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Interview mit Verbraucheranwalt Jens Reime aus Bautzen

Tumisu (CC0), Pixabay
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Interviewer: Herr Reime, der Verbraucherzentrale Bundesverband hat kürzlich eine Untersuchung zu manipulativen Praktiken von großen Digitalkonzernen veröffentlicht. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Jens Reime: Die Untersuchung zeigt, dass trotz der neuen EU-Regelungen, die seit dem 7. März 2024 in Kraft sind, große Digitalkonzerne wie Meta, Amazon, TikTok oder Google weiterhin manipulative Designs auf ihren Webseiten und in Apps verwenden. Das Ziel ist es, Nutzer dazu zu bringen, einer möglichst weitreichenden Zusammenführung ihrer persönlichen Daten zuzustimmen.

Interviewer: Können Sie konkrete Beispiele für solche manipulativen Praktiken nennen?

Jens Reime: Sicher. TikTok beispielsweise spielt mit der Angst der Nutzer, dass der Dienst kostenpflichtig werden könnte, wenn sie der Datenzusammenführung nicht zustimmen. Meta suggeriert, dass die Einwilligung zur Datenzusammenführung nur das Nutzungserlebnis betrifft. In Wirklichkeit drohen Nachteile oder eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten, wenn man die Einwilligung verweigert.

Interviewer: Wie stehen die Verbraucher zu diesen Praktiken?

Jens Reime: Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass 79 Prozent der Verbraucher der Meinung sind, dass Webseiten nicht so gestaltet sein dürfen, dass sie Einfluss auf die Entscheidungen der Menschen nehmen. Zudem sind 70 Prozent dagegen, dass Unternehmen Daten zu Profilen zusammenfassen, um personalisierte Werbung zu erstellen.

Interviewer: Was fordern Sie als Verbraucheranwalt angesichts dieser Situation?

Jens Reime: Die geltenden Regeln reichen eindeutig nicht aus. Wir brauchen ein umfassendes Verbot manipulativer Designs, nicht nur auf Plattformen, sondern auch auf Webshops und anderen Webseiten. Die Europäische Kommission muss hier dringend handeln und die Regelungen des Digital Markets Act konsequent durchsetzen. Bei fortlaufenden Verstößen sollten Geldbußen verhängt werden.

Interviewer: Sie erwähnten den Digital Markets Act. Gibt es da noch weitere Probleme?

Jens Reime: Ja, ein weiteres Problem ist die unzulässige Kopplung von Diensten. Ein besonders auffälliges Beispiel ist der Facebook Marketplace. Obwohl er laut DMA als eigenständiger Dienst funktionieren sollte, kann man ihn praktisch nicht ohne ein Facebook-Konto nutzen. Das verstößt klar gegen das Kopplungsverbot des DMA.

Interviewer: Was raten Sie Verbrauchern im Umgang mit diesen Plattformen?

Jens Reime: Verbraucher sollten sehr achtsam sein und sich der manipulativen Praktiken bewusst werden. Sie sollten genau prüfen, welchen Datenzusammenführungen sie zustimmen und welche Konsequenzen eine Verweigerung hat. Wenn möglich, sollten sie Alternativen zu den großen Plattformen in Betracht ziehen, die weniger invasiv mit persönlichen Daten umgehen.

Interviewer: Vielen Dank für diese Einblicke, Herr Reime.

Jens Reime: Gerne, ich hoffe, das hilft den Verbrauchern, besser informierte Entscheidungen zu treffen.

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