Frage: Herr Schnitzler, die Republikaner haben bei den US-Kongresswahlen ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigt und kontrollieren nun beide Kammern des Kongresses sowie das Weiße Haus. Wie schätzen Sie diese Machtfülle für den künftigen Präsidenten Donald Trump ein?
Schnitzler: Das ist eine außergewöhnliche Situation. Mit einer republikanischen Mehrheit in beiden Kammern und Trump im Weißen Haus hat er praktisch freie Hand. Er kann seine politischen Vorhaben durchsetzen, ohne dass ihm die Demokraten viel entgegensetzen können. So eine Konstellation haben wir selten, und sie könnte zu tiefgreifenden Veränderungen führen – im Inland wie in der Außenpolitik.
Frage: Was bedeutet das konkret für Trumps angekündigte Agenda, etwa seine Einwanderungspolitik oder den Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine?
Schnitzler: Trump hat bereits angekündigt, dass er die härteste Abschiebewelle in der US-Geschichte plant. Gleichzeitig zeigt er sich in der Außenpolitik unberechenbar und scheint die Unterstützung der Ukraine infrage zu stellen. Seine Agenda ist in vielerlei Hinsicht radikal und könnte nicht nur das Verhältnis der USA zur Welt verändern, sondern auch die sozialen und politischen Strukturen im eigenen Land. Die Republikaner werden ihm hier vermutlich kaum Steine in den Weg legen.
Frage: Trump hat auch einige überraschende Personalentscheidungen getroffen, etwa mit der Nominierung von TV-Persönlichkeit Pete Hegseth als Verteidigungsminister. Was sagen Sie zu dieser Auswahl?
Schnitzler: Das ist wirklich bemerkenswert. Hegseth ist kein erfahrener Politiker oder Militärstratege, sondern ein Fernsehmoderator und eher als politischer Kommentator bekannt. Für viele Beobachter ist das ein Schock, denn normalerweise werden solche Schlüsselpositionen mit erfahrenen Leuten besetzt. Es deutet darauf hin, dass Trump sich loyale Gefolgsleute ins Kabinett holt, die ihm nahe stehen und ihm wenig widersprechen werden.
Frage: Neben Hegseth hat Trump auch den umstrittenen Abgeordneten Matt Gaetz als Justizminister nominiert. Was steckt hinter dieser Entscheidung?
Schnitzler: Gaetz ist ein erzkonservativer Hardliner, der für Trump in den letzten Jahren in vielen politischen und juristischen Kämpfen die Kastanien aus dem Feuer geholt hat. Er vertritt radikale Positionen, stellt das Justizwesen häufig als Instrument politischer Verfolgung dar und ist ein entschiedener Gegner der Ukraine-Hilfen. Trump schickt mit dieser Wahl ein deutliches Signal: Er will das Justizministerium nutzen, um sich gegen seine Kritiker zu verteidigen und möglicherweise eigene Untersuchungen gegen politische Gegner einzuleiten.
Frage: Biden empfing Trump kürzlich zum traditionellen Treffen im Weißen Haus. Was halten Sie von dieser Begegnung?
Schnitzler: Es ist fast ironisch, dass Biden Trump mit „Willkommen zurück“ begrüßte, nachdem Trump ihn vor vier Jahren keinen ähnlichen Empfang gewährt hatte. Biden versucht hier offenbar, demokratische Traditionen zu wahren und eine friedliche Übergabe zu gewährleisten, auch wenn das Verhältnis der beiden sehr angespannt ist. Aber man darf sich nicht täuschen lassen: Biden und sein Team haben bei diesem Treffen sehr klare Grenzen aufgezeigt, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine.
Frage: Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der Demokraten in dieser Situation?
Schnitzler: Die Demokraten stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Sie haben wenig bis gar keine Macht im Kongress und müssen sich auf die kommenden Zwischenwahlen in zwei Jahren konzentrieren, um zumindest eine Kammer zurückzuerobern. Bis dahin können sie sich nur als Gegenpol zu Trumps Politik positionieren und hoffen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Trumps Politik und seine Personalentscheidungen bieten ihnen dafür allerdings reichlich Angriffspunkte.
Frage: Letzte Frage: Was erwartet die USA mit diesem neuen Kongress und Präsidenten Trump?
Schnitzler: Eine Ära der Polarisierung und vermutlich eine ganze Reihe drastischer Veränderungen. Trumps Versprechen und seine bisherige Besetzungspolitik zeigen, dass er das Land in eine sehr andere Richtung lenken möchte – und das könnte erhebliche soziale und wirtschaftliche Konsequenzen haben. Viele Beobachter befürchten, dass die politische Spaltung des Landes noch tiefer wird. Es wird spannend sein zu sehen, ob die amerikanische Demokratie diesen Belastungstest besteht.
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