Oktober 2024 vorgestellte Digitalstrategie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie sieht Investitionen in Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantencomputing vor. Doch die größte Herausforderung ist die konsequente Umsetzung dieser Strategie. Wir haben oft das Problem, dass gute Ansätze nicht schnell genug in die Praxis überführt werden. Hier braucht es klare Zielvorgaben und einen festen Zeitplan. Außerdem müssen ausreichend finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um die geplanten Maßnahmen tatsächlich umzusetzen.
Redaktion: Wie bewerten Sie die bisherigen Fortschritte der Bundesregierung in der Digitalisierung?
Tim Schlautmann: Es gibt durchaus Fortschritte, beispielsweise bei der 5G-Abdeckung. Allerdings reicht das nicht aus. Die Glasfaserversorgung bleibt ein großes Manko, und auch die digitale Verwaltung ist noch längst nicht auf einem modernen Stand. Wenn wir im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben wollen, muss die Digitalisierung stärker priorisiert werden – und zwar in allen Bereichen.
Redaktion: Was wäre Ihre wichtigste Empfehlung an die neue Bundesregierung?
Tim Schlautmann: Klarheit und Tempo. Die Digitalisierung darf nicht weiter verzögert werden. Wir brauchen eine klare Priorisierung und verbindliche Maßnahmen, um sowohl die Infrastruktur als auch die digitale Kompetenz in der Bevölkerung und den Unternehmen zu stärken. Nur so kann Deutschland den Anschluss an die führenden Digitalnationen finden.
Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schlautmann.
Tim Schlautmann: Ich danke Ihnen. Es ist wichtig, dass wir das Thema Digitalisierung weiter in den Fokus rücken.
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